hamburg:pur Dezember 2024

Foto: Shooney Films Foto: Laura Diekmann Die Geschichte von Ottensen Wie kamen die Straßen in Ottensen zu ihren spitzen Win- keln und der Lolli zu seinem Namen? Diese und viele weitere Geheimnisse werden in demDebütfilm von Laura Dieckmann gelüftet, denn die autodidaktische Regis- seurin und Ottensen-Begeisterte hat sich mal genauer mit ihrer Heimat auseinandergesetzt. Herausgekommen ist ein Film von Nachbarn für Nachbarn. Alles was der Name verspricht, wird in dieser Dokumentation geboten. Nach einschläferndemGeschichtsmaterial ist vergebens zu suchen. Die Hamburgerin begeistert mit Witz, Wissen und Visuals. Die tiefgreifende Recherche für diesen Film ist spürbar, genauso wie die Liebe zum Stadtteil; ein Stadtteil, der häufig übersehen wird im Gespräch über die Viertel Hamburgs. Der Film schafft ein Verständnis für die vielen Generationen von Menschen, die Ottensen zu diesem lebendigen und bedeutsamen Ort gemacht haben, der es heute ist. „Die Geschichte von Ottensen“ ist eine Reise von der Früh- durch die Dorfgeschichte des Mittelalters hin zur Industrialisierung undWeltkriegs- zeit von Hamburg-Ottensen. Die Herausforderung der Darstellungsweise meistert Dieckmann mit Animationen, bei denen mittelalterliche Häuser auf moderne Häuser gesetzt werden, ein mittelalterlicher Bauer auf der as- phaltierten Bahrenfelder Straße seinen Karren vor sich herschiebt oder eine Laiendarstellerin mit Heu unterm Arm durch halb Altona wandert. Aber auch Dorfkarten, Archivmaterial, Videoaufnahmen aus Museen und Voice- Overs aus dem Jenseits helfen den Zuschauenden, der Erzählung zu folgen. Sehr abwechslungs- und auf- schlussreich. Text: Carlotta Wißink AB 10. NOVEMBER D 2024; R: Laura Dieckmann ★★★★★ FILM Shambhala Entschleunigung ist das Zauberwort im ersten Berlina- le-Beitragsfilm aus Nepal. Shambhala bezeichnet einen mythischen Ort der Harmonie im tibetanischen Buddhis- mus. Als der Titel auf der Leinwand erscheint, läuft der Film von Regisseur Min Bahadur Bham schon seit einer guten Stunde. Das ist wohl eine schnippische Absage an Hollywood’sches Erzähltempo. Die Handlung folgt einer starken Frauenfigur: Wie es in ihrem nepalesischen Dorf Brauch ist, hat Pema (Thinley Lhamo) mehrere Män- ner. Ihre drei Gatten sind Brüder. Mit Tashi, demÄltesten, verbinden sie zärtliche Liebesgefühle. Für Dawa, den weitaus Jüngsten des Trios, ist Pema hingegen eher Mut- terersatz als Ehefrau. Dawas Klassenlehrer Ram flirtet gern mit ihr, besonders wenn er zu viel getrunken hat. Eines Tages bricht Gatte Nr. eins mit einem Treck Yaks zu einer Handelsreise ins benachbarte Tibet auf. Wäh- rend seiner Abwesenheit erfährt Pema, dass sie ein Kind erwartet. Der Treck kehrt ohne Tashi zurück. Das Ge- rücht, Lehrer Ram habe Pema geschwängert, dringen bis zu dem Reisenden, der sich daraufhin allein in die Berge absetzte. Pema macht sich auf die Suche. Einen Ehemann hat sie ja noch in der Hinterhand: Karma, der Mittlere der Brüder, soll sie begleiten. Doch der streng- gläubige Mönch möchte sein Kloster nicht verlassen. Erst auf Befehl seines betagten geistlichen Mentors fügt er sich eingeschnappt in seine Beschützerrolle. Der Film hat seine stärksten Momente, wenn er überraschend augenzwinkernd das Leben der abgeschieden lebenden dörflichen Community beleuchtet. Diese scheint völlig aus der Zeit gefallen. Nur eine gelegentlich unterm Ah- nengewand piepsende Digitaluhr liefert einen Hinweis darauf, in welchem Jahrhundert man sich befindet. Je länger Pema in der majestätischen Bergwelt nach ihrem Tashi sucht, desto diffuser wird die Handlung. Örtliche Zusammenhänge, der Zeitstrahl und die Motivationen der Figuren beginnen zu verschwimmen. Das ist ein biss- chen schade, aber wohl so gewollt, beschreibt dieser ebenso beeindruckende wie langsame Film doch die Ver- wandlung irdischer in spirituelle Wesen. Text: Calle Claus AB 21. NOVEMBER NEPAL, F, NO, HK, CHINA, TÜRKEI, TAIWAN, USA, QA 2024; 150 Min; R: Min Bahadur Bham D: Thinley Lhamo, Tenzin Dalha, Sonam Topden ★★★★★ 24 Foto: Studiocanal FILM The Outrun Es war Saoirse Ronan selbst, die junge Ausnahmeschau­ spielerin aus „Lady Bird“, die diese Verfilmung auf den Weg brachte. Die Geschichte der jungen Britin Amy Lipt­ rot, die in ihrem gleichnamigen Bestseller erzählt, wie sie als Biologiestudentin nach London geht und dort auf erschütternde Weise abstürzt; wie sie volltrunken auf Bürgersteigen aufwacht und durch die Tage taumelt, ihre Freunde und ihre Liebe verliert, um dann auf den Orkneys, einer schroffen Inselgruppe vor der Küste Schottlands, wieder zu sich zu finden. Sieht man Saoirse Ronans Performance, weiß man, warum sie diese junge Frau Rona unbedingt spielen wollte. Und vielleicht auch die Einzige ist, die es auf diese Weise kann – unerbitt­ lich und mit minimaler Mimik, die ein Verlorensein frei­ legt, aus dem sie lange keinen Ausweg findet. Bis sie sich in stürmischen Nächten, auf langen Spaziergängen an der Felsenküste und dem Abtauchen in der eis- kalten See mit der Natur und mit etwas verbindet, das mystisch und so viel größer ist als sie. Um das zu in­ szenieren, bat sie die Hamburgerin Nora Fingscheidt Regie zu führen. Schließlich weiß man seit ihremBerli­ nale-Gewinner „Systemsprenger“, wie gekonnt sie in Abgründe schauen kann. Und wie viel sie dabei wagt. Hoch anzurechnen ist ihr beispielsweise, dass sie das Hipster-Potenzial ignoriert, das im Thema schlummert, wenn man an die Selbsterfahrung und das Zurück zur (verschwindenden) Natur denkt. Stattdessen splittert sie die Geschichte auf, so wie es Saoirse Ronans Figur im Film tut. Fingscheidt springt unstet zwischen Lon­ don und Orkney hin und her, zwischen Ronas Suche, ihrer religiösen Mutter und dem bipolaren Vater. Manch­ mal bieten dabei nur die blauen und rosa Haare Ronas Orientierung. Der Rest bleibt grau und so gewaltig, dass man manchmal glaubt, das Salz des Atlantiks auf sei­ ner Haut zu spüren und die Kraft der Legenden, die um die „Seehundinsel“ kreisen. Erlösung gibt es nur be­ dingt. Denn wie ein anderer Inselbewohner sagt, der selbst trockener Alkoholiker ist: „Es wird nie einfach. Es wird nur weniger schwer.“ Text: Sabine Danek AB 5. DEZEMBER D, GB, 2024; 119 Min., R: Nora Fingscheidt. D: Saoirse Ronan, Saskia Reeves, Stephen Dillane ★★★★★ EINGESCHENKT BesteBars, Brauereienund tolleTropfen AUFGETISCHT Testsieger,Newcomer und jedeMenge Dinner-Tipps HOCHGEKOCHT DieBesten:Hamburgs Preisträgerbeim Genuss-Michel2024 DIE BESTEN RESTAURANTS DER STADT SZENE HAMBURG SPEZIAL ESSEN+TRINKEN TOP TEN 2025 € 9,90 ISBN978-3-911219-04-4 SPEZIALNR.5 2025 |€9,90 4 193232 309907 05 001_ET_Titelseite_TT-24 1 20.11.2024 17:07:47 Im Handel oder online über shop.szene-hamburg.com Jetzt NEU! mak g o f e g o Genussmarkt  |  Live-Kochen  |  Experten-Panels Mit unseren Genuss-Michel-Nachhaltigkeitspreisträgern 2020 bis 2024 Sebastian Junge Wolfs Junge Thomas Sampl Hobenköök Matthias Gfrörer Gutsküche Wulksfelde Hannes Schröder Küchenfreunde Koral Elci Table Dot Hamburgs Event für nachhaltigen Genuss Marktplatz: Nachhaltige Produkte von regionalen Manufakturen Bühne: Spannende Vorträge, lebhafte Diskussionen und exklusive Interviews Live-Kochen: 5 Köche, 5 Stationen, 5 Gänge – zuschauen und genießen 7. März 2025 ab 16 Uhr FABRIK,Barnerstraße36,Ottensen Experten-Panels u .a. mit Sarah Wiener 134,50 Euro zzgl. Gebühren, inkl. 5-Gänge-Menü und Getränke. Frühbucher-Rabatt: Bis 10. Januar buchen und nur 119,50 Euro zahlen! Alles Infos und Tickets unter genussguide-hamburg.com 93x128_kochevent.indd 1 22.11.24 16:53 25

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