hamburg:pur Dezember 2024
DAB+ HH & SH I App rockantenne.hamburg UKW 106,8 Radio an! Jetzt App rock'n Foto: Andrea Kueppers THEATER DEUTSCHES SCHAUSPIELHAUS „Eigentlich dürfte jeder nur noch sich selber spielen “ Acht Jahre war Mirco Kreibich Ensemblemitglied des Thalia Theaters. Seit dieser Saison gehört er zum Team des zweiten großen Sprechtheaters der Stadt die Gefahr, dass durch Quantität die Qualität der Stücke zu kurz kommt. Deine Arbeit als freier Schauspieler hat auch die Jahre der Pandemie miteingeschlossen, in der feste Ensemblemitglieder zumindest finanziell abgesichert waren. Hast du deine Entscheidung in dieser Zeit bereut? Damals hatte ich das Gefühl – und ein Stück weit glaube ich noch immer dran –, dass ich mit meinen Stoßgebeten die Corona-Krise mit ausgelöst habe. Am Theater plant man oft sehr weit imVoraus und so hatte ich schon früh zu- gesagt, unmittelbar nach „Hamlet“ bei einer neuen Produktion in Bremen mitzuwirken. Doch um ehrlich zu sein, war ich nach der Premiere völlig ausgebrannt. Ich saß dann dort auf der Probebühne und fragte mich: Was machst du hier eigentlich? ImStillen hoffte ich fast, dass irgendetwas geschehen würde, damit ich nicht sagen musste: Leute, ich bin erledigt, ich schaff das hier nicht mehr. Dann kamCorona, was in gewisser Weise ein schicksalhaftes Wunder war. Natürlich war die Zeit für niemanden ein- fach, aber ich war massiv erleichtert, als uns der Intendant mitteilte, dass die Produktion eingestellt wird. Das gab mir die Gelegenheit, eine Pause zu machen und tief durchzuatmen. Du hattest zunächst sechs Jahre Unterricht an der Staatlichen Ballettschule und Schule für Artistik Berlin, bevor du das Studium an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch aufgenommen hast. Wie kam dieser Schritt vom Tanz zumSchauspiel zustande? Ich habe das große Glück, dass sich bei mir immer alles einfach aus allem ergeben hat. Ich bin in Ost-Berlin geboren und aufgewachsen. Meine Eltern haben mich imRahmen der staat- lichen Kaderförderung mit vier Jahren in einen Sportkindergarten gegeben, um Eiskunstlauf zu trainieren. Nach dem Mauerfall und dem Zusammenbruch des Kadersystems bin ich dann auf die Ballettschule gewechselt. Nach sechs Jahren habe ich bei einer Produktion an der Staatsoper Berlin den Peter in „Peter und der Wolf“ getanzt und gemerkt, dass mir das darstellende Spiel viel mehr Freude macht als dieser Leistungssport Ballett. AmSchauspielhaus bist du für die Hauptrolle in Dušan David Pařízeks Inszenierung von Erich Kästners Roman „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ besetzt, die imDezember Pre- miere feiern sollte, aus Krankheitsgründen nun aber leider verschoben werden muss. Unabhängig davon fällt auf, dass die Jahre vor Hitlers Machtergreifung, in der auch Kästners Geschichte spielt, aktuell sehr im Fokus der Aufmerksamkeit stehen. Warum? Die Parallelen zur Gegenwart sind unverkenn- bar, obwohl die Zeiten damals ganz andere wa- ren. Die Menschen hatten gerade den ersten Mirco, von 2009 bis 2017 warst du festes Ensemblemitglied am Thalia Theater. Seit Beginn dieser Spielzeit bist du Ensemble- mitglied des Deutsches Schauspielhauses. Wie fühlt sich dieser Wechsel an? Mirco Kreibich: Erst mal habe ich hier einen Festvertrag für nur zwei Stücke. Damit kann ich sehr gut leben. Bei einem normalen Fest- vertrag ist die Zahl der Stücke, die man im Jahr neu probt, unbegrenzt. In meiner Hoch- phase am Thalia Theater war ich in vierzehn Stücken parallel besetzt. Das war physisch und psychisch nicht mehr zu schaffen. Du hast zuletzt sieben Jahre frei gearbeitet, bist unter anderembei den Salzburger Fest- spielen und amWiener Burgtheater aufge- treten. War das eine bewusste Entschei- dung, um dieser Mühle zu entgehen? Absolut. Ich frage mich, ob wirklich so viel produziert werden muss, um als Theater re- levant und im Gespräch zu bleiben. Ich sehe 17
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjI2ODAz