hamburg:pur - Dezember 2021

Foto: Fabio Lovino / Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Foto: Koch Films FILM House of Gucci Maurizio Gucci (Adam Driver), Sohn der gleichnamigen Mode-Dynas- tie, lernt in den 1970er-Jahren auf einer Party Patrizia Reggiani (Lady Gaga) kennen. Wenige Jahre später heiratet der zurückhaltende Jurist die gesellige, selbstbewusste Patrizia. Schon bald soll er an der Spitze des Moderiesen stehen, forciert von der intriganten Patrizia. Doch so- wohl die Geschäfte als auch die Ehe scheitern, er verlässt Patrizia und die gemeinsamen Kinder für eine andere Frau. Das lässt Patrizia nicht auf sich sitzen und ist bereit, jegliche Grenzen zu überschreiten. Einen Roman (von Sara Gay Forden) über die Geschehnisse rund um das Imperium Gucci gibt es bereits, so war es wohl bloß eine Frage der Zeit, bis Hollywood die Geschichte für sich entdeckt. Nun hat sich Benedetta Im Italien des 17. Jahrhunderts wird die kleine Benedetta, die angeb- lich mit der Jungfrau Maria im Bunde steht, von ihren Eltern in einem Kleinstadtkloster untergebracht. Jahre später ringt sie als Erwachsene (nun gespielt von Virginie Efira) mit rätselhaften Jesus-Visionen und trägt eines Tages, so scheint es, die Wundmale Christi an ihremKörper. Während die junge Frau zu einer Heilsverkünderin avanciert und die Spitze der Abteihierarchie erklimmt, stürzt sie sich in eine Affäre mit der Nonnenschülerin Bartolomea (Daphné Patakia). Nach einem töd- lichen Zwischenfall droht allerdings Ungemach, da die ausgebootete Vorsteherin (Charlotte Rampling) den päpstlichen Nuntius (Lambert Wilson) in Florenz aufsucht. Wer mit seinemWerk vertraut ist, weiß: Paul Verhoeven geht Provoka- tionen nicht aus dem Weg. Dass sich der „Basic Instinct“-Regisseur für die Geschichte der real existierenden Benedetta Carlini begeistern konnte, muss nicht verwundern. Tauchen darin doch mit Sex, Gewalt und dem Aufbegehren gegen Konventionen Themen auf, die in seinen bisherigen Filmen häufig eine Rolle spielten. Die neue Regiearbeit, die auf einem Sachbuch der US-Historikerin Judith Cora Brown basiert, möchte unverkennbar die brutalen Mechanismen des Patriarchats und die Heuchelei der Kirche angreifen. Gelegentlich gelingen Verhoeven zwar böse Spitzen. Zu oft nimmt die Erweckungsgeschichte aber Ab- zweigungen in lächerlich-trashige Gefilde und beraubt sich so ihrer potenziellen Wucht. Wiederholt greift der Niederländer auf unmoti­ vierte Splatter-Bilder zurück. Die Kostüme sehen manchmal mehr nach Laientheater aus. Ein kräftig rot leuchtender Komet über dem Kloster könnte einer billigen Science-Fiction-Produktion entsprungen sein. Großmeister Sir Ridley Scott („Alien“, „Gladiator“) der Sache ange- nommen, weshalb es kaum überrascht, dass ein Spektakel sonder- gleichen entstanden ist. In 157 Minuten erzählt er mit „House of Gucci“ seine Version der Ereignisse und liefert berauschende Bilder aus der Welt des Glamours sowie der menschlichen Abgründe, die sich dahinter verbergen. Dabei liegt Scotts Hauptaugenmerk auf den beiden Protagonisten, Patrizia Reggiani und Maurizio Gucci, ihrer gemeinsamen Ehe und deren Ende. Der Film stellt also mehr eine Charakterstudie dar als eine Verfilmung des Skandals an sich. Auch das Umfeld der beiden wird mit einem hochkarätig besetzten Cast von Al Pacino, über Jared Leto, hin zu Jeremy Irons und Salma Hayek mit aufwendigem Kostüm und Make-up porträtiert, ja teils karikiert. Lady Gaga („A Star is Born“) in der Rolle der „Lady Gucci“ ist eine Wucht und zweifellos der Star des Films. Ihr kauft man – ganz neben- bei – als eine der wenigen ihren italienischen Akzent ab. Adam Dri- ver („Marriage Story“) gelingt auch ohne diesen die Verkörperung des Sohnes Gucci, der – zwar als intelligent charakterisiert – gera- dezu marionettenartig zwischen Familie, Frau und Branche hin- und hergerissen, lauter falsche Entscheidungen trifft. Nach knapp zweieinhalb rasant verflogenen Stunden bleibt man mit einem ambivalenten, vielschichtigen Bild der Geschichte zurück. Das ist stark, in Anbetracht der reißerischen Banalisierung, von der die Erzählungen einer solchen Geschichte – nicht nur durch die Bou- levardpresse – leben. (rk) AB 2. DEZEMBER USA 2021; 157 Min.; R: Ridley Scott; D: Lady Gaga, Adam Driver, Jared Leto ★★★★★ Und die Protagonistin wirkt seltsam oberflächlich. Keine Frage: Nach dem herausfordernden Vergewaltigungsdrama „Elle“, das ein hoch- komplexes Frauenporträt entwirft und nach seiner Veröffentlichung 2016 mit Preisen überhäuft wurde, ist „Benedetta“ eine echte Enttäu- schung. (cd) AB 2. DEZEMBER F 2021; 127 Min.; R: Paul Verhoeven; D: Virginie Efira, Daphné Patakia, Lambert Wilson ★★ ★★★ 32 Foto: Studiocanal FILM Gunpowder Milkshake Sam (Karen Gillan) ist eine absolut ruchlose Profikillerin. ImNamen einer Unterwelt-Organisation namens „Die Fir- ma“ begeht sie Auftragsmorde unter dem Leitsatz: „No questions asked“. Ihre Mutter Scarlet (Lena Headey) ging demselben Broterwerb nach, musste aber noch in Sams Kindertagen untertauchen und ihre Tochter zurücklassen. Seither versorgt der väterliche Gangsterboss Nathan (herr- lich schmierig: Paul Giamatti) Sammit Schutz und Aufträ- gen. Eines Tages macht sie bei der Arbeit unwissentlich ein junges Mädchen zur Vollwaise. Plötzlich erwachen Muttergefühle, spiegelt sich imSchicksal der achtjährigen Emily (Chloe Coleman) doch Sams eigene Biografie. Das ist aber auch das einzig bisschen schlüssige Emotion, das Regisseur Navot Papushado seiner ansonsten recht un- ergründlichen Protagonistin zugesteht. Logik und Psycho- logie sind in seiner hochartifiziellen Welt eher unerwünsch- te Randerscheinungen. Und so galoppiert die Handlung in einer meist von grellemNeonlicht ausgeleuchteten Welt munter weiter: Kaum kehrt auch Sam der „Firma“ den Rü- cken, kehrt Mama Scarlet aus der Versenkung zurück. Wo und warum sie sich zuvor 15 Jahre versteckte … no ques- tions asked. Der Zuschauer ist gut beraten, diesen Killer- Grundsatz ebenfalls anzunehmen, dann lässt sich genüss- lich ausgeschlachtetes Slow-Mo-Geballer, eine wilde Ver- folgungsjagd in einem Parkhaus (zugleich Emilys erste Fahrstunde) und der Showdown, in dem eine als Waffen- lager getarnte Bibliothek pulverisiert wird, unbeschwerter genießen. „Gunpowder Milkshake“ weckt stilistisch Erin- nerungen an Drew Goddards „Bad Times at the El Royale“ (2018). Meinte man da schon, der Kopie einer Kopie eines Tarantino-Plots beizuwohnen, so potenziert sich dieses Gefühl hier nochmals: Neonlicht trifft auf Retro-Sound- track, Männer als Kanonenfutter, toughe Frauen trium- phieren. Doch der Film hat im Grunde nichts zu sagen, weder zu feministischen noch zu familiären Fragen. Er ist halt wie ein Milchshake: bunt, süß, und so cool, dass sich beim Schlürfen leichte Kopfschmerzen einstellen. (cc) AB 2. DEZEMBER USA, F, D 2019; 114 Min.; R: Navot Papushado; D: Karen Gillan, Lena Headey, Chloe Coleman ★★★ ★★ Die grosse Show der Goldenen 20er Jahre Tickets: 01806 - 10 10 11* · www.BerlinBerlin-Show.com 08 . – 20.02.22 · Kampnagel Hamburg *0,20 EUR/Anruf aus dem Festnetz, Mobilfunk max. 0,60 EUR/Min. BAD, BIZARRE AND BLOODY BRILLIANT! Tickets: 040 - 80 60 20 80 · 01806 10 10 11* www.rocky-horror-show.de 02. - 06.02.22 · BARCLAYS ARENA HAMBURG *0,20€/Anruf aus dem Festnetz, Mobilfunk max. 0,60€/Anruf) LET’S DO THE TIME WARP AGAIN! 33

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