hamburg:pur - Dezember 2021
THEATER Song auch verwendet, in einem Moment, in dem Albus und Scorpius sich zum ersten Mal eingestehen, dass sie die besten Freunde sind. Das ist eine emotionale Explosion! Inwieweit ähnelt oder unterscheidet sich John Tiffanys deutsche „Harry Potter“- Inszenierung von denen, die er 2016 in Lon- don und 2018 am Broadway zur Aufführung gebracht hat? Unser Cast hatte da Glück, noch vor Proben- beginn nach London fahren zu dürfen, um dort die Show zu sehen. Danach hatte ich die Be- fürchtung, dass alles genau so nach Deutsch- land übertragen werden sollte, was mir schwer- gefallen wäre, weil mir beigebracht wurde, in meinemBeruf immer meine eigene Freiheit zu suchen. Zum Glück wird uns diese Freiheit in der Arbeit aber auch gegeben. Sehr viele Menschen werden sich „Harry Pot- ter und das verwunschene Kind“ ansehen. Zum Premierentermin wurden bereits mehr als 300.000 Tickets verkauft. Hast du Angst, auch späterhin auf die Rolle des Albus Ser- verus Potter festgelegt zu werden? Daniel Radcliffe konnte sich anfangs auch schwer von seiner Rolle lösen. Aber ich habe ihn in dem Film „Swiss Army Man“ gesehen, da spielt er so überzeugend eine lebende Lei- che, dass man den Harry Potter ganz schnell vergisst. Das ist das Schöne an dem Beruf. In welcher persönlichen Lebenssituation würdest du dir am ehesten einen gut funk- tionierenden Zauberstab wünschen? Am liebsten würde ich kurz vor einer Premiere mal so einen „Expecto Patronum“ raushauen und die Angst und alles Schlechte mit meinem Patronus verscheuchen. Aber da habe ich dann ja auch wirklich meinen Zauberstab in der Hand. Zum Glück. Interview: Sören Ingwersen „Harry Potter und das verwunschene Kind“, Mehr! Theater am Großmarkt, 5. DEZEMBER (PREMIERE) , 8.–12., 15.–19., 21., 22., 25., 26., 29.–31. DEZEMBER und weitere Termine Was führt ihr eigentlich auf? Ein Theater- stück? Ein Musical? Eine Show? Ich würde sagen, ein Sprechtheaterstück mit Tanzeinlagen oder das, was man in England und amBroadway ein „commercial play“ nennt. So etwas gibt es in Deutschland nicht, wo die Staats- und Privattheater ihre festen Spiel- pläne haben. Von daher ist unsere Produktion wirklich etwas Einmaliges, denn so hohe Bud- gets wie für „Harry Potter und das verwun- schene Kind“ gibt es normalerweise imSprech- theater nicht. Oft kann man deshalb die Mög- lichkeiten der Bühne gar nicht ausschöpfen. Wir haben dieses Privileg und können das Stück mit Magie füllen, was die Geschichte auf eine ganz neue Ebene hebt. Das Mehr! Theater wurde für eure Produk- tion, die insgesamt 42 Millionen Euro gekos- tet hat, aufwendig umgebaut. Welche Ände- rungen waren für die Aufführung nötig? Erst einmal ist der Hamburger Großmarkt einer der ungewöhnlichsten Orte für ein Theater. Dort, wo nachts und frühmorgens mit Obst, Gemüse und Blumen gehandelt wird, taucht unser Publikum in die magische Welt von Harry Potter ein: Da sind Teppiche mit Hogwarts-Initialen, Wandleuchten in Form von Drachen oder Patronus-Motive in den Foyers. All das hat eine unglaubliche Magie. Die Premiere von „Harry Potter und das ver- wunschene Kind“ musste wegen Corona drei- mal verschoben werden. Hat das nicht an den Nerven gezehrt? Bei uns war das extrem knapp. Zwei Tage vor der Premiere, am Freitag, den 13. März, wur- den sämtliche Aufführungen gestrichen. Wir hatten vier Monate zwölf Stunden täglich ge- probt, da entwickelt man sich zumWorkaholic – und plötzlich ist mit allem Schluss. Erst als eine Frau aus unseremCast zu weinen anfing, habe ich die volle Bedeutung dieser Absage emotional erfasst. Ich bin dann nach Hause gefahren und habe drei Monate bei meinen Eltern auf dem Land verbracht. In ein richtiges Corona-Loch bin ich aber erst bei der zweiten und dritten Verschiebung gefallen. Dabei habe ich aber auch gelernt, dass man noch Mensch ist und eine eigene Persönlichkeit hat, was man als Schauspieler oft vergisst. Letztendlich glaube ich sogar, dass die Inszenierung durch die Verschiebungen gewachsen ist. Wir hatten Zeit zum Nachdenken, kennen uns alle inzwi- schen viel besser und vertrauen uns noch mehr. Wie viele Darsteller stehen bei euch auf der Bühne? Wir sind 35 Leute im Cast. Du erwähntest vorhin die Tanzeinlagen. Wel- che Rolle spielt die Musik in eurer Inszenie- rung? Die Musik wurde von der britischen Sängerin Imogen Heap geschrieben. Ihren Hit „Hide and Seek“ habe ich vor einigen Jahren sehr gern gehört. Für das Theaterstück hat sie diesen Du hast ja 2019 am St. Pauli Theater den SiouX in Klaus Pohls Stück „Lasst mich in Ruhe!“ gespielt. Hat dir dieses Engagement irgendwie den Weg zum Potter-Stück ge ebnet? Die Einladung zum Casting hat wohl eher mit meinem Abschluss-Vorsprechen von der Schauspielschule zu tun. BeimAVO präsentiert man die Monologe, die man sich an seiner Schauspielschule erarbeitet hat, in drei unter- schiedlichen deutschen Städten. Dabei haben auch Mitarbeiter des Harry-Potter-Teams zu- geschaut und mir diese Rolle angeboten. Die Zeit amSt. Pauli Theater war aber maßgeblich für meinen Entschluss, in Hamburg wohnen zu wollen, weil ich mich in diese Stadt verliebt habe. Am Ende des siebten und letzten Harry-Potter-Bandes „Die Heiligtümer des Todes“ wurde der schwarzer Magier Lord Voldemort endgültig besiegt. Ist die Geschichte umHar- ry Potter damit nicht eigentlich auserzählt? Es gibt einige Dinge, die in den Büchern noch nicht geklärt wurden, zum Beispiel die Bezie- hung zwischen Harry und Draco, die Feinde waren, ohne dass man je erfahren hat, warum. Harry Potters Sohn Albus wird dann in diese Geschichte hineingeboren und hat schon am Gleis 9¾ vor dem ersten Tag in der Hogwarts- Schule Angst, dass er ins Haus Slytherin kom- men könnte, obwohl der Rest seiner Familie zu Gryffindor gehört, dass also bei ihm irgend- etwas anders ist. Das passiert dann auch, und der Sohn von Draco Malfoy wird sein bester Freund. Damit werden die ganzen Traumata, die ja auch schon Harry Potter mit sich herum- trägt, aufgearbeitet, und es wird eine Art Hei- lungsprozess erzählt. Die Figur Albus Potter zeigt uns, dass jeder Mensch ein eigenständi- ges Leben führen kann, egal in welche Familie er hineingeboren wird. Welche Rolle spielen die bekannten Figuren Harry Potter, Hermine Granger und Ron Weasley bei euch? Sie müssen als ältere Generation rettend ein- greifen, denn die Teenager, die in den Harry- Potter-Büchern immer die Helden waren, sind in unserem Stück eher die Troublemaker. 26 In Kooperation mit: Foto: Anatol Kotte Erleben Sie eine besondere Inszenierung der Hamburger Kammerspiele in der Europa Passage. ECHTEWEIHNACHTEN BEGINNEN MIT „JOSEF UND MARIA“. • Ein Theaterstück von Peter Turrini mit April Hailer und Gerhard Garbers unter der Regie von Sewan Latchinian • An allen Adventssonntagen, jeweils um 16 Uhr und um 19 Uhr • Eintritt: 35€ Parkett und 25€ Rang • Karten imVorverkauf bei den Hamburger Kammerspielen und online (keineAbendkasse) • 2G-Regel • Sehen Sie „Josef und Maria“ vom 1. –4.12. sowie am 9. &10.12. auch im Harburger Theater – Tickets unter www.harburger-theater.de oder Tel. 040/33 39 50 60
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