Dezember 2019

44 THEATER In „Vögel“ führt die Liebe zwischen einem Juden und einer Muslimin zu einer Suche nach dem familiären Erbe. Wie der Regisseur Hakan Savas, Mican die Vorlage von Wajdi Mouawad auf der Bühne vom Thalia Gauß umsetzt, was ihn daran stört und welchen Kern er in der Geschichte sieht, erzählt er im Interview Foto: Krafft Angerer „Identität ist ein dehnbares Konstrukt“ THALIA THEATER Neue aufgenommen und als Reichtum gesehen habe. Das hat mir gezeigt, dass die Identität nichts Festes, sondern ein dehnbares Konstrukt ist. Und je farbiger und größer, desto spannender. In dem Stück treffen sehr unterschiedliche Iden- titäten aufeinander: eine deutsch-jüdische Fa- milie, deren Sohn sich – zum Ärger seines Va- ters – in eine arabische Amerikanerin verliebt … Ich war drei Jahre lang mit einer israelischen Frau zusammen, deswegen weiß ich, wie es ist, als „der Moslem“ gesehen zu werden – obwohl ich diese Identität bis dahin gar nicht so stark wahrgenommen hatte. Man bekommt solche Markierungen als „der andere“ ja immer von außen zugeschrieben. Hattest du Bedenken, einen so heiklen Komplex wie den Nahostkonflikt zu bearbeiten? Es ist nicht mein Ziel, ein Stück über den Nah- ostkonflikt zu machen. Wer glaubt, das mit die- sem Stück erreichen zu können, kann nur schei- tern. Ich glaube nicht daran, dass man Politik so nackt auf die Bühne bringen kann – damit würde man der Komplexität des Themas nicht gerecht. Hakan Savas, Mican, „Vögel“ ist deine erste In- szenierung am Thalia Theater, kanntest du das Stück des libanesisch-kanadischen Autors Wajdi Mouawad vorher? Hakan Savas, Mican: Nein, ich habe es erst ge- lesen, als ich die Anfrage vom Thalia Theater bekam. Was war für deine Zusage ausschlaggebend? Ich habe in dem Stück etwas entdeckt, was mich anspricht: Die Frage nach der Konstruktion von Identitäten und was einen Menschen überhaupt ausmacht – Heimat, Herkunft, Sprache, Reli- gion, Familie. Ich bin in Berlin geboren, in der Türkei aufgewachsen und kam mit 20 wieder nach Deutschland. Ich weiß, wie es ist, in einem neuen Sprachraum zu leben. Und ich kenne die- ses Grundgefühl, fremd zu sein. Dieses Fremd- sein hat aber auch dazu geführt, dass ich alles

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