Dezember 2019
Foto: Katharina John Helfen mit Genuss Warum engagieren Sie sich für Obdachlose und warum mit dem Projekt „Hilf Mahl!“? Jeder Mensch kann durch unglückliche Umstände den Boden unter den Füßen verlieren. Es ist die Aufgabe einer funktio- nierenden Gemeinschaft, dann Hilfe zu leisten und die Ver- pflichtung der Privilegierten, von ihrem Glück und Reichtum etwas abzugeben. Ich esse nicht gerne allein, und darum empfinde ich es als Glück, wenn ein Mensch mit am Tisch sitzt, der sich eine Mahlzeit im Restaurant nicht leisten kann. „Hilf Mahl!“ unterstützt obdachlose, in Not geratene Menschen auf unkomplizierte und direkte Art und Weise. Ihr erster freiwilliger Thea- terbesuch soll eine Auffüh- rung von Brechts „Dreigro- schenoper“ gewesen sein. Inwiefern hat das Stück An- teil an Ihrem Engagement? Ich finde, die letzte Strophe aus Brechts berühmter Mori- tat von Mackie Messer bringt es wunderbar auf den Punkt: Denn die einen sind im Dun- keln, und die andern sind im Licht. Doch man siehet die im Lich- te, die im Dunkeln sieht man nicht. Brechts „Dreigroschenoper“ ist ein Lehrstück über Gier, Korruption und verlogene Moral. Ich selbst glaube an keine ideologische Lösung der Unge- rechtigkeiten auf dieser Erde, ich glaube an Herz, Verstand und Nächstenliebe. Und daran, dass man hier und jetzt und sofort etwas tut. Eine Frage von Max Frisch: Wie rechtfertigen Sie eignen Reichtum? Zum Beispiel a) Indem Sie sagen, dass Sie es einzig und allein Ihrer persönlichen Tüchtigkeit verdanken? b) Indem Sie sich sagen, dass nur die Reichen überhaupt eine Wirtschaft in Gang bringen können zum Gedeihen al- ler? Oder c) Indem Sie sich sagen, dass es seit Menschen- gedenken immer Arme und Reiche gegeben hat und also immer geben wird, d. h. dass Sie gar keine Rechtfertigung brauchen? Inneren Reichtum muss man nicht rechtfertigen. Er hat mit Geld nichts zu tun, sondern mit der Freude am Teilen in einer Welt, die uns nicht gehört. 3 Fragen an… Ulrich Tukur, Schirmherr von Hilf Mahl! 10 Wer dieser Tage essen geht, wird auf seinem Tisch vielleicht ein Kärtchen entdecken. Wie jedes Jahr zur Winterzeit verbindet die Aktion „Hilf Mahl!“, die seit 2012 in den Wintermonaten von November bis Februar Spenden für Obdachlose sammelt, gutes Essen mit dem guten Zweck – auf herrlich leichte Weise. Der Rechnung des Restaurantbesuchs wird eine freiwillige Spende von einem Euro hinzugefügt, die an den gemeinnützigen Verein „Hilf Mahl!“ weitergeben wird, der damit wiederum Projekte der Obdachlosen-Hilfe wie die Hamburger Tafel oder Hinz&Kunzt unterstützt. Rund 30 Restaurants nehmen an der Aktion teil, im Winter 2018/2019 wurden so über 35.000 Euro eingenommen. Wer nicht mitmachen will, gibt dem Personal Bescheid, dann wird der Betrag von einem Euro von der Rechnung genommen. Andersherum kann der Betrag auch gerne aufgestockt werden. Ins Leben gerufen wurde die Aktion von Sophie und Mathias Bach. Auf die Idee kamen sie 2010 während eines Besuchs in London durch die Aktion „streetsmart“. Auf den Kärtchen, die auf die Aktion hinweisen, steht übri- gens ein Zitat des Schauspielers Ulrich Tukur, der seit Anbeginn das Projekt als Schirmherr unterstützt: „Gutes Essen und guter Wein beflügeln unsere Sinne, öffnen das Herz und bereichern unser Leben. Wie schön, wenn wir für dieses Glück danken können mit einer kleinen Geste, die für viele eine große Hilfe ist. Und wie einfach.“ Text + Interview: Ulrich Thiele www.hilfmahl.de TAG&NACHT
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