hamburg:pur November 2024

Foto: Anora Productions, LLC Anora Furios ist vielleicht das Wort, das am besten zu Sean Bakers Porträt einer jungen New Yor- ker Sexarbeiterin passt, die in eine russische Oligarchenfamilie einheiratet. Anora heißt sie. Doch da das zu sehr an ihre usbekische Ver- gangenheit erinnert, besteht sie auf Ani. Mit Glitzersträhnen imHaar, langen Arty Nails und ultrakurzen Miniröcken stolziert sie durchs Le- ben, das sich vor allem in einemStripclub ab- spielt. Sie ist gut, sehr gut. Das weiß auch ihr Chef. Und so schickt er sie an den Tisch des jungen Ivan (Mark Eydelshteyn), der mit Geld nur so um sich schmeißt und mehr Russisch als Englisch spricht. Süß ist der Oligarchen- sohn, der sich mit Drogen und Videogames und schließlich auch mit reichlich Sex durch seine Tage treiben lässt. Zehntausend Dollar zahlt er Ani, damit sie seine Freundin spielt. Und sie macht das so meisterhaft, dass die beiden am Ende in Las Vegas vor dem Trau- altar landen. Einmal mehr erzählt Sean Baker („Florida Project“) dabei gegen jedes Klischee an, zeigt, in was für funkelnde Wunderwesen das Leben Außenseiterinnen wie Ani geschlif- fen hat – und bricht mit jeder Erwartung. Er führt direkt auf die Schöße der Männer, auf denen Ani halbnackt Platz nimmt, um die Ge- schichte dann erst in eine hysterische Party und anschließend in eine urkomische Komö- die zu verwandeln, in der wehleidige armeni- sche Kleinganoven Ani dazu bewegen sollen, die Ehe aufzulösen. Man bangt und lacht und fragt sich, wie der ganze Sex, das Gefluche und die unzähligen Zigaretten, die geraucht werden, es jemals auf eine Kinoleinwand im bigotten Amerika schaffen – und ist am Ende plötzlich in einem bewegenden Sozialdrama gelandet. Und in jeder Szene dieser atemlosen Achter- bahnfahrt ist die gerade mal 25-jährigen Mi- Foto: CBC FILM hamburg:pur Aktion! Für eine Sondervor- stellung des Films „Riefenstahl“ am 8.11. um 19:00 Uhr in den Zeise Kinos (mit Produzentin Sandra Maischbeger) verlosen wir 10 x 2 Karten. E-Mail mit Name und Betreff „pur:Riefen­ stahl“ an verlosung@ szene-hamburg.com ; Einsendeschluss: 5.11. key Madison zu sehen, deren Zeiten als krei- schendes „Scream“-Girl endgültig vorbei sind. So furchtlos wie Ani ist, nahm sie die schwin- delerregende Herausforderung dieser Rolle an. Die Standing Ovations in Cannes, als „Anora“ mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde, galten vor allem ihr. Text: Sabine Danek AB 31. OKTOBER USA 2024; 139 Min.; R: Sean Baker; D: Mikey Madison, Mark Eydelshteyn, Yura Borisov ★★★★★ 24 FILM Riefenstahl Mit ihren ikonischen Bildern, ihrer Ästhetik perfekter, kraftvoller Körper wurde sie zur gefeierten Propagan- distin des Dritten Reiches: Leni Riefenstahl (1902–2003). Sie war eine geschickte Manipulatorin, Schöpferin von Nazi-Filmen wie „Olympia“, Bewunderin und Freundin Adolf Hitlers, von Hermann Göring und Rudolf Heß und Zeit ihres Lebens Leugnerin des Holocausts. Der Doku- mentarfilmer Andres Veiel hat über diese bis heute von vielen für ihre künstlerische Arbeit bewunderte Regis- seurin einen bewegenden wie schockierenden Film ge- dreht. Dafür hat er mit seinem Team und der Produzen- tin, der TV-Journalistin Sandra Maischberger, den aus 700 Kisten bestehenden persönlichen Nachlass Riefen­ stahls in jahrelanger Kleinarbeit ausgewertet. So ver- sucht er einen tieferen Einblick in das Leben dieser sich bis zu ihrem Tod als „unpolitische Künstlerin“ inszenier- ten Frau zu erlangen. Veiel schneidet immer wieder his- torische Sequenzen aus dem Dritten Reich mit Film­ szenen aus dem Werk Riefenstahls und Interview-Mit­ schnitte gegeneinander. Oft verschwimmen die Gesichts- züge der jungen Schauspielerin aus ihremDebütfilm „The Blue Light“ mit Interviewsequenzen aus den Siebziger- und Achtzigerjahren. Da das verzerrte Gesicht der fikti- ven Frau in den schneebedeckten Alpen, wenn sie sich kraftvoll an Felsen hochzieht, da die lächelnde, blonde Dame, deren Gesicht zu einer Grimasse versteinert, sobald sie nach ihren Verwicklungen im Dritten Reich befragt wird. Vergeblich arbeiten sich die Journalisten daran ab, Riefenstahl ein Geständnis abzuringen. Peni- bel hat sie ihre Dokumente archiviert und kuratiert. Da- bei sind sich die Filmemacher sehr bewusst, dass Rie- fenstahl auch ihren persönlichen Nachlass manipuliert hat. Und dennoch gelingt es ihnen, eine der grausams- ten Figuren der jüngeren deutschen Geschichte zu por- trätieren. Noch erschütternder aber ist, wie diese Frau bis heute bewundert und noch in den Siebzigerjahren von deutschen Firmen hofiert und finanziert wurde. Und welche Parallelen diese Frau zu heute aufzeigt, einer Zeit, in der Realitäten verleugnet, Wahrheiten verdreht und kritische Fragen süffisant weggelächelt werden. Text: Britta Schmeis AB 31. OKTOBER D 2024; 115 Min.; R: Andres Veiel, P: Sandra Maischberger, M: Stephan Krumbiegel, Olaf Voigtländer, Alfredo Castro ★★★★★ Im Handel oder online über shop.szene-hamburg.com ISBN978-3-911219-02-0 SPEZIALNR.5 2024 |€7,90 4 193232 107909 04 AUSBILDUNG SPEZIALNR.5 SZENEHAMBURGAUSBILDUNG €7,90 HAMBURGS AUSBILDUNGS- GUIDE AZUBIS ERZÄHLEN ZwischenLeidenschaften undNeuanfängen STOLPERFALLE BEWERBUNG MitdiesenTipps gehtnichts schief! DIE QUAL DER WAHL Ausbildung,Studium oderdoch lieberdual? DEIN LEBEN DEIN BERUF 001_Titel_Ausbildung2024 1 17.10.2024 18:28:54 Jetzt NEU! 25

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