hamburg:pur November 2022
Foto: Focus Features/Anne Joyce Foto: Arsenal Filmverleih/Christine Schroeder FILM Zeiten des Umbruchs Wenn Regisseur James Gray Geschichten von New Yorker Einwande- rerfamilien erzählt, dann ist er voll in seinem Element. Dies stellte er bereits in „Two Lovers“ (2008) und „The Immigrant“ (2013) unter Be- weis. Mit seinem neuen, in Cannes gefeierten, sehr persönlichen Drama „Zeiten des Umbruchs“ kehrt er nach den Ausflügen in den Dschungel („Die versunkene Stadt Z“) und ins All („Ad Astra – Zu den Sternen“) zurück in seine Heimatstadt und zeigt eindrucksvoll, wie viel Kraft in Familiengeschichten steckt. New York, 1980er-Jahre. Der elfjährige Paul (Michael Banks Repeta) ist der jüngste Sohn einer gut situierten jüdischen Familie, ein Träumer, Künstler und Rebell. Der mäßige Schüler sucht seinen Platz zwischen seiner ehrgeizigen Mutter Esther (Anne Hathaway), seinem strengen Vater Irving (eindrucksvoll: Jeremy Strong) und seinem Bruder Ted (Ryan Sell), aber auch seinen Platz in der Gesellschaft. Er fühlt sich verloren und einsam. Einzig zu seinem geduldigen, einfühlsamen und altersweisen Großvater Aaron (Anthony Hopkins) hat er einen guten Draht. In der Schule freundet er sich zudem mit dem sitzen gebliebe- nen Johnny (Jaylin Webb) an, einem schwarzen Jungen aus ärmlichen Verhältnissen, der bei seiner kranken Großmutter lebt und wie Paul für Musik und die NASA schwärmt. Schon bald erkennt Paul, dass nicht alle, die den amerikanischen Traum vomAufstieg träumen, die gleichen Chancen haben … Sieben Minuten lang gab es stehende Ovationen bei der Weltpremiere auf den Filmfestspielen in Cannes. James Grays bislang autobiogra- fischstes Drama überzeugt. Der Film erzählt nicht nur die Geschichte eines kleinen Jungen, sondern auch das Erwachen Amerikas Anfang der 80er-Jahre als Land, das vom alltäglichen Rassismus und elitären Machtgefügen geprägt ist. ZumAusdruck kommt das Gefälle nicht zu- letzt durch einen kurzen, aussagekräftigen Auftritt von Fred Trump (gespielt von John Diehl), dem Vater von Donald Trump. In Amerika hängt nicht alles von Leistung ab, sondern eben auch von der eigenen Auf dieser Reise lernt er sich selbst und seinen Bruder neu ken- nen. Vielleicht verbirgt sich hinter der harten Schale mehr als auf den ersten Blick zu erkennen ist … Mika Kaurismäkis („Lapland Odys- sey“) Film „The Grump“ feierte sei- ne Deutschlandpremiere auf dem diesjährigen Filmfest Hamburg und überzeugt durch einen subti- len, unaufdringlichen Humor. Dem unter anderem durch die MOIN Filmförderung finanzierten neuen Film gelingt es, aus einem Auto- kauf eines alten, verschrobenen Mannes einen humorvollen, emo- tionalen Roadtrip durch Deutsch- land werden zu lassen, bei dem auch Sunrise Avenue-Sänger Samu Haber einen Gastauftritt hat. Das eine oder andere ist zwar voraus- sehbar, macht den Film aber nicht weniger hinreißend und sehens- wert. Dieser Film macht – entgegen seines Titels – gute Laune und lässt den Wert von Versöhnung und Vergebung erkennen. (mag) AB 24. NOVEMBER D/FIN 2022; 109 Min.; R: Mika Kaurismäki; D: Heikki Kinnunen, Likka Forss, Kari Väänänen ★★★ ★★ sozialen Zugehörigkeit. Das ist nicht neu, aber „Zeiten des Umbruchs“ ist erstklassig erzählt, punktet durch die herausragenden darstelleri- schen Leistungen der Oscar-Preisträger Anthony Hopkins („The Fa ther“) und Anne Hathaway („Les Misérables“) sowie einem unfassbar eindrucksvollen Jeremy Strong („The Trial of the Chicago 7“) und dem jungen Talent Michael Banks Repeta („The Black Phone“). Auch optisch überzeugt der Filmmit einem ganz eigenen Look: Kameramann Darius Khondji („Midnight in Paris“) filmte hierzu mit einer digitalen Kamera, übertrug das Material auf Film und scannte es dann wieder digital ein, sodass der Film wie aus den frühen 1980er-Jahren ausschaut. Dies trägt dazu bei, dass der Film außerordentlich authentisch wirkt. Es geht um Familie, Freundschaft, den amerikanischen Traum, Verlust und Hu- manität. Kurz: um das Leben selbst. (mag) AB 24. NOVEMBER USA 2022; 114 Min.; Regie: James Gray. Mit Anthony Hopkins, Anne Hathaway, Michael Banks Repeta ★★★★ ★ Grump Grump (Heikki Kinnunen) ist ein älterer finnischer Farmer mit no- torisch schlechter Laune und vo- luminöser Pelzmütze. Moderne Technologien gehen an ihm vorbei. Er setzt auf Altbewährtes, auf Tra- dition. Seine Frau ist verstorben, seine in Helsinki lebenden Söhne samt Frauen und Enkelkinder kom- men ihn auf der runtergekomme- nen Farm selten besuchen, sein zurückgezogener Nachbar ist sein einziger verbliebener Kontakt zur Außenwelt. Zudem hält ihn sein Arzt nicht mehr für ganz fahrtaug- lich. Wo bleibt da Platz für gute Laune? Seine Stimmung bessert sich auch nicht, als sein geliebter roter Ford Escort, Baujahr 1972, bei einem Unfall einen Totalschaden erleidet. Mit einem Koffer voller Bargeld macht Grump sich auf nach Hamburg, wo er schon bald die vielfältige Bedeutung des Wortes Escort erlernt. In der Hansestadt trifft er seinen vor langer Zeit ausgewanderten Bruder Tarmo (Kari Väänänen), fährt mit ihm in dessen Wohnmobil weiter ins Ruhrgebiet, auf der Suche nach einem Exemplar seines geliebten Ford Escort – in gleicher Farbe, aus dem gleichen Jahrgang. 26 Unsere Möglich macher: w w w . a h o y r a d i o . d e Gutes Radio für Gute Leude M e d i e n p a r t n e r Ladet unsere App!
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