Hamburg Pur - November 2021
Foto: Alamode Film Foto: Weltkino Filmverleih Die Geschichtemeiner Frau Gerade hat Léa Seydoux noch James Bond den Kopf verdreht. Verfüh- rerisch, eigensinnig und stark bringt sie den Agenten in „No Time To Die“ um den Verstand. Und so ähnlich macht es die französische Schau- spielerin, die gerade zu einer großen internationalen Karriere abhebt, auch in Ildikó Enyedis neuem Drama. Darin erzählt Gijs Naber als nie- derländischer Kapitän Jakob Störr „Die Geschichte meiner Frau“, die im Europa der 1920er-Jahre spielt, in Paris und auch in Hamburg. Und es kommt nicht von ungefähr, dass die Regisseurin, die mit „Körper und Seele“ 2017 auf der Berlinale den Goldenen Bären gewann, in der Hansestadt drehte. Die Ungarin hat besondere Bande zum Metropo- lis-Kino. In ihrer Heimat der Zensur ausgesetzt, hat sie dort schon früh ihre Filme gezeigt und sogar ihren Mann kennengelernt. 2019 fiel nahe der Landungsbrücken die erste Klappe für ihr Liebes- drama, das auf einem Roman von Milán Füst beruht und quer durch ein Hamburg führt, über deren Kopfsteinpflaster Automobile und Pfer- dekutschen rumpeln, an die Alster und ins Atlantic Hotel – und mitten hinein in eine Ehe, die so stürmisch ist wie die Weltmeere es sind, die der Kapitän überquert. Einst hatte er gewettet, dass er die erste Frau, die in das Café kommt, in dem er mit einem Freund saß, heiratet. Lizzy (Seydoux) ist das und sie sagt Ja. Bald aber verwandelt sich die Lei- denschaft des ungleichen Paares in ein zerstörerisches Katz-und-Maus- Spiel, das irgendwann die immer gleichen Schleifen dreht. Aus dieser Zähheit kann selbst Kabarettist Josef Hader, der einen herrlich ab- Bergman Island Wer hat nicht schon mal gehofft, dem Geist großer Künstler näherzukom- men, indemman die Orte besucht, in denen diese lebten und wirkten? Das Filmemacher-Paar Tony (Tim Roth) und Christine (Vicky Krieps) ist über- zeugt, dass eine Woche auf der Insel Fårö genau das bewirken kann. In der abgelegenen, geradezu verwunsche- nen schwedischen Idylle hat Regie- legende Ingmar Bergman gelebt. Wer weiß, ob dessen Genie hier nicht ir- gendwo in der Luft liegt, abfärben oder zumindest inspirieren kann. Die angehende Drehbuchautorin und der gefeierte Regisseur wohnen in einem schönen Landhaus mit Mühle, sie wol- len eine Bustour mitmachen und das Bergman-Museum inklusive in- tegrierten Kinosaal besuchen. Während Tony sofort seinen Ideen pro- duktiv nachgeht, durchlebt die deutlich jüngere Christine hingegen eine Schreibblockade. Als ihre Selbstzweifel zur Belastung für die Bezie- hung werden, flüchtet sie sich zunehmend in ihr Drehbuch und spinnt parallel eine Geschichte um ein junges Ex-Paar, das zufällig auf der besagten Insel wieder zusammenfindet. Fiktion und Realität verschwim- men zusehends … Regisseurin und Drehbuchautorin Mia Hansen-Løve („Alles was kommt“) geht in ihrem als Tragikomödie gekennzeichneten Film dem Thema künstlerische Inspiration nach. Die malerische Kulisse spiegelt dabei eben jene Leere und Lebendigkeit wieder, die einen solchen Schaf- fensprozess auszeichnen. Der Film ist semibiografisch – das spürt man FILM gründigen Hamburger Hauswart spielt, die Amour Fou nicht retten. Und so fragt man sich trotz der großartigen Besetzung und der satten Bil- der, die in schönstes Nachtblau und in das Gold der Roaring Twenties gegossen sind, was der Kapitän einem eigentlich erzählen wollte. (sd) AB 4. NOVEMBER UNG, D, F, I 2021; 169 Min; R: Ildikó Enyedi; D: Léa Seydoux, Gijs Naber, Louis Garrel ★★★ ★★ auch. Die Liebe zur Insel und zu Bergman, die Hansen-Løve verspürt, ist mit jeder Aufnahme offensichtlich. Der Cast überzeugt: Tim Roth sowie die seit „Der seidene Faden“ (Regie: Paul Thomas Andersen) hoch gehandelte Vicky Krieps als auch Mia Wasikowska füllen den Film mit Leben, während die eine oder andere Nebenrolle weniger zu über- zeugen vermag. „Bergman Island“ feierte dieses Jahr in Cannes Pre- miere. Es ist ein ruhiger, ansehnlicher Film, der die Magie des Kinos immer wieder aufblitzen lässt – man wartet sehnsüchtig darauf, dass auch ein Funke Inspiration von der Leinwand fliegt. (mag) AB 4. NOVEMBER F, D, BEL, S 2021; 112 Min.; R: Mia Hansen-Løve; D: Tim Roth, Vicky Krieps, Mia Wasikowska. ★★★ ★★ 40 Foto: Wild Bunch Germany FILM Lieber Thomas Thomas Brasch war ein Provokateur. Mit seiner Prosa und seinen Bühnenstücken hielt er nicht nur die Staatsspitze der DDR auf Trab, sondern auch die Feuilletonisten der BRD. Als Sohn jüdi- scher Emigranten im englischen Exil geboren, in der DDR aufge- wachsen, dort verhaftet und seit 1976 in West-Berlin lebend, war Brasch, nun ja, anders. Jemand, der genau hinschaute und sich traute, das Gesehene in laute, kampfeslustige Worte zu fassen. Jede Menge Stoff für einen Kinofilm, dachte sich Regisseur An- dreas Kleinert („Freischwimmer“) – und mit Albrecht Schuch („Sys- temsprenger“) konnte er sogar einen der derzeit gefragtesten Darsteller gewinnen. Der Film ist in mehrere Kapitel unterteilt, angelehnt an eines sei- ner Gedichte („Der Papiertiger“). Das ist ein interessanter Ansatz und gibt dem FilmStruktur. Doch der Film steht und fällt letztlich mit der Darstellung dieses schillernden, schwierigen Charakters. Schuch erkämpft sich diese Rolle mit außergewöhnlicher Inten- sität. In einer Szene schreit Schuch seinen ganzen Frust von den Dächern Berlins. Immer wieder wirft er seinen Schuch-Blick (weit geöffnete Augen, die ins Leere schauen), was sich auf Dauer et- was abnutzt. Die innere Zerrissenheit, der aggressive Intellekt und die damit verbundene Verletzlichkeit, die Brasch ausgestrahl- te, kommen jedoch nicht so recht rüber. Wenn ein Dokumentarfilm von 1977 („Annäherung an Thomas Brasch“) in dieser Hinsicht mehr Einsicht bietet als ein 150-mi- nütiger Kinofilm, dann ist etwas schiefgelaufen. Der Filmwirkt zu gewollt und zu überspitzt, teils unpassend klamaukig. Mit Schwarz- Weiß-Bildern soll dem Film eine Bedeutung aufgezwungen wer- den, die dieser leider nicht erlangt. Es ist ein besserer TV-Film, aber sicher kein Kinofilm von Format. Da wäre mehr drin gewesen. Zu Beginn des Films kommt Brasch mit einigen Kommilitonen aus einemKino. Die Dozentin fragt, wie er den Film fand. Brasch, ant- wortet: „Nun, der Umstand, dass die Kunstgattung Film als Kind kapitalistischer Produktionsverhältnisse geboren wurde, bleibt halt nicht ohne Folgen.“ Dass sich bei „Lieber Thomas“ jemand mehr vorgenommen hat, als den Möglichkeiten entspricht, leider auch nicht. (mag) AB 11. NOVEMBER D 2021; 150 Min; R: Andreas Kleinert; D: Albrecht Schuch, Jella Haase, Peter Kremer ★★ ★★★ www.reservix.de dein ticketportal /reservix Tickets unter www.reservix.de 0,20 € pauschal aus dem deutschen Festnetz, aus demMobilfunknetz 0,60 € Hotline 01806 700 733 Alle Angaben ohne Gewähr 19.11.–23.12.21 First Stage, Hamburg 05.03.22 Friedrich-Ebert-Halle Harburg, Hamburg 31.03.–02.04.22 Hauptkirche St. Michaelis Hamburg Geoff Tate 24.03.22 Bambi Galore Hamburg Bundesweit 90.000 Events! 10.05.22 Friedrich-Ebert-Halle Harburg, Hamburg The Baboon Show 02.02.22 Grünspan, Hamburg 41
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