Hamburg Pur - November 2021
12 Foto: Anna Kuhnt MUSIK WOLFGANG MÜLLER „Ich bin hervorragend im Selbstbetrug “ Der Hamburger Sänger und Songschreiber veröffentlicht mit „Die Nacht ist vorbei“ ein klanglich leichtes, lyrisch tief in die Künstlerseele blicken- des Album. Ein Gespräch über textliche Bildarbeit, Frieden finden beim Schreiben und Live-Auftritte als enorme Herausforderung Produziert wurde dieses Album innerhalb eines halben Jahres in deinemDachzimmer. Wie muss man sich das so vorstellen? Es liegt in der Schanze, von dort aus hat man einen ganz guten Blick über die Stadt. Es ist mein Refugium, dort arbeite ich, dort schreibe ich, dorthin ziehe ich mich zurück. Ich finde es ganz gemütlich. Hattest du dort oben beim Produzieren von „Die Nacht ist vorbei“ immer diese tiefe, in- nere Ruhe, die die Songs jetzt ausstrahlen? Ja. Geschrieben habe ich die Songs in einem Zeitraum von dreieinhalb bis vier Jahren. Ich lebe nicht ausschließlich von der Musik, habe noch einen anderen Job, und wenn ich den nicht ausübe, spiele ich über den Tag verteilt immer wieder Gitarre, dichte und texte. Wenn man das sehr lange so gemacht hat, ergibt sich eine innere Ruhe ganz automatisch. Man braucht in meinen Augen auch einfach Zeit, um zu merken, was man wirklich aufnehmen möchte. Und ich habe mir diese Zeit dieses Mal genommen. Die innere Ruhe, die ich am Ende im Dachzimmer hatte, musste also erst mal entstehen. Wobei man im Fall von „Die Nacht ist vorbei“ unterscheiden muss zwischen einer extrem zurückgelehnten Grundstimmung in der Klangästhetik und den textlichen Inhalten, die oft eine große innere Unruhe widerspie- geln. Ein Song, der heraussticht, ist „Sag Ja“. Der lädt geradezu zum Mitleiden ein, wenn es etwa heißt: „Bisweilen tut mir die Seele weh, und das in Wellen und an Stellen, wo andere nicht mal Stellen haben.“ Bedeutet das, du hattest das Gefühl, niemandem könn- te es annähernd so schlecht gehen wie dir? (lacht) Ja und nein. Ich bin grundsätzlich je- mand, der sich gerne mit seinen inneren Dä- monen auseinandersetzt, aber trotzdem ein positiver Mensch ist. Ich würde mich nicht als ständig leidend beschreiben. Was ich in dem Song ausdrücken möchte, ist, dass es meiner Erfahrung nach bestimmte seelische Themen gibt, die andere Leute nicht verstehen. Es gibt ja Menschen, die eine total geile Kindheit hat- ten, die sich immer prächtig mit ihren Eltern verstanden haben, bei denen einfach alles im- mer gut war. Und wenn man mit denen über gewisse Sachen redet, verstehen sie gar nicht, was man meint. Sie haben da gar nicht diese Stellen. Es ist, als wenn man sagen würde: „Mein dritter Arm tut mir ständig weh.“ Und das Gegenüber sagt: „Stell ich mir schlimm vor, aber ich habe selbst nie so einen dritten Arm gehabt.“ Hilft das Aufschreiben solcher Gefühle gegen eben solche? Ja. Ich sage immer: Meine Musik ist persön- lich, aber nicht privat. Jemand, der sie hört, wird vieles nachvollziehen können, aber natür- Wolfgang, du hast mal gesagt, du würdest nach jedem fertig produzierten Album den- ken: „Das ist mein letztes, nie wieder.“ Nach den Aufnahmen für „Die Nacht ist vorbei“, heißt es, sollst du diesen Gedanken nun nicht haben. Warum nicht? Wolfgang Müller: Weil ich dieses Mal den Ent- stehungsprozess und vor allem das Ergebnis so schön finde, dass nicht die Erschöpfung, sondern die Freude überwiegt. Dieses „Nie wie- der“-Gefühl stellt sich tatsächlich nicht ein. Ein „Bitte nicht gleich nächstes Jahr wieder“- Gefühl allerdings schon (lacht) . Kann man in Kurzform sagen: Du warst noch nie so zufrieden mit der eigenen Kunst? Das klingt mir etwas zu eitel. Was ich sagen kann: Ich war schon lange nicht so glücklich mit einem Album, das ich gemacht habe. MUSIK lich nicht wissen, wie zum Beispiel meine Be- ziehungen so gelaufen sind. Meine Songs sind keine Tagebücher. Für mich hat das Schreiben durchaus etwas Therapeutisches. Wenn ich etwas in Worte fasse, also benenne, geistert es mir nicht mehr so diffus in der Seele herum. Viele benötigen für eine therapeutischeWir- kung jemanden, der mit ihnen spricht. Meinst du, du kriegst durch das Schreiben die zweite Stimme selbst hin? Ich bin ein großer Fan von echten Therapien und würde jedem dazu raten, wenn er gerade nicht klarkommt. Meiner Meinung nach sollten Gesprächstherapien sogar zur Grundausstat- tung gehören. Beim Schreiben arbeite ich al- lerdings viel mit Bildern, und ich habe gemerkt, dass ich dadurch ein Gefühl formuliert kriege, was in einer Gesprächstherapie keinen Raum hätte. Dieses Gefühl findet auf einer anderen Ebene statt, es wird nicht intellektuell herge- leitet. Und das bringt mir teils mehr Frieden, als wenn ich mit jemand anderem zwanzig Mal auseinanderbastele, warum dieses oder jenes denn so ist. Ich versuche auch, mir bei der Arbeit nicht so viel durchgehen zu lassen. Ich bin überzeugt davon, dass es keinen Sinn macht, etwas zu ignorieren – alles kommt ir- gendwann zurück. Ich möchte den Sachen des- halb auf den Grund gehen, daran habe ich auch eine große Freude. Dennoch singst du einmal auf dem Album, du wärst ziemlich gut im Selbstbetrug … … genau, das ist mein innerer Antagonist. Ich bin sogar hervorragend im Selbstbetrug. Und eben diesen Betrug versuche ich mir nicht im- mer durchgehen zu lassen. Das ist aber nicht immer von Erfolg gekrönt. Jeder verarscht sich schließlich immer wieder, ich mich auch. Ein neues Album bedeutet jetzt auch die Möglichkeit, neue Songs live zu präsentie- ren. Das falle dir aber allgemein gar nicht so leicht, heißt es … … das stimmt. Live spielen stellt mich immer wieder vor eine große Herausforderung. Mir macht es Spaß, in der Retrospektive herum- zuwühlen, aber das dann imKontakt mit meh- reren Menschen aufzuführen, empfinde ich als sehr anstrengend. Es gibt Künstler, die für die Bühne atmen. Die man geradezu festbinden muss, damit sie nicht ständig irgendwo spie- len. Ich bin der Gegenpart. Acht Termine habe ich für dieses Album gemacht, und manchmal denke ich schon: „Gut, wenn ich die geschafft habe.“ Grundsätzlich machen mir Konzert- abende aber auch viel Freude. Vielleicht wie so eine Bergtour: Die ist viel Arbeit, aber sie fühlt sich auch oft toll an. Interview: Erik Brandt-Höge „Die Nacht ist vorbei“ erscheint AM 19.11. auf Fressmann/Indigo TICKETS: → (0 40) 4 13 22 60 → KJ.DE 07.01.22 – Stage Club BIRDS ON A WIRE 15.01.22 – Laeiszhalle DANIEL SLOSS 20.01.22 – Knust THE INTER- SPHERE 23.01.22 – Barclays Arena REA GARVEY 27.01.22 – Gruenspan NOTHING, NOWHERE. 27.01.22 – Stage Club MIMI WEBB 31.01.22 – Laeiszhalle SASHA VELOUR 02.02.22 – Nochtspeicher MARIUS BEAR 04.02.22 – Uebel & Gefährlich THE SLOW READERS CLUB 05.02.22 – Mojo Club ELDER ISLAND 08.02.22 – Fabrik KNAPPE 13.02.22 – Uebel & Gefährlich MONO 14.02.22 – Knust THE DRIVER ERA 17.02.22 – Knust THE SHEEPDOGS 18.02.22 – Stage Club JOY CROOKES 20.02.22 – Knust WRABEL 23.02.22 – Fabrik THE SCRIPT 27.02.22 – edel-optics.de Arena TAKIDA support: THE WILD 28.02.22 – Nochtspeicher ALEXANDRA SAVIOR 01.03.22 – Fabrik MOTHER MOTHER 03.03.22 – Laeiszhalle ECKART VON HIRSCH- HAUSEN 05.03.22 – Gruenspan ROOSEVELT 05.03.22 – Mojo Club PALACE 06.03.22 – Stage Club VEIKKO BARTEL »Mörderinnen & Mörder« Lesung & Vortrag 09.03.22 – Stage Club TEDDY SWIMS 11.03.22 – Fabrik IRISH HEARTBEAT »Let’s Celebrate St. Patrick’s Day!« 11.03.22 – Stage Club AMBER MARK 15.03.22 – Gruenspan ALY & AJ 17.-19.03.2022 – Laeiszhalle HERMAN VAN VEEN 20.03.22 – Mojo Club KARI BREMNES 20.03.22 – Fabrik JOOLS HOLLAND plus sp. Guests ROLAND GIFT & RUBY TURNER 25.03.22 – Gruenspan »HELL OVER EUROPE 4« ABORTED THE ACACIA STRAIN HIDEOUS DIVINITY FLEDDY MELCULY 26.03.22 – Zeltphilharmonie RAG'N' BONE MAN 28.03.22 – Laeiszhalle VANESSA MAI 29.03.22 – Laeiszhalle IMANY 30.03.22 – Gruenspan AVI KAPLAN 02.04.22 – Stage Club SAINT MOTEL 05.04.22 – Gruenspan THE DIVINE COMEDY 08.04.22 – Bahnhof Pauli ALL THE LUCK IN THE WORLD 08.04.22 – Stage Club ORLA GARTLAND 11.04.22 – Gruenspan STILL CORNERS 13.04.22 – Knust CHARLOTTE CARDIN 14.04.22 – Knust WE ARE SCIENTISTS 18.01.22 – The Luka State // 25.01.22 – iamnotshane // 26.01.22 – Giora Feidman 31.01.22 – Dagny // 04.02.22 – Christian French // 06.02.22 – Ganes 06.02.22 – Kid Dad // 07.02.22 – James Taylor // 08.02.22 – Swallow the Sun 14.02.22 – Jacob Lee // 17.02.22 – Wolf Alice // 18.02.22 – Downfall of Gaia 18.02.22 – Year Of No Light // 26.02.22 – Evil Invaders // 27.02.22 – Moon Hooch 02.03.22 – Tori Amos // 06.03.22 – neànder // 07.03.22 – Will and the People 11.03.22 – Steve Hackett // 22.03.22 – Flyte // 23.03.22 – Sofia Portanet IS BACK 13
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