November 2019

4 Südlich der Elbe gab es lange keine Unterkunft für obdachlose Menschen – bis das Deutsche Rote Kreuz letztes Jahr das Harburg-Huus eröffnete. Einrich- tungsleiter Thorben Goebel- Hansen über ein Haus, das seinen Gästen nicht nur ein Dach über dem Kopf bietet TAG & NACHT Mehr als nur ein Bett Foto: Jakob Börner HARBURG-HUUS denn seit der Eröffnung regelmäßig in Anspruch genommen? Wir sind so gut wie jede Nacht komplett ausge- bucht. Ab und zu bleibt ein Bett frei, wenn uns Gäste, die sich telefonisch angemeldet haben oder uns zum Beispiel von einer anderen sozialen Ein- richtung angekündigt wurden, dann doch nicht erreichen. Der Bedarf ist offensichtlich da, wir hatten sogar schon vor der offiziellen Eröffnung eine Warteliste. Wir vergeben unsere Betten zu- erst an die Menschen, die sie nötig brauchen, zum Beispiel weil sie gesundheitlich geschwächt sind. Auch bei Frauen sehen wir häufig eine besondere Dringlichkeit. Für sie gibt es ein eigenes Zimmer. Wenn ein obdachloser Mensch spontan bei uns vor der Tür steht und wir ihm keinen Schlafplatz mehr anbieten können, versuchen wir kurzfristig etwas in einer anderen Unterkunft zu organisieren. Warum kommt das Konzept des Harburg-Huus bis jetzt so gut an? Das mag daran liegen, dass wir als Deutsches Rotes Kreuz einen Vertrauensvorschuss haben. Einige Gäste haben in der Vergangenheit viel- leicht keine guten Erfahrungen mit Behörden gemacht, die oft Träger anderer Unterkünfte sind. Außerdem erlauben wir als eine der weni- gen Notunterkünfte im Hamburger Raum auch Hunde. Viele obdachlose Menschen schlafen lieber auf der Straße, als sich von ihren vier- beinigen Begleitern zu trennen. Und nicht nur das – Sie organisieren auch Le- sungen im Harburg-Huus, schauen gemeinsam mit Ihren Gästen Fußball oder bieten Musik- und Zeichenkurse. Warum schaffen Sie diese zusätz- lichen Angebote? Menschen brauchen Hoffnung, auf eine gute Zu- kunft, auf ein gutes Leben. Deshalb ist es für uns enorm wichtig, unseren Gästen zu zeigen: Es gibt so viele Dinge im Leben, die Spaß machen. Bitte verliere nicht die Hoffnung! Deshalb wollen wir ihnen genau diese Angebote auch machen. Zu- sätzlich gibt es bei uns auch eine psychosoziale Betreuung, und einmal wöchentlich kommen das Caritas Krankenmobil und ein mobiler Zahnarzt bei uns vorbei. In Zukunft planen wir noch den Ausbau der Suchtberatung. Was sagen Ihre Gäste? Viele sagen, dass wir eine sehr familiäre Einrich- tung aufgebaut haben. Das liegt daran, dass wir überschaubare Räumlichkeiten mit einem sehr wohnlichen Gemeinschaftsraum für den Tagesauf- enthalt und 15 Betten für die Übernachtung an- bieten. Auf diese Anzahl kommen dann nicht nur 15 festangestellte Mitarbeiter, sondern auch noch die gleiche Zahl an Ehrenamtlichen, die zum Bei- spiel abends eine kleine Mahlzeit ausgeben. Na- türlich sind nicht alle gleichzeitig vor Ort. Doch es ist immer jemand da und ansprechbar, die Gäste fühlen sich wahrgenommen. Das fängt schon bei den Kleinigkeiten an. Wenn jemand Geburtstag hat, organisieren wir immer ein kleines Geschenk, also vielleicht Buntstifte für jemanden, der gern malt. Oder einen Kuchen, den wir zusammen es- sen. Da fließen nicht selten Tränen, weil unsere Gäste das lange nicht mehr erlebt haben. Interview: Sophia Herzog www.drk-harburg.hamburg/obdachlosenhilfe.html Herr Goebel-Hansen, wenn Sie über Ihre Arbeit im Harburg-Huus sprechen, fällt selten das Wort „Obdachlose“ und viel häufiger „Gäste“. Welche Bedeutung hat dieses Wort für Sie? Thorben Goebel-Hansen: Die Menschen, die zu uns kommen, sind ja nicht nur obdachlos. Sie sind auch Musikliebhaber, Fußballfans, lesen gern, sind Mutter, Vater, Oma, Opa … Das alles wird bei der Bezeichnung Obdachlose ausge­ blendet. Wir wollen unseren Gästen aber einen Perspektivwechsel ermöglichen, und auch da- für ist es wichtig, sie nicht auf die Rolle eines Obdachlosen zu reduzieren. Erst im Juni letzten Jahres wurde das Har- burg-Huus als erste Obdachlosenunterkunft in Harburg eröffnet. Werden die 15 Schlafplätze

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