November 2017

SZENE HAMBURG: Herr Richter, Sie sind in Hamburg geboren und haben vor 18 Jahren im Schauspielhaus Ihre ersten Erfahrungen als Regisseur gemacht. Seit dieser Spielzeit sind Sie dort Hausregisseur. Ist es für Sie eine be- sondere Herausforderung in Hamburg zu in- szenieren? Falk Richter: Es ist besonders schön, wieder in Hamburg zu sein. Ich habe hier meine ersten Theatererfahrungen gemacht, mit 14, 15 Jahren, als Peter Zadek Intendant war. Und Ilse Ritter am Schauspielhaus gespielt hat. Sie spielt jetzt auch in meiner Inszenierung „Am Königsweg“. Damals habe ich meine Liebe fürs Theater ent- deckt. Das ist auch eine persönliche Geschichte für mich. Ich freue mich total, hier inszenieren zu dürfen. Herausforderung ist es immer, weil es eines der größten Theater in Deutschland ist. Mit meinem Interesse an aktuellen, gesell- schaftspolitisch relevanten Stoffen fühle ich mich hier am Haus gut aufgehoben. Das Stück von Elfriede Jelinek ist ein Auftragswerk. Die Intendantin Karin Beier hat Jelinek sofort nach der Wahl von Donald Trump zumUS-Präsidenten angerufen. Zunächst wollte Jelinek nicht, dann hat sie aber 100 Seiten Textfläche geliefert. Das Stück „AmKönigsweg“ ist eine Parodie auf Trump, worum geht es? Es geht um die Verzweiflung darüber, dass jetzt wirklich Rechtsextreme an die Regierung ge- kommen sind in den USA, und dass die autokra- tischen Herrscher zunehmen in der Welt. Dieser Schock ist unglaublich spürbar. Jelinek erlebt das als echte Kulturrevolution, als Bruch auch. Und es ist eine Selbstanklage an sich und die Intellektuellen, die es trotz jahrelanger Warnun- gen nicht geschafft haben, diesen Prozess zu stoppen. Sehen Sie auch so einen kulturellen Wandel? Ja, das sehe ich ähnlich. Wir werden in den nächsten Jahren einen krassen gesamtgesell- schaftlichen Wandel auf allen Ebenen erleben. Der Klimawandel wird zunehmen, das ist wahr- scheinlich die schlimmste Bedrohung. Aufgrund von Klimakatastrophen, Kriegen und Hunger werden immer mehr Menschen weltweit ihre Heimat verlassen und sich auf die Flucht bege- ben müssen, auch nach Europa. Die westlichen Demokratien sind stark gefährdet, wir erleben auch in Deutschland einen enormen Rechtsruck, eine Radikalisierung der Gesellschaft und eine zunehmende Gewaltbereitschaft. Vor zwei Jahren haben Sie in der Berliner Schaubühne „Fear“ aufgeführt, ein Stück über die Ängste von Rechtspopulisten. Dafür wurden Sie angezeigt und haben auch Morddrohungen erhalten. Wie hat sich das auf Ihre Arbeit aus- gewirkt? Ich versuche, mich nicht davon beeindrucken zu lassen. Die drei Klägerinnen Beatrix von Storch, Hedwig von Beverfoerde und Gabriele Kuby stehen alle den Positionen der AfD sehr, sehr nahe. Das sind schwerst reaktionäre, radikal christliche Aktivistinnen, die aus dem gleichen ideologischen Lager wie Trump, Putin, Orban, Le Pen stammen. Ich habe alle drei Gerichtsver- fahren gewonnen. Das war nervig, zeitaufwendig und ärgerlich. Jedes Verfahren war verbunden mit einer großen Internet-Aktion gegen mich. Die Neurechten sind ja sehr umtriebig in den sozialen Medien. Sie nutzen das Internet viel aggressiver als die etablierten Parteien. Es sind alte faschistische Positionen, die jetzt mit den sozialen Medien im neuen Gewand zu den Men- schen getragen werden. Es hat mich nicht davon abgehalten, weiterhin politische Texte zu schreiben oder Stücke zu inszenieren, in denen ich neurechte Strategien beschreibe und ihre antidemokratischen und rassistischen Positionen offenlege. Ich habe noch viel mehr über die Arbeits- und Wirkungs- weise der neuen Rechten gelernt. Auch über ihre Verleumdungskampagnen, wie sie im Internet versuchen, Hass zu schüren. Ich kriege viele Mails von Leuten, die noch nie ein Stück von mir gesehen haben und nur auf bestimmte Trig- ger-Wörter reagieren, die im Internet über mich verbreitet werden. Die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Je- linek zieht in ihrem Stück einen Bogen von Ödipus zu Donald Trump. Das Stück zeigt Trump als Teil einer riesigen Muppet Show. Dahinter verbergen sich aber viel größere Kräfte: Kolonialisierung und Imperia- lismus, die weiße Vorherrschaft, die letztlich die Welt ausbeutet. Ödipus tritt an, das Land von der Pest zu befreien. Irgendwann wird klar, dass er die Ursache dafür ist. Ähnlich ist es mit Donald Trump, der nur vorgibt, er würde die Gesellschaft heilen und Menschen Arbeit geben. Aber es ist genau dieser Geschäftsmann Trump, der aus- beutet und das Land spaltet. Er ist genau das Gegenteil von dem, was er verspricht. So ein Mensch regiert jetzt die Welt! Interview: Angela Kalenbach AB 28. OKTOBER Schauspielhaus theater Hamburg im Scheinwerferlicht der Theaterwelt – Regisseur Falk Richter über seine jüngste Inszenierung aus der Feder von Elfriede Jelinek am Schauspielhaus Foto: Esra Rotthoff Am Königsweg 36 Dieser Schock ist unglaublich spürbar

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