November 2017

10 Keine Angst vor Kitsch MAX RICHARD LESSMANN Pop, Swing und Chanson statt Rockmusik. Der Sänger der Band Vierkanttretlager im Gespräch über sein Soloalbum „Liebe in Zeiten der Follower“ Musik Foto: Ingo Petramer Max Richard Leßmann: Kennt man als Sänger der Band Vierkanttretlager. Sebastian Madsen: Kennt man als Sänger der Band Madsen. Was die beiden bisher vereinte, war ein Hang zu deutsch- sprachiger Rockmusik. Doch da ist noch eine gemeinsame Leidenschaft, nämlich ein Pop- Sound, der sich am Stil der 1920er Jahre an- lehnt, also an Swing und Chanson und einem textlichen Charmeurwitz à la Comedian Har- monists. „Liebe in Zeiten der Follower“ heißt nun Leßmanns erstes Soloalbum, an dem er mit Madsen gearbeitet hat. Ein Gespräch über Liebesgedichte, Kitschgrenzen und Lieder als schönste Geschenke SZENE HAMBURG: Max, es heißt, dein erstes Soloalbum hätte mit reichlich Romantik be- gonnen, nämlich mit einem Gedicht an deine Freundin ... ... was dann weiterverwendet wurde, nämlich als gleichnamiges Lied „Ich wünschte“. Es war so, dass ich zusammen mit Sebastian Madsen (Frontmann der Band Madsen; Anm. d. Red.) ei- nige Zeit bei ihm im Wendland verbracht habe. Wir haben die Gesangsaufnahmen für das letz- te Vierkanttretlager-Album „Krieg & Krieg“ dort gemacht. Nebenher haben wir auch gemeinsam Songs geschrieben. Ich habe Sebastian erzählt, dass ich gerne mal musikalisch in die Swing- und Chanson-Richtung gehen würde. Dafür habe ich dann dieses Gedicht wieder hervorgezaubert, weil es ziemlich genau in dem Ton geschrieben ist, den ich auch für Songs haben wollte. Haben du und Sebastian denn schreiberische Gemeinsamkeiten? Alles, was ich schreibe, fällt mir eben hier und da ein oder auf, also in eigenen Gedanken, Ge- sprächen oder Gehörtem. Sebastian arbeitet genauso impulsbasiert, und so konnten wir uns ganz einfach die Bälle zuspielen, es war von Be- ginn an eine gute Atmosphäre während unserer Zusammenarbeit. Teilt ihr beiden auch einen ähnlichen Sinn für Romantik? Ich glaube schon. Wobei wir ja auch beide Künst- ler sind, von denen man die Art von Musik, die auf „Liebe in Zeiten der Follower“ gelandet ist, nicht unbedingt erwartet hätte. Wenn man sich Madsen oder Vierkanttretlager anhört, könnte man sich ein Swing- und Chanson-Album wo- möglich überhaupt nicht vorstellen – wir uns aber ehrlich gesagt anfänglich auch nicht (lacht). Wir haben dennoch beide eine Leidenschaft für die- se Musik und auch keine Angst vor Kitsch oder davor, zu schwelgerisch zu klingen. Wir mögen es, komplett aufzumachen und unseren Herzen und Instinkten zu folgen – auch wenn das jetzt tatsächlich kitschig klingt (lacht). Wo hört denn Romantik auf und fängt Kitsch an? Schwierige Frage. Als wir begannen, dieses Al- bum zu machen, hatten wir erst mal keine grö- ßere Idee, als Liebeslieder zu schreiben, und zwar solche, bei denen es Freude macht, sie mit- zusingen. Ich schätze, Kitsch fängt dort an, wo Dinge nicht mehr ernst gemeint sind. Wir aber meinen das alles ernst, in unseren Liedern ma- chen wir uns in keiner Weise über irgendetwas lustig. Wir bewegen uns zwar manchmal nah an der Kitschgrenze, überschreiten diese aber nicht, sondern kokettieren eher mit dem Be- griff „Kitsch“. Auf dem Album ist nichts Künst- liches zu finden. Und die Dame, an die „Ich wünschte“ gerichtet war: Wie findet sie es, dass es jetzt ein ganzes dazu passendes Album gibt? Es sind viele Lieder auf diesem Album an sie ge- richtet, und ich glaube, dass sie das freut. Ich finde es auch schön, Menschen, die einem et- was bedeuten, Lieder zu schenken. Das werde ich sicher noch oft tun. Weil Lieder etwas sind, das die Zeit überdauert. Interview: Erik Brandt-Höge 30. NOVEMBER 20:00 Uhr; Nochtspeicher

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