hamburg:pur Oktober 2025
Foto: Jeanne Degraa FILM AMRUM „Ich habemanchmal Angst , nicht mutig genug zu sein“ In Hamburg kennt man Lisa Hagmeister vor allem als langjähriges Ensemble- Mitglied vom Thalia Thea- ter, doch die 46-Jährige ist auch sonst ungemein umtriebig, ist regelmäßig in Serien, Fernsehfilmen und im Kino zu sehen. Wie jetzt in Fatih Akins neuem Film „Amrum“, in dem sie neben anderen Schau- spielgrößen wie Laura Tonke und Diane Kruger brilliert. Wir sprachen mit ihr über Kinderdarsteller, das Hamburger Wetter und das Verbrennen von Hitler-Devotionalien Fatih eine bestimmte künst lerische Freiheit behält, mit dem Stoff umzugehen, die ich auch für uns vor der Ka mera empfunden habe. Aber es gibt im Film ganz am Ende einen Moment, in dem Hark Bohm selber erscheint. Das hat mich imNachhinein sehr berührt, wenn klar wird, dass das seine Geschichte ist, auf die er nach einem langen Leben zurückblickt. Der Film spielt ja vor ziem- lich genau achtzig Jahren, die Geschichte selbst wirkt traurigerweise aber sehr aktuell. Wie wichtig ist eine solche Aktualität für einen Kinofilm, um sein Publikum zu finden? Manchmal fürchte ich, dass das Publikum die bren nendsten Themen fast mei det, weil es schmerzhaft ist, sich mit dem zu beschäfti gen, was einen ohnehin besorgt oder bedrückt. Das gilt natürlich nicht für alle. Nichtsdesto trotz ist es für uns Filmschaffende natürlich unheimlich wichtig, die relevanten Themen zu behandeln. Es ist sinnstiftend und befreiend. Du spielt in „Amrum“ Ena, die sich von den Nazis nicht hat blenden lassen, aber mit ihrer Schwester zusammenlebt, die überzeugte Nationalsozialistin ist. Trotz der konträren Einstellungen und der damit einhergehenden Konflikte lieben sich die beiden. Auch solche Clashs vonWeltanschauungen dürften hier- zulande zugenommen haben, seit die AfD so viel Zuspruch findet und dadurch Familien auseinanderreißt. Wie hast du dich schau- spielerisch diesem Konflikt genähert: Der Liebe zur Schwester einerseits und der ab- soluten Ablehnung ihres Menschenhasses? Das ist das Leben in seiner Komplexität, wie es jeden Tag passiert. Diese Widersprüche fin de ich mehr als natürlich. Da musste ich mich gar nicht vorbereiten. Da sehe ich mir die Szene an und spiele sie. Was mir an deiner Figur so gut gefällt, und du spielt es ganz hervorragend, ist, dass Ena eben nicht den Mund hält, sondern sich ganz klar gegen die Nazis positioniert. Wie wich- tig findest du es, dass so ein Mut, gerade in diesen Zeiten, in einem so großen Film mit mutmaßlich viel Publikum gezeigt wird? Soo wichtig! Es ist so schwer, immer den Mund aufzumachen, immer mutig zu sein. Ich be wundere Ena so sehr dafür. Ich habe auch manchmal Angst, selber nicht mutig genug zu sein. Deswegen müssen wir Vorbilder haben und uns gegenseitig zeigen, dass wir nicht alleine sind. hamburg:pur Aktion! Für die Preview von „Amrum“ (mit Gästen) am 6.10., 20 Uhr in den Zeise Kinos verlosen wir 10 x 2 Karten. E-Mail mit Name und Betreff „Amrum“ an verlosung@szene-hamburg.com ; Einsendeschluss: 3.10. Lisa, wie bist du zu „Amrum“ gekommen? Musste Fatih Akin dich überreden oder hast du sofort zugesagt? Lisa Hagmeister: Ich glaube, seine Frau Moni que Akin, die immer Fatihs Filme castet, hat mich vorgeschlagen und mich zumCasting ein geladen. Laura Tonke war schon für die Rolle der Mutter besetzt und es ging darum, jeman den zu finden, der gut zu ihr als Schwester passt. Wir kannten uns schon, und ich glaube, dass Fatih gemerkt hat, dass wir Lust aufein ander hatten und gut zusammenpassen. Die Geschichte war toll, der Cast super, der Regisseur natürlich total spannend – da muss niemand überredet werden. Ich habe sofort zugesagt. „Amrum“ ist ja eine sehr persönliche Ge- schichte von Hark Bohm. Macht es für dich einen Unterschied, ob du in einem rein fik- tionalen Film oder einem sehr autobiografi- schen Film spielst? In diesem Fall hat es für mich keinen großen Unterschied gemacht. Es war immer klar, dass „Wir müssen Vorbilder haben und uns gegen seitig zeigen, dass wir nicht alleine sind“: Lisa Hagmeister 6 7 FILM Die Ablehnung deiner Figur kumuliert ja in einer Szene, in der du ein Foto Hitlers verbrennst. War diese symbolische Szene für dich besonders auf geladen? Das war natürlich eine der krassesten Gesten, die zu diesem Zeitpunkt möglich waren. Aber für diese starke Person Ena war es einfach folgerichtig. Sie hatte keine Angst, und so war es für mich dann auch. Die Hauptrollen spielen in „Amrum“ ja Kinder. Der Dreh mit Kindern gilt ja immer als „anders“, als besonders. Wie hast du den Dreh mit ihnen, ins besondere mit demHauptdarsteller Jasper Biller beck, empfunden? Jasper war immer total diszipliniert und sehr pro- fessionell. Die Erwachsenen müssen sich natürlich immer nach den Kindern richten und warten, bis al- les mit den Kindern stimmt. Das ist manchmal auch anstrengend, aber man wird dafür immer wieder mit tollen Momenten belohnt. Und es war ja von Anfang an klar: Im Zentrum der Geschichte steht ein Kind! Als Schauspieler sieht man sich ja immer an, wie Kollegen und Kolleginnen spielen und schaut sich gegebenenfalls auch mal was ab. Gab es bei den jungen Darstellern ebenfalls Dinge, die du dir abschauen konntest? Was ich mir immer wieder von Kindern abgucken kann, wenn sie gut sind, ist ihre Unverstelltheit, ihre Frische und Spontaneität, ihre Freiheit und Furcht- losigkeit. Eigentlich ist es das immer gewesen, was mich am Spielen überhaupt interessiert hat. Du drehst fürs Fernsehen, fürs Kino, machst Se rien, machst Filme, stehst im Theater auf der Büh ne – wie bekommst du das alles unter einen Hut? Das freut mich, dass es so aussieht. (grinst) Ich lasse das jetzt einfach mal so stehen, mit der Anmerkung, dass es oft entweder zu viel ist oder zu wenig. Aber wenn es schöne Projekte sind, geht auch viel! Außerdemwarst – oder bist? – du Sängerin einer Punkband namens N.R.F.B, was für Nuclear Raped Fuck Bomb steht. Gibt es N.R.F.B eigentlich noch? Das Projekt hatte Jens Rachut ins Leben gerufen. Ich bin ihm nach wie vor sehr dankbar für diese Erfahrung. Es liegt aber seit einiger Zeit auf Eis. Wer weiß … vielleicht machen wir ja noch mal was zu- sammen! Du bist bald seit zwanzig Jahren festes Ensem blemitglied am Thalia Theater. Was geht in dir vor, wenn du dir das bewusst machst? Dankbarkeit! Dafür, an so einem tollen Haus so lan- ge arbeiten zu dürfen; dafür, meine Familie so lange nicht verpflanzen zu müssen. Aber auch Zweifel, ob nicht auch das Sich-Immer-Erneuernde, das Sich- Stets-Wandelnde zum Kunst machen dazugehört. Demnach verbringst du viel Zeit in Hamburg. Was bedeutet dir die Stadt? Ich liebe Hamburg. Ich habe hier ein künstlerisches Zuhause gefunden. Das Wetter macht mich manch- mal fertig – aber wem sage ich das?! Interview: Daniel Schieferdecker Regie: Fatih Akin. Mit: Jasper Billerbeck, Laura Tonke, Diane Kruger. 93 Min. Ab 9.10. ★★★★★ reservix.de dein ticketportal Tickets sichern unter reservix.de Alle Angaben ohne Gewähr Alarm in‘t Theaterhuus 28.–31.12.25 Ohnsorg-Theater Hamburg Götz Widmann 30.01.26 Markthalle |Hamburg 04.–08.11.25 Kampnagel | Hamburg 06.01.26 Friedrich-Ebert-Halle Hamburg Hängemattenlesung 07.–21.12.25 Cap San Diego |Hamburg 04.12.25 Kirche St. Johannis Hamburg-Bergedorf
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