hamburg:pur Oktober 2022
ESSEN+TRINKEN Foto: Karoline Gebhardt KOCHMESSER Dreckig, laut, gefährlich Feuer und Flamme: In seiner Schmiede in Hamburg stellt Torsten Nitzsche Kochmesser her. Eine Geschichte darüber, wie ein altes Handwerk wieder auflebt „Bin ich auf dem richtigen Weg zur Messer schmiede?“, rufe ich Arbeitern in einer Halle zu. Sie nicken. Einfach weiter geradeaus. Kurze Zeit später ertönen laute Bässe, französischer Ge sang und immer wieder ein rhythmisches und kräftiges „Dong, dong, dong“. Hier muss sie sein, die Messerschmiede „Lieblingsmesser“ von Torsten Nitzsche. Auf der Holztür an der klei nen Halle steht „Open“. Ein Klopfen würde man von innen eh nicht hören, also trete ich ein. In der Schmiede steht Torsten und schlägt mit einem Hammer auf ein Stück Stahl. Er dreht sich kurz um, ruft „Moin“ und bittet mich her ein. Es ist heiß und laut. Typisch Werkstatt. Freigeist und Kreativität hängen in der Luft. Verschie dene Messer zieren die Wände, Schleifpapiere, metallenes Werkzeug und klobige Maschinen mit rußigen Resten stehen zur nächsten Be nutzung bereit. Seit knapp zehn Jahren schmie det und werkelt Torsten auf dem ehemaligen Strüver-Gelände in Groß Borstel. Der 61-Jäh rige betreibt eigentlich einen Dachdeckermeis terbetrieb und durchlief diverse berufliche Sta tionen in seinem Leben. Vom Sporttrainer bis zum Taxifahrer war alles dabei – bis er eines Tages nach Berchtesgaden kam. „Ich war bei einem Schmied und da ist mir ein Messer in die Hand gefallen“, erzählt er, nachdem er Hammer und Zange zurückgelegt und die Gas- Esse ausgeschaltet hat, „das fand ich unheim lich spannend.“ Eine neue Leidenschaft war geboren. „Ich begann, acht Tage in der Woche Messer zu bauen. So sag ich das immer, weil ich fast Tag und Nacht in der Werkstatt bin“, sagt er und schmunzelt. Auch heute noch. In seinem Betrieb ist er darum noch im Hinter grund tätig. Auf Dauer sei das Messerschmie den zu teuer, um es nur als Hobby zu verfolgen. Doch das Schmieden kostet nicht nur Geld, sondern auch Tränen und Schweiß. Zwischen durch wollte er sogar hinwerfen. Lehrgänge seien kostenintensiv, Geduld essenziell und gar nicht so leicht erlernt. Heute ist Torsten froh, durchgehalten zu haben. Er liebt das Schmieden: „Alles ist dreckig, alles ist laut, warm, gefährlich.“ Zu diesem Zeitpunkt ist mir noch nicht bewusst, dass auch ich das später am eigenen Leib erfahren werde. Erinnerungen für die Ewigkeit schaffen Wir setzen uns. Torsten hat bereits verschie dene Messer und Rohlinge drapiert und erklärt, wie die einzelnen Schritte am Ende ein Ganzes ergeben. Alles beginnt mit einemStück Stahl. Messer-, Kohlenstoff- oder Bandstahl eignen sich dafür. Oder aber andere Gegenstände aus Stahl, die Torsten zu einemMesser schmieden kann. „Hier haben wir die Spiralfeder eines alten Landrover Defender, ein Innenradlager eines Porsches oder alte Feilen“, sagt er und zeigt mir verschiedene Gegenstände, die er verarbeiten kann. Diese werden dann mithilfe der Gas-Esse und viel Muskelkraft „zerkloppt“. Das Stück Stahl wird imGasschmiedeofen er hitzt, mit der Zange herausgezogen und mit einem Hammer platt gehauen. Dieses Proze dere wiederholt Torsten etwa eineinhalb bis zwei Stunden. Bei Feilen oder Autofedern dauere der Prozess wesentlich länger. AmAn fang müsse man einfach nur prügeln, mit der Zeit würde der Stahl feiner werden. Hartes Handwerk. „Jemand, der üblicherweise am Schreibtisch sitzt, hat nach einer halben Stun de Blutquesen an der Hand“, weiß Torsten. Im Anschluss wird der gekloppte Rohling mit der Flex und Bandschleifern bearbeitet. Dabei kommen verschiedene Stärken zum Einsatz. Bevor der Rohling dann bei 820 Grad gehärtet und in Öl abgekühlt wird, bohrt Torsten Löcher in das Messer – zur Gewichtsreduktion und für die Befestigung des Griffes. Nach dem letzten wortwörtlichen Schliff wird der Griff geklebt. Auch der erzählt oftmals eine Geschichte: In diesem Fall stammt der Holzgriff aus einem alten Holzbalken, der bei der Sanierung eines Schlosses im Spessart gefunden wurde und 4 Illustrationen: Tanja Deutschländer ESSEN+TRINKEN mehrere hundert Jahre alt ist. Ein anderes Messer wurde mit einem Griff aus Treibholz eines alten thailändischen Fischerbootes her- gestellt. Vor allem die Verbindung aus Stahl und Holz interessiere Torsten. Mit künstleri- schem Anspruch verfolgt er sein Handwerk, dennoch sollen die Messer im Alltag brauch- bar sein. „Früher habe ich den Messern sogar Namen gegeben, aber irgendwann hört man damit auf“, erzählt er lachend und zeigt mir den „Goldjungen“, ein langes Messer aus einer alten Feile mit goldfarbenemGriff und passen- der Messerscheide. Das Muster der Feile ist sogar noch zu erkennen. Eine hitzige Erfahrung „Und jetzt bist du dran“, sagt Torsten und steht auf, um mir eine Schürze zu geben. Er dreht die Gaszufuhr für den Schmiedeofen auf und erklärt mir, wie ich das Stahlstück rein- und wieder rausholen kann. Ein wenig nervös bin ich beim Blick zum Ofen schon, der durch die Hitze grell leuchtet, heiße Luft und gefährliche Geräusche von sich gibt. Aber meine Neugierde überwiegt. In der linken Hand die Zange, in der rechten den Hammer, hole ich den rötlich glühenden Rohling etwas zaghaft aus dem Ofen, lege ihn auf den Amboss und kloppe auf Torstens Kommando drauflos. Zweimal, drei- mal, viermal. „Hau ordentlich drauf“, brüllt Tors- ten, bis er mir das Zeichen gibt, den Rohling in die Esse zurückzulegen. Puh! Es ist gar nicht so leicht, mit demwuchtigen Hammer die rich- tige Stelle auf dem Stahlstück zu treffen. Ich versuche mein Glück noch zwei weitere Male und merke bereits, wie viel Kraft das meinen Armen abverlangt. Was einen Menschen dazu verleitet, mehrere Tage zu hämmern und zu schleifen, kann ich nun nachvollziehen. Die Be- friedigung, etwas Eigenes zu erschaffen, die körperliche Anstrengung und die Atmosphäre in der Werkstatt verleihen ein ehrwürdiges Ge- fühl. Direkt ein vorläufiges Ergebnis in den Hän- den zu halten, ist erfüllend. Wie muss es dann erst sein, ein eigenes Messer nach individuel- len Wünschen fertigzustellen, ein Einzelstück? Zu 95 Prozent stellt Torsten rasiermesser- scharfe Kochmesser her und gibt sein Wissen in Kursen weiter. An drei Tagen können Kurs- teilnehmende ein Messer nach ihren individu- ellen Wünschen gestalten. Das könne jeder, der eine große Portion Geduld mitbringe, so Torsten. Sonntags und in den Ferien fördert er außerdem Jugendliche, baut mit ihnen Gokarts um oder tüftelt an anderen Projekten. „Ich ver- suche, diese Werkstatt ein bisschen zu ver- kaufen und Menschen zur Verfügung zu stellen, die Spaß am Werkeln haben.“ Ich für meinen Teil werde das Schmieden im Hinterkopf be- halten und verlasse Torstens Schmiede mit etwas Muskelkater in den Armen und einem guten Gefühl. Text: Karoline Gebhardt lieblingsmesser.eu 5 Tun Sie etwas Großartiges: Sehen Sie Erwachsenen beim Spielen zu. Die TheaterCard ist ideal für alle, die häufig ins Theater gehen, aber flexibel sein wollen. Man bekommt ein Jahr lang das volle Programm zum halben Preis. 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