hamburg:pur Oktober 2022

Foto: DREIFILM Foto: xWarner Bros. Germany FILM Der Passfälscher Es gibt Filme, die ihren Reiz daraus ziehen, dass sie auf wahren Bege- benheiten beruhen. Als reine Fiktion würden sie nicht funktionieren, zu unglaublich sind sie. So wie die Geschichte des Juden Cioma Schön- haus (Louis Hofmann), der als Passfälscher anderen Menschen half zu entkommen, mit unverfrorener Dreistigkeit und jugendlichemCharme die Nazi-Schergen narrte und sich irgendwann selbst in die Schweiz rettete. „Der Passfälscher“ heißen seine 2004 erschienenen Memoi- ren, die deutsche Drehbuchautorin und Regisseurin Maggie Peren hat sie verfilmt. Herausgekommen ist ein dahin plätscherndes Biopic, in Rheingold Wenn einer den inflationär verwandten Titel „Gangsta-Rap- per“ zu Recht trägt, dann Giwar Hajabi alias „Xatar“ (kurdisch für „Gefahr“): Nachdem er 2009 für den Überfall auf einen Goldtransport verurteilt wurde, rappte er die Parts für sein 2012 erschienenes Album „415“ (seine Häftlingsnummer) in seiner Stuttgarter Zelle in ein in den Knast geschmuggeltes Diktiergerät. Fatih Akin erzählt in seinem neuen Film „Rhein- gold“ dessen Lebensgeschichte. Seine Mutter brachte ihn 1981 zur Welt, während ihre kurdische Enklave im Iran mit schwerer Artillerie angegriffen wurde. Folgerichtig taufte sie ihn Giwar – „im Leid geboren“. Die ersten Lebenserinnerun- gen des Jungen sind furchtbare Gefängnis-Bilder aus dem Irak, wohin die Familie vor dem Khomeini-Regime floh. Da sein Vater ein bekannter Komponist war, gelangten die Ha- jabis über Kontakte nach Europa. In einer frühen Szene nimmt der Vater (Kardo Razzazi) den Sohn an der Bonner Oper mit zu einer Orchesterprobe von Wagners „Rheingold“. Auf Nach- frage des staunenden Sohnes erklärt er, dieses Gold mache unsterb- lich – „wer es einmal hat, der wird es nie mehr aus der Hand geben“. Ein prophetischer Satz für Giwars weiteren Lebensweg. Akin schildert Xatars traumatische frühe Jahre sehr ausführlich, vielleicht als Erklä- rung dafür, welche zweifelhaften Lebenswege sein Protagonist später einschlug. Am vermeintlich sicheren Rhein geht der Horror nämlich weiter: Die Familie zerbricht mit demAuszug des Vaters. Giwar (Emilio Sakraya) kommt auf die schiefe Bahn, handelt zunächst aus Not, spä- ter im großen Stil mit Drogen. In Amsterdam startet er parallel zur Ga- novenkarriere ein Musikstudium. Schulden bei einemMafiapaten füh- ren dann zumPlan für den Gold-Coup. Wie dieser zunächst glückt, ihn dem Hauptdarsteller Louis Hofmann Bombenhagel, Hunger, Bedrohung und den Verlust geliebter Menschen einfach spitz- bübisch weglächelt. „Ich tue nichts im Verborgenen“, lässt Peren ihren Schönhaus verkünden und in der Tat wählt der charmante 20-Jährige stets die Flucht nach vorn. Er fährt Straßenbahn, obwohl das Juden 1942 längst verboten war, speist als vermeintlicher Fronturlau- ber regelmäßig in einemNobelrestaurant, lässt beimFälschen der Pässe die Tür unverschlossen und schafft es mit diploma- tischemGeschick einer Kontrolle zu entkommen, indem er sich selbst die Pässe der Gestapo zeigen lässt. Lange lebt er in der großbürgerlichenWohnung seiner Familie, die bereits abgeholt worden ist. „Vor fünf Tagen“, sagt er zu seinem Freund Det (Jo- nathan Berlin), als handele es sich um einen kurzen Ostsee- urlaub. Perens Cioma kann nichts erschüttern, nicht die Ver- haftung seines Freundes Det (Jonathan Berlin), nicht die Tren- nung von seiner großen Liebe Gerda (LunaWedler). Sehr lang- sam und in düsteren Bildern, geradezu mit einer verharmlo- senden Leichtigkeit, erzählt Peren diese unglaubliche Geschichte. Nazigrößen, direkte Täter, Grausamkeiten zeigt sie nicht, ebenso wenig zerbombte Häuser oder ausgemergelte Menschen. Während der Berlinale bemühte Peren einen Star-Wars-Vergleich: Cio- ma sei ein jüdischer Yoda, der nicht mit den Fäusten kämpft, sondern über den Dingen schwebt, weil die Macht mit ihm ist. Zweifelsohne ist „Der Passfälscher“ eine beeindruckende Heldengeschichte, leider in- szenierte Peren sie allzu uninspiriert. (bs) AB 13. OKTOBER D, LUX 2022; 116 Min.; R: Maggie Peren; D: Louis Hofmann, Jonathan Berlin, Luna Wedler ★★★ ★★ dann aber erneut hinter Gitter bringt und wie der dort Gestrandete sich in Ermangelung anderer Möglichkeiten endlich auf seine Kreativität besinnt, davon erzählt dieser „Hardboiled-Schelmenroman“ in kras- sen, schonungslosen Bildern, die Akins letztem, ebenfalls das begehr- te Edelmetall im Titel führenden Film „Der goldene Handschuh“ in nichts nachstehen. (cc) AB 27. OKTOBER D, IT, NL 2022; ca. 140 Min.; R: Fatih Akin; D: Emilio Sakraya, Mona Pirzad, Kardo Razzazi ★★★★ ★ 26 Unsere Möglich macher: w w w . a h o y r a d i o . d e Gutes Radio für Gute Leude M e d i e n p a r t n e r Ladet unsere App!

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