hamburg:pur Oktober 2022

Foto: Fredrik Wenzel/Alamode Film FILM SATIRE Rette sich, wer kann! Mit „Triangle of Sadness“ serviert Regisseur Ruben Östlund eine provo- kante und amüsante Kapitalismus-Kritik auf hoher See – Würgereiz inklusive Schwedens Regie-Fiesling Ruben Östlund ver- frachtet mit Vorliebe privilegierte Menschen in peinliche Situationen. Sein letztes Opfer war das kunstbeflissene Stockholmer Vernissagen- Publikum in „The Square“ (2017). Aufs Recht- eck folgt nun ein Dreieck-Rundumschlag gegen die verlogene Mode-Industrie, willfährige Influ- encer und obszöne Superreiche. Der Filmtitel bezeichnet die v-förmige Sorgen- falte, die sich zwischen den Augenbrauen ge- stresster Menschen bildet. Doch zum Glück gibt’s ja Botox: Bühne frei für die makellosen Models Carl (Harris Dickinson) und Yaya (Charl- bi Dean), die sich auf ihremSocial-Media-Kanal gern unter die oberen Zehntausend mischen. Geld kommt dabei eher nicht rum, in der groß- artigen Anfangsszene streiten die beiden in ge- hobener Gastronomie erbittert darüber, wer die Rechnung begleichen soll. Die Währung der bei- den ist ihre Attraktivität. Folgerichtig räkeln sie sich direkt nach demRestaurant-Desaster auf demDeck einer Luxusjacht: Gratis-Bordtickets dank Insta-Fame, „eye-candy“ für die betuch- ten Gäste. Als Ärmste unter den Passagieren ist das schöne Paar in Östlunds Versuchsan- ordnung der Puffer zwischen Geld-Elite und Gesinde, in diesem Fall den bedauernswerten Mitarbeitern der Bord-Crew. Die müssen den Gästen jeden noch so absurden Wunsch von den Lippen ablesen und ihre Launen ertragen. Der dauerbetrunkene Kapitän (Woody Harrel- son) hat sich derweil in seiner Kabine ver- schanzt. Östlund zeichnet die cruisenden Geld- säcke als Panoptikum menschlicher Nieder- tracht und schickt sie folgerichtig auf einen wohlverdienten Höllentrip: Erst macht ein auf- ziehender Sturm das „Käptn’s Dinner“ zum Kotz-Marathon, dann folgen ein Piraten-Über- fall und das unvermeidliche Stranden auf einer einsamen Insel. Da weder die an Bord versam- melten „Entscheider“ noch ihre überspannten Ehefrauen fischen und Feuer machen können, wird die soziale Pyramide (Achtung: Dreieck!) nun ganz neu durchgemischt. Östlunds Parabel einer im Zerfall befindlichen spätkapitalistischen Gesellschaft mag über weite Strecken nicht sonderlich subtil daher- kommen, ihr zorniger Dampfhammer-Fatalis- mus macht aber diebische Freude! Text Calle Claus AB 13. OKTOBER S, D, F, GB 2022; 142 Min.; R: Ruben Östlund; D: Harris Dickinson, Charlbi Dean, Woody Harrelson ★★★★★ hamburg: pur Aktion! Für die Preview des Films „Triangle of Sadness“ am 12.10., 20 Uhr in den Zeise Kinos verlosen wir 10 x 2 Karten. E-Mail mit Name sowie Betreff „pur:Triangle of Sadness“ an verlosung@ szene-hamburg.com Einsendeschluss: 9.10. 22 Foto: Warner Bros. Germany FILM Tausend Zeilen Journalist Juan Romero (Elyas M’Barek) recherchiert in Mexiko über die Flüchtlingssituation an der US-amerikanischen Grenze. Das Hamburger Nachrichtenmagazin „Chronik“ möchte das Thema als Titelstory, verantwortlicher Autor soll aber der vielfach preis- gekrönte Reporter Lars Bogenius (Jonas Nay) sein. Dieser soll über die Gegenseite berichten, jene selbst ernannten Grenzschüt- zer auf amerikanischer Seite, die ihr Vaterland vor illegalen „Ein- dringlingen“ schützen wollen. Romero entdeckt, dass der Text des Kollegen nicht nur vor Ungereimtheiten strotzt, nein, er ist gefälscht, völlig frei erfunden – wie fast alle dessen Artikel. Für Romero beginnt ein Albtraum: Weder Ressortleiter noch Chef- redaktion glauben ihm, er wird als neidisch und unprofessionell abgestempelt, der Rausschmiss ist dem freiberuflichen Reporter und Vater von vier Töchtern sicher, selbst die Ehefrau zeigt wenig Verständnis. „Inspiriert“ ist der Film von Juan Morenos (49) Buch „Tausend Zeilen Lüge“, in dem der „Spiegel“-Reporter detailliert (und recht amüsant) schildert, wie er den realen Star-Reporter Claas Relo- tius (36) der Lüge überführt und den wohl größten Fälschungs- skandal der Nachkriegszeit aufdeckt. Michael Bully Herbig („Ballon“, 2018) und Drehbuchautor Her- mann Florin ließen sich diesen Hochstapler-Thriller nicht ent­ gehen. Um die Realsatire aufzupeppen, setzt der „Bullyparade“- Regisseur auf komödiantisch-knackige Vergangenheitsaufarbei- tung mit internationalem Flair und spielt dramaturgisch bewusst mit Wahrheit und Lüge, als wolle er Relotius Konkurrenz machen. Zitat: „Die Fakten werden verdreht, damit’s am Ende stimmt.“ Kein einfaches Unterfangen, begegnen sich die beiden Kontrahenten Romero und Bogenius doch nie persönlich, kommunizieren nur über E-Mails, Telefonate und SMS. Für Juan Romero steht alles auf demSpiel, seine Ohnmacht und Wut bringt M’Barek gut rüber, nur warummuss er auch noch den Trottel mimen, der imDoppel- deckerbus sein Töchterchen vergisst? Die sonst spannende Un- derdog-Geschichte lässt nicht nur an dieser Stelle zu wünschen übrig, verliert sich immer wieder in Kitsch und Klischees. (ag) AB 29. SEPTEMBER D 2022; 93 Min.; R: Michael Bully Herbig; D: Elyas M’Barek, Jonas Nay, Michael Ostrowski ★★★ ★★ 190 190 194 194 186 186 182 182 178 178 174 174 170 170 166 166 162 162 158 158 154 154 150 150 148 148 DIE ANTWORT AUF ALLES ST. PAULI THEATER 23.10. – 19.11.2022 st-pauli-theater.de von Neil LaBute Deutsch von Frank Heibert Regie: Julia Hölscher Bühne: Paul Zoller, Philipp Eckle Kostüme: Sabrina Bosshard Komposition: Tobias Vethake Mit: Meriam Abbas, Julia Nachtmann, Marie Schulte-Werning 33. Hamburg International Queer Film Festival 18.-23.10.2022 VORVERKAUF AB 1. OKTOBER! hiq . de 23

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