Hamburg Pur - Oktober 2021
Foto: Alexander Schliephake // www.instagram.com/_fox_on_the_run_ PARTY CLUBSZENE Wie „G“ -eht Mit Einführung des 2G-Modells konnten Hamburgs Clubs Ende August erstmals wieder ohne Sperrstunde und Tanzverbot öffnen. Warum die neuen Möglichkeiten trotzdem heiß diskutiert werden und welches Modell für ihren Laden im Oktober gilt, erzählen Clubbetrei- bende aus Molotow, Nochtspeicher und Waagenbau Am 28. August war es so weit. Hamburg wurde bun- desweit Vorreiter bei der Einführung des sogenann- ten 2G-Optionsmodells. Weil es mittlerweile prob- lemlos möglich ist, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen, haben zahlreiche Bundesländer nachgezo- gen. Grundsätzlich gilt für Clubs: Wenn nur Geimpf- te und Genesene eingelassen werden, entfällt Sperr- stunde, Abstandswahrung und Tanzverbot. Wie im- mer ist die Umsetzung der Länder unterschiedlich. Für viele Musikclubs in Hamburg ist das Modell, wie es Mitte September galt, wirtschaftlich schwierig. Anders als in Berlin bestand eine Obergrenze von 150 Feiernden (in Berlin sind es 1.000) und Maske- tragen beim Tanzen war obligatorisch. Das Club- kombinat forderte eine Aufhebung der Masken- pflicht, die Anhebung der Kapazitätsgrenzen und Ausnahmeregelungen durch PCR-Tests für Men- schen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. Kurz vor Redaktionsschluss wurden Maskenpflicht und Personenbeschränkun- gen aufgehoben. Fenja Möller, Constantin v. Twickel und Claudia Mohr berichten, wie sie mit den neuen 10 Foto: Katrin Arfmann Foto: Martin D. Foto: Claudia Mohr PARTY FENJA , welches Modell gilt bei euch im Oktober? Fenja Möller: Wir haben sowohl Veranstal- tungen unter den 3G- als auch 2G-Regelun- gen. Welches Modell gilt, ist sehr von der Veranstaltung abhängig. Bei den Konzerten muss, um das 2G-Modell anzuwenden, die ganze Band geimpft sein, was noch nicht immer der Fall ist. Bei einigen Konzerten wen- den wir aber auch das 2G-Modell an. Unsere Partys am Wochenende finden komplett 2G statt, da mit der 3G-Regelung noch ein Aus- schankverbot ab 23 Uhr besteht, könnten wir diese gar nicht anders realisieren. Warum habt ihr euch so entschieden? Die nutzbaren Ressourcen aus Förderungen, Spenden und Merchverkäufen gehen lang- sam zur Neige, weshalb wir finanziell auf das 2G-Modell angewiesen sind. Außerdem ste- cken hinter demMolotow viele Mitarbeiten- de, die seit Monaten auf ihre Einnahmen ver- zichten mussten. Darum konnten und wollten wir die Situation so nicht weiterführen. Kritisiert ihr etwas an den aktuellen Bestim- mungen? Wir hoffen sehr, dass es möglichst bald eine Regelung für alle Menschen gibt, die sich wirklich nicht impfen lassen können. Welche Erfahrungen habt ihr bei den ersten 2G-Abenden gemacht? Insgesamt war das Feedback sehr positiv. Der Großteil unserer Gäste versteht den Schritt und hat sich sehr gefreut, endlich mal wieder im Molotow tanzen zu können und einen ei- nigermaßen normalen Partyabend zu erleben. Für viele Anwesenden war es der erste Abend im Molotow nach fast zwei Jahren Pause. Auch für uns war es ein schönes Gefühl, end- lich unsere Stammgäste wieder im Laden be- grüßen zu dürfen und eine belebte Tanzfläche zu haben. CONSTANTIN , was macht ihr imOktober? Constantin v. Twickel: Wir haben uns im Nochtspeicher für die Hybrid-Variante ent- schieden. Also wahlweise nach Absprache mit Künstler*innen und Agenturen 2G oder 3G. Warum? Durch das Hybrid-Modell sind wir flexibel. Wirtschaftlich sind beide Varianten nicht, und es gibt auch derzeit nicht die optimale Lösung für alle. Das 2G-Modell ermöglicht uns zu- mindest die Möglichkeit einer höheren Aus- lastung und ein Näherkommen einer Voll auslastung. Die beiden Modelle 2G und 3G ermöglichen uns, zumindest für den Über- gang wieder indoor zu veranstalten. Hier geht es in erster Linie darum, Kultur wieder statt- finden zu lassen, unser Publikum zu begeis- tern und alle Beteiligten wieder in Lohn und Brot zu bekommen. Die Kulturbranche liegt seit über anderthalb Jahren brach, mit ein paar Ausschlägen im Open-Air-Bereich. Was wünscht ihr euch für die Zukunft? Wir sind uns über den Ernst der Lage bewusst, jedoch benötigen wir mehr Perspektiven und wünschen uns mehr Austausch mit der Po litik. In unserer Branche sind so viele erfah- rene Fachkräfte bezüglich Veranstaltungen, sodass wir da mit Sicherheit helfen können, praxisnahe Modelle zu entwickeln und um- zusetzen. CLAUDIA , wie geht der Waagenbau mit der Situation um? Claudia Mohr: Wir werden tatsächlich ab- warten, ob und wie sich die Reglementierung weiterentwickelt, von daher: So, wie jetzt im Moment die 2G-Regelung aufgebaut ist, ergibt es für uns größere Clubs wenig Sinn aufzumachen. 150 tanzende Menschen mit Maske imWaagenbau sind unwirtschaftlich, unsolidarisch den Menschen gegenüber, die sich aus wichtigem Grund nicht impfen lassen können und nicht wirklich das, was wir unter einer „normalen“ Clubsituation verstehen. Was heißt das für die Zukunft? Wir stecken gerade in einer klassischen Patt- situation: Natürlich haben wir Bock, endlich wieder ausgelassen zu feiern. Die so wich- tige Parallelgesellschaft gemeinsammit den Menschen in den durchtanzten und durch- feierten Nächten zu kreieren, die einen so entscheidenden Gegenentwurf zumHams- terrad des Kapitalismus und der Monotonie des immer gleichen Alltags der meisten Menschen darstellt. Um das in der jetzigen Gesetzeslage zu realisieren, müssten wir Menschen von der Teilhabe ausschließen, wo doch unser Credo und unser Schaffen auf Grenzenlosigkeit, Freiheit, Liebe und Gleichheit ausgerichtet ist. Da wir aber auch einen gewissen wirtschaftlichen Druck ha- ben, stehen wir vor der schwierigen Ent- scheidung: Insolvenz anmelden – sobald die Wirtschaftshilfen wegfallen – oder 2G. Interview: Ole Masch 11
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