Oktober 2020
Foto: Arno Declair Foto: Arno Declair KRITIKEN Wir haben getan, was wir konnten „Respice finem“ – „Bedenke die Folgen beziehungsweise das Ende“. Die roten Buchstaben werden gleich zu Beginn von der Spielfläche imMalersaal gefegt und bilden nun eine Blutlache aus kleinen Steinen unter demSchattenbild eines Patienten. „Wir ha- ben getan, was wir tun konnten“ lautet der Titel der medizinisch- theatralischen Recherche, mit der Autor und Regisseur Tuğsal Moğul am Schauspielhaus dem deutschen Gesundheitswesen auf den Zahn fühlt. Und der entpuppt sich als höchst marode. Es schnürt sich einem der Magen zu, wenn York Dippe sich als Apo- theker mit Grandezza in den schwarzen Barocksessel fläzt und erzählt, wie er durch illegalen Medikamenten-Pfusch über Jahre hinweg zu Reichtum kam. Oder wenn Ute Hannig und Christoph Jöde als reuelose Pflegekräfte berichten, wie sie ihre Patienten reihenweise mit Todesspritzen ins Jenseits beförderten, um sie von ihrem Leid zu erlösen oder eben nur, um den „Kick“ zu spü- ren. Dass das Stück damit reale Fälle der jüngsten deutschen Kriminalgeschichte aufgreift, wirft Fragen auf. Etwa, ob Menschen wie diese vielleicht nur die hässlichen und pervers gefährlichen Auswüchse eines prekären Gesundheitssystems sind, das die Profitmaximierung über die Heilung des Patienten stellt und das Ärzte und Pflegekräfte bis an die Grenzen der Belastbarkeit aus- beutet. Dabei ist Moğuls Regieeinfall, die Psyche der Massen- mörder mit barocken Gesängen in einer überhöhten ästhetischen Betrachtung zu spiegeln, schlichtweg umwerfend. Das liegt nicht nur an der exquisiten Auswahl der Arien und Lieder von unter ande- rem Gesualdo, Purcell und Pergolesi, sondern auch an Geigerin Swant- je Tessmann, Kontra- bassist John Eckhardt und Cembalist Tobias Schwencke, dessen fi- ligran gearbeiteten Ar- rangements die Stimmen der drei Schauspieler wunderbar zur Geltung bringen. Tuğsal Moğuls unaufgeregt stimmige, durchaus auch humorvolle Figurenführung tut ein Übriges für diesen eben- so erschreckenden wie beglückenden Abend. Und: Der Mann weiß, wovon der spricht, ist er doch neben seiner Theaterarbeit auch praktizierender Anästhesist und Notarzt in Münster. (si) 4.–6. OKTOBER UNDWEITERE Schauspielhaus (Malersaal); www.schauspielhaus.de HAMBURGS AUSBILDUNGS- GUIDE 2021 BERUFE MIT ZUKUNFT Welche Branchen sind das? Wie öffnen sich die richtigen Türen? Entscheider erzählen STUDIUM Uni, FH oder Akademie? Oder doch duales Studium? Ein großer Überblick AUSBILDUNG Welcher Job ist der richtige? Was sind die Perspektiven? Experten geben Tipps FOLGE DEINER BERUFUNG ISBN978-3-946677-49-9 SPEZIAL NR.21 2021 |€7,50 SPEZIAL NR. 21 SZENE HAMBURG AUSBILDUNG 2021 € 7,50 AUSBILDUNG SZ_AUS2020_001_Titel.indd 1 10.09.20 17:37 oder über szene-hamburg.com Jetzt im Handel NEU!
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