Oktober 2018

10 MUSIK Schrecklichste, zehn Jahre lang im Nightliner durch die Gegend zu fahren und irgendwann zurück in den Sprinter zu müssen. Das wird bei mir vielleicht auch irgendwann kommen, vielleicht auch nicht. Jeden- falls habe ich mein halbes musikalisches Leben vor wenigen Leuten gespielt, und ich weiß es zu schät- zen, wenn in München 5.000 zum Konzert kommen. Und du hättest sicher nichts dagegen, wenn es noch mehr werden würden, oder? Das wäre okay – wenn es organisch passieren wür- de. Es ist ja so: Wenn ich ein neues Album mache, stecke ich da alles rein, arbeite wie ein Bekloppter. Aber ich mache das in erster Linie nicht, damit am Ende ganz viele Leute zu den Konzerten kommen, sondern weil ich einen bestimmten Anspruch an mich habe. Ich mache für mein Leben gerne Musik, immer so gut ich kann. Wenn am Ende viele das Pro- dukt feiern, kann ich mich dagegen nicht wehren. Neben Genuss und Zufriedenheit gibt es ein wei- teres großes Thema auf „Alles ist jetzt“: politische Haltung. Etwa im Song Robert DeNiro, da heißt es: „Nazi-Scheiß – die allerschlimmste, unmensch- lichste Wut.“ Klingt nach einem dringenden Be- dürfnis, jetzt gegen rechts zu singen. Definitiv. Ich habe viele Songs über Gesellschaft, Freundschaft, Familie, Probleme und Glück ge- schrieben, und es hat mir schon lange in den Fin- gern gejuckt, mal einen guten politischen Song zu machen. Einen, der das Gefühl beschreibt, das man als freiheitsliebender und empathischer Mensch eben so hat, und einen, der gleichzeitig erklärt, was in den vergangenen vier, fünf Jahr in diesem Land passiert ist. Interview: Erik Brandt-Höge 10. NOVEMBER 19:00 Uhr; Große Freiheit 36 Haltung & Genuss Der Hamburger Popstar ist bekannt für Lieder über Liebe und Verlorenheit. Nun kommt ein Thema hinzu: Politik. Auf seinem neuen Album „Alles ist jetzt“, das am 12. Oktober erscheint, positioniert sich der 38-Jährige deutlich gegen Rechts BOSSE Foto: Tim Bruening spielt, getanzt und Adrenalin ausgeschüttet habe, meinen Körper merke und im Kopf voll und leer zugleich bin. Wenn ich mich in solchen Momenten in meinen Garten setze, habe ich ein Gefühl wie nach der Sauna. So eine angenehme Schwere. Ich möchte dann nichts machen, bin einfach zu- frieden mit dem, was ist. Klappt diese Zufriedenheit auch in deinen Ar- beitsalltag als Pop-Künstler? Du singst zwar auf „Alles ist jetzt“: „Weiter, geiler brauch ich nicht mehr.“ Aber gleichzeitig hast du immer mehr Erfolg. Die Hallen werden größer, das Pu- blikum wächst stetig. Das Gefühl, immer mehr zu wollen, stellt sich trotzdem nicht ein. Eher der Wunsch, dass alles so bleibt, wie es ist. Für viele Bands ist es ja das Bosse, im ersten Song auf deinem neuen Album singst du: „Ich hab gelernt, das Leben zu genießen.“ Für alle, die das auch gerne lernen möchten: Hast du eine floskellose Formel dafür? Das Grunddenken jedes Menschen ist ja, immer mehr machen und auch immer mehr schaffen zu wollen. Deshalb ist es eine große Kunst, sich ab und an mal hinzusetzen und etwas zu genießen. Mit 23 konnte ich das noch nicht, mittlerweile aber schon. Ich sage mir einfach: Es ist völlig in Ordnung, alles im Hier und Jetzt zu mögen und alles, was morgen kommt, egal zu finden. Hast du ein Beispiel für einen solchen Hier-und- Jetzt-Moment? Zum Beispiel immer dann, wenn ich etwas in den Knochen habe. Wenn ich ein Wochenende lang ge-

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