Oktober 2017
Herr wiederspiel, Sie sind seit 15 Jahren Filmfest-chef. worauf sind Sie stolz? Albert Wiederspiel: Ich denke, mir ist es gelun- gen, es größer zu machen. Ich wollte ein brei- teres Publikum erreichen und habe deshalb gehobenen Mainstream als Lokomotive für die anderen Filme mit hineingenommen. Ich finde, das gehört genauso dazu wie der sehr fragile Kunstfilm, den wir auch im Programm haben. Zum Beispiel hat der Kurator unserer spanisch- und portugiesischsprachigen Sek- tion „Vitrina“ einen sehr künstlerischen Ge- schmack, und so sind die Filme auch. Und was bekommen wir dieses Jahr noch zu sehen? Wir zeigen 130 Filme aus 59 Ländern. Letztes Jahr waren es noch 160. Dieses Jahr muss- ten wir aus finanziellen Gründen reduzieren. Deshalb gibt es zwei Leinwände weniger, das B-Movie und der kleine Saal im Studio Kino sind nicht mehr dabei. Von den 130 Filmen ha- ben nur 34 bisher einen Verleiher, die anderen 4 Zehn Tage Bilderrausch: Festivalchef Albert Wiederspiel verrät, was beim 25. Hamburger Filmfest zu sehen sein wird tAG & nACHt Augen auf! FILMFEST HAMBURG 96 werden wahrscheinlich nicht in die deut- schen Kinos kommen. 32 Filme sind Debüts und 18 Zweitlingsfilme. Diese Initialzündung für junge Filmemacher, die dadurch bekannter werden und vielleicht auch einen Verleih be- kommen, ist für mich eine Hauptaufgabe eines Festivals. wie steht es um ihre Auswahl an lokal produ- zierten Filmen? Was wir nicht haben, ist „Aus dem Nichts“ von Fatih Akin. Warner wollte den Film nicht bei uns zeigen. Ich finde das sehr schade. Wir haben bislang alle Filme von Fatih gezeigt, und er ist ja der Hamburger Filmemacher mit der größten internationalen Strahlkraft. Aber damit muss ich leben. Davon abgesehen ha- ben wir zwei große Hamburger Filme, „Es war einmal Indianerland“ und „Simpel“, die in der Sektion „Kaleidoskop“ laufen. Und dann haben wir noch den Film von der HfbK-Absolven- tin Helena Wittmann, „Drift“, sehr arty, sehr edgy Autorenkino. Der war in Venedig in einer Nebensektion. Auf welche Stars können wir uns freuen? In diesem Jahr kommen unter anderem François Ozon, Ruben Östlund, Claes Bang, Vanessa Paradis, Volker Schlöndorff und Wim Wenders. Dazu natürlich viele, viele weitere Filmemacher und Schauspieler, die noch nicht so bekannt sind. Aber es verdienen, dass man sie kennenlernt! Eröffnet wird das Filmfest mit „Lucky“. Machen Sie uns den doch mal schmackhaft. Der Regisseur heißt John Carroll Lynch, ist aber weder verwandt noch verschwägert mit David Lynch. Nichtsdestotrotz ist es irgend- wie eine Hommage an David Lynch, der auch selber in einer größeren Nebenrolle mitspielt, und „Lucky“ steckt voller Zitate an seine Filme. Mich hat der Film auch deshalb sehr berührt, weil er ein sehr liebevoller, teilweise auch sehr lustiger Film über das Sterben ist. Der Haupt- darsteller Harry Dean Stanton war 91 Jahre alt, in Wirklichkeit und im Film, und er verabschie- det sich so langsam vom Leben. Am 15. Sep- tember ist er gestorben, sodass „Lucky“ jetzt zu seinem Vermächtnis wurde, das bewegt mich sehr. Es schließt sich so auch ein Kreis: Stanton war 1984 Hauptdarsteller in „Paris, Texas“ von Wim Wenders, und dieser bekommt nun den Douglas Sirk Preis. So etwas finde ich schön. Interview: Maike Schade 5.–14. OkTOBER www.filmfesthamburg.de Foto: Alamode Film
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