Oktober 2017
37 Clash Der Arabische Frühling befeuerte ab 2010 westliche Demokratisierungs-Fan- tasien. Für viele stand fest, dass die protestierenden Volksmassen sich einzig nach dem europäischen Staatsmodell sehnten. Wie verkürzt diese Sichtweise war und ist, zeigt Mohamed Diabs Thriller „Clash“ auf beeindruckende Weise. Metaphorisch geschickt erzählt Diab ausschließlich aus der Perspektive von Insassen eines Gefängniswagens. Dort landen zunächst zwei amerikanische Reporter, die über die Unruhen berichten. Bald aber füllt sich der Wagen, die Polizei verhaftet sowohl Mitglieder der Muslimbruderschaft als auch Mili- täranhänger. Innerhalb und außerhalb der Gitter schwellen die Konflikte an, bis schließlich nicht nur der Wagen, sondern ganz Ägypten auf das totale Chaos zusteuert. Wer sich jenseits seiner Komfortzone über den Arabischen Frühling oder das Menschsein an sich unterhalten will, dem bietet „Clash“ eine erstklassige (und ernüchternde) Vorlage. Einer der besten Filme des Jahres! (misch) AB 19. OKTOBER im 3001 Kino; R: Mohamed Diab; F/EGY 2016; D: Nelly Karim, Hani Adel, Ahmed Malek. ★★★★★ Es Coulrophobie, das ist die pathologische Angst vor Clowns. Dass dieser Be- griff überhaupt existiert, daran hat ein von Stephen King erdachter Horror- clown namens Pennywise wohl durchaus Anteil. In der 1990er-Verfilmung wurde der Kinderschreck dank Tim Curry zur Ikone, und obwohl „Es“ 2017 (FSK 16) tatsächlich der bessere Film ist – an den originalen Pennywise kommt die Darstellung von Bill Skarsgård nicht heran. So übel ist der Neue nicht, insgesamt aber etwas überpräsent und auch zu hektisch animiert, um wirklich unheimlich zu sein. Überhaupt ist das Spektakel von Andy Mu- schietti („Mama“) hin und wieder ein bisschen zu schnell, zu laut, zu viel. Kein Grund zur Enttäuschung: Das heiß ersehnte Remake überzeugt an- sonsten mit solider Spannung und schicker 80er-Retroatmosphäre, die ganz lässig auf dem „Stranger Things“-Hype mitsurft – inklusive dem dor- tigen Mike-Darsteller Finn Wolfhard, hier als Sprücheklopper Richie. Auch die anderen Kids machen eine gute Figur im Angesicht des Bösen mit dem roten Luftballon. (kj) AB 28. SEPTEMBER R: Andy Muschietti; USA 2017; D: Bill Skarsgård, Jaeden Lieberher, Finn Wolfhard ★★★★ ★ Es war einmal Indianerland Stell dir vor, du heißt Mauser, bist 17, lebst in den Hochhäusern am Stadt- rand, wo kleine Kids schon auf abgebrühte Gangster machen. Es ist Som- mer, tierisch heiß, bald steigt dein großer, alles entscheidender Box- kampf. Dann fliegt deine Welt aus den Angeln. Der Vater hat die Stiefmutter erwürgt, ist auf der Flucht. Edda, die 21-Jährige aus der Vi- deothek, schickt seltsame Messages per Postkarte. In ihrem VW macht ihr euch auf zum Pow Wow Festival an der Grenze. Und überall verfolgt dich dieser Indianer mit den Adlerfedern. Regisseur İlker Çatak, für sei- nen Kurzfilm „Sadakat“ mit dem Studenten-Oscar ausgezeichnet, ist selbst in so einer Hamburger Plattenbausiedlung aufgewachsen. Für ihn ist die Peripherie nicht Endstation Sehnsucht, sondern Herausforderung. In seiner Adaption von Nils Mols Jugendroman kreiert er einen abenteu- erlich bunten Kosmos als Spiegel der Gefühle oder Assoziationen. Ein wilder und betörender Stilmix für Zuschauer jeden Alters. (sc) AB 19. OKTOBER R: İlker Çatak; D 2017; D: Leonard Scheicher, Johanna Polley, Emilia Schüle ★★★★★ Daniel Hope – Der Klang des Lebens Sein Ton ist unverkennbar: klar, schnörkellos, kraftvoll, dabei voller Gefühl. Daniel Hope ist einer der bedeutendsten Geiger der Gegenwart, und der Hamburger Regisseur Nahuel Lopez hat ihn porträtiert. Und mehr als das. Lopez begleitet den 44-Jährigen auch auf der Suche nach dessen Wurzeln und einer Antwort auf die Frage: Was macht Exil mit einem Menschen? Denn gleich zwei Mal wurde Hopes Familie vertrieben: erst von den Nazis aus Ber- lin, später aus Südafrika. Sie fand in London eine neue Heimat, wo Hopes Mutter die Assistentin und der kleine Daniel ein Schützling Yehudi Mehunins wurde. Auch wenn der Fokus manchmal zu sehr weg von der Musik und hin zur Suche wandert, ist Lopez doch ein bemerkenswert komplexes, ästhe- tisches Werk gelungen. Ganz nah kommen wir dem so sympathischen Geiger, während der Film uns mit herrlicher Musik und betörenden Bildern verzau- bert: Kameramann Florian Kirchler bringt mit seinem Blick für Details die Schönheit des Alltäglichen zum Strahlen. (mas) AB 19. OKTOBER R: Nahuel Lopez; D 2017 ★★★★ ★
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