Oktober 2017
Die Orestie Die Tragödientrilogie von Aischylos hat es in sich: Im ersten Teil kehrt Aga- memnon nach Ende des zehnjährigen Trojanischen Krieges zurück nach Mykene. In der Zwischenzeit hat seine treulose Frau Klytaimnestra mit ihrem Liebhaber die Herrschaft übernommen. Sie tötet ihren heimkeh- renden Mann, dem sie nie verziehen hat, dass er einst die gemeinsame Tochter Iphigenie den Göttern geopfert hat. Die andere, kluge und wei- se, Tochter Elektra litt während Agamemnons Abwesenheit unter dem verwerflichen Treiben der Mutter. Sie überredete schließlich den Bruder Orest, die Mutter der beiden zu ermorden. Das Grauen seiner Tat lässt Orest keine Ruhe. Furchtbare Furien hetzen ihn von nun an von Land zu Land. In Athen, der Stadt der Göttin Pallas Athene, wird letztendlich über den Muttermörder gerichtet. Den hier verhandelten Zwiespalt zwischen Recht und Gerechtigkeit sieht Regisseur Ersan Mondtag auch als zentra- les gegenwärtiges Problem. „Das Tragödiengeschehen macht klar, dass es wichtig ist, als Zuschauer eine Haltung zu entwickeln.“ (hed) AB 21. OKTOBER Thalia Theater Yesterday never died Der Autor D. soll im Jahre 2014 für ein Theater eine Musikre- vue über Rassismus schreiben. Dabei geht es nicht um poli- tische Einmischung auf kul- tureller Ebene oder darum Position zu beziehen, son- dern nur um gute Publicity. Denn Rassismus ist gerade ein sehr „angesagtes“ The- ma. Doch während des Schaf- fensprozesses überholen ihn die Geschehnisse: Terroran- schläge erschüttern die Welt, Pegida-Märsche versammeln Tausende, Menschen flüchten vor Krieg und Gewalt aus ihrer Heimat nach Europa, ihre Unterkünfte werden abgefackelt, rechte Parteien erhalten immer mehr Zulauf. Die Schrecken der Realität machen es D. unmöglich die Revue fertigzustellen, denn Rassismus als seichte Unterhaltung wür- de die Ernsthaftigkeit des Zeitgeschehens verraten. (hed) 27.Oktober HausDrei (Eigenarten Festival) John Gabriel Borkman Das Hamburger Theaterfestival holt noch bis zum 6. November hervor- ragende Inszenierungen aus dem deutschsprachigen Raum in die Stadt. Eine davon ist „John Gabriel Borkman“ vom Burgtheater Wien mit der großartigen Birgit Minichmayr. In dem Stück von Henrik Ibsen aus dem Jahre 1896 versuchen sich die aus dem Leben gefallenen Eheleute Bork- man mit aller Macht in der Gesellschaft zu rehabilitieren. John Gabriel Borkmann, ehemaliger Bankdirektor, saß acht Jahre wegen Veruntreu- ung im Gefängnis. Jetzt lebt er auf dem Dachboden, während sich seine Frau Gunhild, die ihm diese Schmach nicht verzeiht, ins Erdgeschoss des Hauses zurückgezogen hat. Als Gunhilds schwer kranke Schwester Ella bei ihnen einzieht, entbrannt ein erbitterter Kampf um den Sohn. Denn während des Bankrotts der Borkmanns hat Ella diesen großgezogen und erhebt jetzt Ansprüche auf ihren Neffen als Sterbebegleiter. Aber Gunhild erwartet von ihm eine Karriere, um den guten Ruf der Familie wiederher- zustellen und Borkman will ihn für sein Comeback einspannen. Überfor- dert von den Ansprüchen zieht sich der Junge vollkommen zurück. Eine Kritik am Wertesystem des bürgerlichen Europas nach der Finanzkrise vom australische Regisseur Simone Stone. (hed) 14.+15. OKTOBER Thalia Theater (Hamburger Theaterfestival) Foto: Reinhard Werner Foto: Lalo Jodlbauer theater 34 Rose Bernd Rose Bernd ist eine starke Frau, die von der selbstgerechten Eng- stirnigkeit und gefühls- kalten Habgier einer Gesellschaft in den Ab- grund getrieben wird. Auf Wunsch ihres religiö- sen Vaters willigt sie in die Hochzeit mit dem traumatisierten aber wohlhabenden Buchbinder August Keil ein. Bevor sie ihm das Ja- Wort gibt, trifft sie sich noch ein letztes Mal mit ihrem Liebhaber, dem verheirateten Flamm. Bei ihrem Stelldichein werden sie von dem gewissenlosen Streckmann erwischt, der sie daraufhin mit körperlicher und seelischer Gewalt in seinen Klauen hält. Als sie auch noch schwanger wird, verstrickt sie sich immer tiefer in ihren eigenen Taten, aus denen sie keinen Ausweg findet. Gerhart Haupt- manns Meisterwerk entstand, nachdem er als Geschworener dem Prozess einer Kindsmörderin beiwohnte und er eine Antwort auf die Frage suchte, was treibt eine Mutter an, ihr Kind zu töten. (hed) AB 1. OKTOBER Schauspielhaus Foto: Armin Smailovic
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MzU5OTQ1