hamburg:pur September 2024

Foto: G2 Baraniak THEATER THEATERNACHT Mehr Theater am Stück geht nicht Bevor Hamburgs Theater ihre abendfüllenden Spezialitäten auf­ tischen, locken sie zu Beginn der Spielzeit mit anregenden Appetit­ häppchen. Isabella Vértes-Schütter, Intendantin des Ernst Deutsch Theaters, schaut zurück auf das Erfolgsmodell, das in diesem Jahr 20. Jubiläum feiert Die höchste Beteiligung lag in der Vergangen- heit bei 40 offenen Häusern, 2024 laden 35 Büh- nen mit über 200 Programmpunkten zu exklu- siven Premierenvorschauen, Einblicken hinter die Kulissen, Künstlergesprächen, Kostümver- käufen, Mitmach-Theater, Workshops und Füh- rungen ein. Anlässlich des Jubiläums halten sie eine Überraschung bereit: „Diemeisten teilneh- menden Theater möchten zum 20. Jubiläum den Besucher:innen der Theaternacht ein An- gebot machen, das 20 Prozent Ermäßigung für ausgewählte Veranstaltungen in der kommen- den Spielzeit beinhaltet“, verrät die Intendantin des Ernst Deutsch Theaters. Ebenfalls neu ist das Ticket für Theatergänger U30 – weil diese Zielgruppe bislang fehlte? „Die Theaternacht war schon immer für alle da, und es gab immer Programm für diese Zielgruppe – jetzt gibt es erstmals ein Ticket für junge Erwachsene.“ Zwi- schen 10.000 und 16.000 schwankten die Be- sucherzahlen in den beiden Jahrzehnten, die höchste Zahl wurde 2013 erreicht. Corona hat auch der Theaternacht Einbußen beschert. Isabella Vértes-Schütter: „Nach Corona fanden sich 7000 Besucher:innen ein. Jetzt haben wir das Ziel, die 10.000 wieder zu erreichen!“ Text: Dagmar Ellen Fischer Vollständiges Programm unter: theaternacht-hamburg.org führt. Natürlich hat sich im Laufe von zwanzig Jahren einiges entwickelt: „Für Menschen mit Gehbehinderung bieten fast alle Theater einen barrierefreien Zugang. Einige Häuser bieten Hörverstärkung an, vereinzelt wird Gebärden- sprache und Audiodeskription angeboten“, so Vértes-Schütter. Und: „Immer stärker ist auch die Freie Szene in die Theaternacht eingebun- den.“ Diese Gruppen nutzen mitunter die Spiel- stätten der Mitgliedstheater oder zeigen sich open air; so bespielte das Impro-Theater-En- semble „Steife Brise“ 2022 eine Fläche vor dem Hauptbahnhof in der Nähe des Ohnsorg-Thea- ters. Nicht in jedem Jahr ist die Besetzung gleich, manche Theater nehmen sich hin und wieder eine Auszeit. „Das hat unterschiedliche Gründe, bei einigen Theatern sind es Baumaß- nahmen, die eine Teilnahme nicht ermöglichen, oder auch die Verfügbarkeit von Künstler:in- nen, da viele Häuser nicht auf ein festes En- semble zurückgreifen können.“ Geburtshelfer für die erste Ausgabe 2004 wa- ren Nils Loenicker (Alma Hoppe), Alexander Schulz (Inferno Events) und Corny Littmann. „Auf dessen Feier zum 50. Geburtstag wurden erste Pläne gemacht“, erinnert sich Isabella Vértes-Schütter. „Einige Theater mussten zu- nächst von der Idee überzeugt werden, denn es ging ja darum, auf eine Vorstellung und die entsprechenden Einnahmen zu verzichten. Aber die Häuser haben schnell erlebt, dass der gemeinsame Auftritt alle voranbringt.“ 24 Thea- ter öffneten in der ersten Nacht ihre Türen. Und – sofern sie noch existieren – sind sie bis heute dabei. Eine Karte kostete damals acht Euro an der Abendkasse, sechs Euro im Vor- verkauf. Seinerzeit wurde zu diesem Anlass als Träger der Theaternacht der Verein Ham- burger Theaternacht e. V. gegründet (heute heißt er Hamburger Theater e. V., da er zusätz- liche Aufgaben übernahm). „Aktuell hat der Verein 38 Mitglieder, die aber für 48 Spielstät- ten stehen, da einige Mitglieder mehrere Spiel- stätten haben, wie beispielsweise die Stäitsch Theaterbetriebs GmbH.“ Bei rund 60 Theatern in Hamburg ist in Bezug auf die Mitgliedschaft also noch Luft nach oben. Von Anfang an gab es eine Aftershow-Party nach Schließung der Theater ab Mitternacht, das Angebot eines Bus-Shuttles sowie ein Nachmittagsprogramm für Kinder und Jugend- liche. Das Familienticket wurde 2013 einge- Am 14. September steigt ein großes Fest – auch mit Einblicken in die deutsche Erstaufführung von „Der Kuss“ im Sprechwerk 10 Herr Puntila und sein Knecht Matti Bekanntlich ließ sich Bertolt Brecht von anderen Schreibtalenten inspirieren – freundlich formuliert. Das gilt auch für „Herr Puntila und sein Knecht Matti“: Das Theaterstück entstand während Brechts Exil in Finnland und verarbeitet eine Textvorlage seiner dortigen Gastgeberin Hella Wuolijoki. ImMittelpunkt stehen Grundbesitzer Puntila, dessen Tochter Eva, deren potenzieller adeliger Bräutigam und Chauffeur Matti. Im betrunkenen Zustand ist Puntila ein gera- dezu jovialer Zeitgenosse, nüchtern indes einfach unerträglich. Folglich ändern sich seine Meinungen mit demAlkoholspiegel, und das macht ihn unbere- chenbar. Seine Tochter will er launisch mal mit dem Adeligen, dann wieder mit Matti verheiraten. Im ge- reimten Prolog nennt Brecht seinen Puntila ein „vor- zeitliches Tier“, das längst ausgestorben sein sollte. Hier setzt auch Karin Beiers Inszenierung an. (def) 22. SEPTEMBER (PREMIERE), 27. SEPTEMBER und weitere Termine; Schauspielhaus THEATER Foto: Rocket&Wink Foto: Sinje Hasheider 31.8. – 25.9.2024 ALTES LAND NACH DEM ROMAN VON DÖRTE HANSEN

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