hamburg:pur September 2023

Foto: DCM/Mike Krueger Foto: Sputnik Oy/Pandora Film/Malla Hukkanen FILM Sophia, der Tod und ich Erst stehen drei beseelte Zeuginnen Jehovas vor der Tür, wenig später der Tod persönlich. Oder vielmehr ein Tod, wie der in Weiß getünchte und Mephisto-like befrackte Morten de Sarg (Marc Hosemann) den in Melancholie versunkenen Reiner (Dimitrij Schaad) belehrt. „Ich kann ja nicht jeden Todgeweihten selbst ab- holen“, schiebt er hinterher. Unglücklicherweise klingelt wenig später Reiners Ex-Freundin Sophia (Anna Maria Mühe) und der Tod verpasst sein dreiminütiges Zeitfenster, um Reiner ins Jen- seits zu befördern. Und schon hängt sich der Tod an Sophia und Reiner. Die wollen – oder müssen – zu Reiners Mutter (Johanna Gastdorf) nach Juist. „Der Tod imAnarcho-Urlaub“, jubelt Morten auf der Zugfahrt. Und der morbide Roadtrip setzt sich fort: Bevor Reiner stirbt, will er noch einmal seinen Sohn treffen, den er noch nie gesehen hat, dem er aber jeden Tag eine Postkarte schreibt. Also machen sich die vier auf den Weg. Es ist eine hürdenreiche, abenteuerliche Reise voller Tränen, Glücksmomente und skur­ riler Begegnungen, unter anderemmit einem anderen Tod (Carlo Ljubek), dem Erzengel Michaela (Lina Beckmann) und dem All- mächtigen leibhaftig (Josef Ostendorf). Schauspieler Charly Hübner hat in seinem Regiedebüt „Sophia, der Tod und ich“ den gleichnamigen Roman von Thees Uhlmann als schräges Roadmovie inszeniert, mal philosophisch, mal psy- chedelisch und stets schwarz-humorig. Was Traum oder Realität ist, Jenseits oder Diesseits, Himmel oder Erde, ist gar nicht im- mer zu verorten. Zu Beginn ist da ein verlassenes Parkdeck mit nur einer in Dunkelheit getauchter Imbissbude, eine weißhaarige Frau (Beckmann) stellt die Klappe hoch und schaltet die Leucht- reklame an, wenig später erscheinen die Tode, um ihre Aufträge abzuholen. Als Mork Mortus (Ljubek) bei Reiners Mutter auftaucht, um die von Morten verpatzte Killermission zu vollenden, fegt ein infernaler Sturm durch Haus und Garten. Hübner hat viele seiner Schauspielhaus-Kolleginnen und -Kollegen vereint, zusätzlich mit Schaad und Mühe einen großartiger Hauptcast gewonnen. Mit kleinen Abstrichen macht dieser Film, in dem sich das Publikum so herrlich verlieren kann, ganz einfach großen Spaß. (bs) AB 31. AUGUST D 2023; 98 Min.; R: Charly Hübner; D: Dimitrij Schaad, Anna Maria Mühe, Marc Hosemann ★★★★★ Fallende Blätter Freitagnacht in Helsinki. Nur widerwillig folgt Holappa (Jussi Va- tanen) seinem Kumpel zum Karaoke-Abend in die Bar: „Starke Männer singen nicht“, so seine Überzeugung. Der eher schweig- same Arbeiter haust in einemContainer auf der Baustelle, er trinkt zu viel, ist depressiv, doch dann trifft er auf die scheue, etwas mürrische Supermarktangestellte Ansa (grandios: Alma Pöysti), wie Holappa um die 40 und ebenso einsam. Stoisch haben beide die Trostlosigkeit am Rande der Gesellschaft ertragen, aber die Suche nach der großen, einzigen und endgültigen Liebe trotz aller Enttäuschungen nie aufgegeben. Ihr erstes Date führt ins Arthouse-Kino zum Zombie-Epos „The Dead Don’t Die“ von Regisseur Jim Jarmusch (ein begeisterter Kaurismäki-Fan). Was so vielversprechend beginnt, scheitert zu- nächst an verlorenen Telefonnummern, der Unkenntnis von Na- men und der Adresse des anderen. Verzweifelt lungert Holappa vor dem Kino herum, raucht eine Zigarette nach der anderen, während Ansa daheim auf das Telefon starrt, die Stille nur unter- brochen von den Radio-Nachrichten über den Krieg in der Ukraine. Und genau der Gedanke an diese Kriege quälte Aki Kaurismäki („Die andere Seite der Hoffnung“), den Meister der Melancholie, und war Auslöser für „Fallende Blätter“. Eigentlich hatte der fin- nische Regisseur keine Filme mehr drehen wollen, doch seiner Ansicht nach braucht es Themen mit einer Chance auf mehr Humanität. Beglückend, die Rückkehr in den wohlvertrauten Kaurismäki- Kosmos mit seinen wortkargen, spröden Proletarier-Helden, der unverwechselbaren Achtziger-Jahre-Atmosphäre – schon damals aus der Zeit gefallen und doch politisch aktuell. Wundervolle­ Rot- und Blautöne durchbrechen die Schäbigkeit des sozialen Abseits. Die lakonische, zärtliche Lovestory ist eine hinreißende Hommage an Filmemacher wie Bresson, Ozu und vor allemChar- lie Chaplin, sie reflektiert auch frühere Werke des Autorenfilmers, der schon immer auf magische Weise die Kunst der Aussparung beherrschte. Musikalisches Highlight: der Live-Auftritt des Pop- Duos Maustetytöt. (ag) AB 14. SEPTEMBER FIN/D 2023; 81 Min.; R: Aki Kaurismäki; D: Alma Pöysti, Jussi Vatanen, Janne Hyytiäinen ★★★★★ hamburg:pur Aktion! Für die Preview von „Fallende Blätter“ mit anschließendem Konzert der finnischen Band Maustetytöt am 15.9., 20 Uhr in den Zeise Kinos verlosen wir 10 x 2 Karten. E-Mail mit Name, Betreff „Fallende Blätter“ an verlosung@szene-hamburg.com ; Einsendeschluss: 12.9. 24 DAB+ HH & SH I App Alle Infos unter rockantenne.hamburg UKW 106,8 Radio an! Jetzt App rock'n

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