hmburg:pur September 2022

Foto: Majestic/Christine Schroeder FILM DRAMA AUS DEM NORDEN Liebevolles Kuddelmuddel Mit dem Film „Mittagsstunde“ gelingt dem Regisseur Lars Jessen eine melancholische Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Dörte Hansen – mit einem großartigen Charly Hübner in der Hauptrolle Es ist wohl eine der berührendsten Szenen in Lars Jessens „Mittagsstunde“, die nur in we- nigen Momenten die ganze spröde Magie die- ses Films einfängt und so viel über seine Figu- ren und die Geschichte erzählt. Da sitzt Ingwer (Charly Hübner) mit seiner „Mudder“ Ella (Hil- degard Schmahl), eigentlich ist es seine Groß- mutter, auf einer Bank auf dem Friedhof vor demGrab des ehemaligen Lehrers. Der, so er- fährt Ingwer, war sein Vater, nicht Sönke, jener Mann, den er sein Leben lang Vadder genannt hat. Sie sitzen da, der Blick in die Ferne gerich- tet. „Das ist aber auch ein Kuddelmuddel mit uns“, ist das Einzige, was Ingwer sagt. Und es ist eine Szene, die das großartige Spiel von Hübner mit seiner zurückgenommenen Mimik und Gestik, die doch die ganze Aufgewühltheit seiner Figur erfahrbar macht, offenbart. „Mittagsstunde“, nach dem gleichnamigen Bestseller von Dörte Hansen, ist die Geschichte der Veränderung, des Verfalls einer alten Welt, des Älterwerdens und der Zerrissenheit zwi- schen diesen beiden Welten und Zeiten. Ing- wer ist 47 Jahre alt und Dozent an der Uni in Kiel. Als seinen Eltern das selbstständige Le- ben in dem fiktiven Brinkebüll irgendwo im nordfriesischen Nirgendwo immer schwerer fällt, kehrt er in die Heimat zurück. Auf ver- schiedenen Zeitebenen erzählt der Film, wie auch die Romanvorlage, von der Gastwirtfa- milie Feddersen, von Ellas und Söhnkes Toch- ter Marret (Gro Swantje Kohlhof), der „Verdreih- ten“, wie sie liebevoll im Dorf genannt wird. Hier macht keiner ein Gewese um die Dinge, auch nicht, als Marret schwanger wird und we- nig später verschwindet. Er erzählt von einer Zeit, als sich die Straßen noch durch Orte und Landschaften schlängelten, Störche auf dem Kirchturm nisteten, bis die Flurbereinigung kam, die kleinen Höfe starben, die Landma- schinen größer wurden, die Mittagsruhe mit all ihren Heimlichkeiten verschwand. Es ist eine melancholische, berührende Liebeserklärung an einen Landstrich mit einem ganz besonde- ren Menschenschlag, unaufgeregt, stoisch, ein wenig eigen und unglaublich liebenswert, die Lars Jessen mit seinem großartigen Cast teils auf Plattdeutsch (Hochdeutsch untertitelt) grandios inszeniert. Text: Britta Schmeis AB 22. SEPTEMBER D 2022; 93 Min.; R: Lars Jessen; D: Charly Hübner, Gabriela Maria Schmeide, Rainer Bock ★★★★ ★ hamburg: pur Aktion! Wir verlosen für die Preview von „Mittags­ stunde“ am 11. 9., 11 Uhr, mit Regisseur Lars Jessen und dem Kurzfilm „Krugsterben“ in den Zeise Kinos 20 x 2 Karten. E-Mail mit Name und Betreff „pur“:Mittagsstunde“ an verlosung@ szene-hamburg.com ; Einsendeschluss: 8. 9. 22 Foto: CAMINO Filmverleih FILM Die Zeit, die wir teilen Einfach macht es Laurent Larivière demPublikum nicht in seiner zweiten abendfüllenden Regiearbeit, die von Anfang an zwischen unterschiedlichen Zeitebenen hin- und herwechselt. Es braucht eine Weile, bis man sich zurechtgefunden hat, ein Gefühl für die Figuren und ihre Beziehungen bekommt. Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist, das kristallisiert sich allerdings sofort heraus, die Verlegerin Joan Verra (Isabelle Huppert). Eine selbstbewusste Frau, die in Paris ihre große Liebe aus Jugendtagen wiedertrifft. Nach dieser zufälligen Begegnung fährt sie in ihr Landhaus, wo sie immer mehr in die Welt ihrer Erinnerungen abtaucht. Joan sei kühl und distanziert, beklagt an einer Stelle der leiden- schaftlich-selbstzerstörerische Autor TimArdenne (voll in seinem Element: Lars Eidinger), der sich rettungslos in sie verliebt hat. Ein Vorwurf, den man Larivières Film sicherlich nicht machen kann. „Die Zeit, die wir teilen“ erweist sich vielmehr als flirrend bebil- derter Spaziergang durch ein Leben mit Brüchen und Enttäu- schungen, über die wir die Protagonistin mehr und mehr kennen- lernen. Wobei Vorsicht geboten ist: Joans Rückblicke und Gedan- ken sind, wie eine Enthüllung gegen Ende zeigt, stark von Wün- schen und schmerzhaften Erfahrungen geprägt. Dass keine objektive, sondern eine subjektive Sicht vorherrscht, unterstreichen schon die schwankende Tonlage und die sich oft verändernde optische Gestaltung. Der Regisseur zieht viele Re- gister, kann aber nicht mit allen Kniffen überzeugen. Die Brechung der vierten Wand etwa wird willkürlich eingesetzt. Und gelegent- lich gibt es merkwürdige Einschübe, deren Sinn sich nicht er- schließen will. Bestes Beispiel: eine völlig aus dem Rahmen fal- lende Sexszene mit einem Oktopus. Ausdrucksstark wie eigent- lich immer spielt Isabelle Huppert gegen die Unebenheiten an und schafft es mehrfach, demmäandernden Drama eine emotionale Tiefe zu verleihen. Auch auf der Zielgeraden, wo sich der erwähnte Twist offenbart, der bestimmt nicht jedem gefallen wird. (cd) AB 31. AUGUST D/F/IRL 2022; 101 Min.; R: Laurent Larivière; D: Isabelle Huppert, Lars Eidinger, Freya Mavor ★★★ ★★ 25.10.2022 | HAMBURG K O N Z E R T E 2 2 / 2 3 06.10.22 GRUENSPAN 25.10.22 LAEISZHALLE KLEINER SAAL 19.05.23 SPORTHALLE 12.12.22 BARCLAYS ARENA . SEPT — . OKT TICKETS ERHÄLTLICH AB 15. SEPTEMBER PASSAGE · CINEMAXX DAMMTOR · ABATON METROPOLIS · STUDIO-KINO ZU GAST: MOLODIST KYIV INTERNATIONAL FILM FESTIVAL Medienpartner 23

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