Septermber 2020

Kritiken Foto: Alamode Film Foto: Arsenal Filmverleih der Behauptung durchaus Glaubwürdigkeit ver- leiht. Zudem erinnert sich einer der Soldaten, dass der Hauptsturmführer Koch (Lars Eidinger), die persische Sprache lernen will, um in Tehe- ran ein deutsches Restaurant zu eröffnen. Gilles wird zu ihm gebracht, gibt vor Persisch zu sprechen und unterrichtet den SS-Mann fortan in einer Sprache, die er sich komplett ausdenkt: Wort für Wort, Satz für Satz, erfunden um zu überleben. Das ist nicht nur eine unfassbare Ge- dächtnisleistung, sondern ein gefährliches Spiel. Jeder Fehltritt kann den Tod bedeuten, zumal Koch ein zu cholerischen Wutanfällen neigen- der Kommandant ist. In einer zentralen Film- szene fragt dieser Gilles, was Baum auf Persisch heißt. Gilles antwortet mit „radz“. Nur hat er das Wort schon mal genutzt, um Brot zu über- setzen: Das wird ihm zum Verhängnis. Regisseur Vadim Perelmann („Haus aus Sand und Nebel“) ist mit „Persischstunden“ ein span- nendes, intensives Drama über den Überlebens- willen des Menschen und die Macht der Spra- che gelungen – gespickt mit vielen packenden, wenigen witzigen und einigen dramatischen Momenten. Während die Nebenrollen etwas eindimensional und teils stereotyp dargestellt sind, brilliert Lars Eidinger („25 km/h“) mit sei- ner zwischen Kontrolle, Menschlichkeit und emotionalen Ausbrüchen abrupt wechselnden Performance und Nahuel Pérez Biscayart („120 BPM“) mit seiner vorwiegend über die Augen und über die Sprache ausgedrückten Verletz- barkeit, Unsicherheit und Intelligenz. Beide Darstellungen kulminieren in unvergesslichen Schlussszenen mit emotionaler Wucht. Marco Arellano Gomes AB 24. SEPTEMBER D, Russland 2019; 127 Min.; R: Vadim Perelman. D: Nahuel Pérez Biscayart, Lars Eidinger, Jonas Nay ★★★★★ Corpus Christi Dieses Gesicht wird man so schnell nicht vergessen. Mit seinem stechen- den Blick und seinem fast totenkopfartigen Schädel hinterlässt der Pro- tagonist von Jan Komasas drittem Spielfilm einen bleibenden Eindruck. Entschlossenheit spricht aus seinen markanten Zügen. Gleichzeitig wirkt der 20-jährige Daniel (Bartosz Bielenia), der im Zentrum einer von wah- ren Begebenheiten inspirierten Hochstaplergeschichte steht, aber auch wie ein Getriebener. Zu Beginn führt uns der Regisseur in den rauen Alltag einer Jugendstraf- anstalt ein. Eben hier hat der junge Mann zu Gott gefunden und greift demGefängnispfarrer nach besten Kräften unter die Arme. Daniel möchte selbst den Priesterweg einschlagen. Ob seiner Vorstrafen stehen die Aussichten jedoch denkbar schlecht. Als er den Knast verlassen darf und auf die Wiedereingliederung vorbereitet wird, tut sich plötzlich eine ver- lockende Gelegenheit auf: In einer kleinen Gemeinde kann er sich er- folgreich als Geistlicher ausgeben und schafft es tatsächlich, vorüberge- hend den Posten des amtierenden Seelsorgers zu übernehmen. Diese Ausgangslage hätte den Boden für eine heiter-anspruchslose Ver- wechslungsposse bereiten können. Jan Komasa verfolgt mit seiner preis- gekrönten Arbeit allerdings andere Ziele. „Corpus Christi“ ist ein mit kleinen humoristischen Pointen garniertes Drama, das von der Suche nach Erlösung und dem Umgang mit Schuld erzählt. Mit eher nüchter- nem Blick nähert sich die Kamera Daniels Schwindel, der in der durch ein traumatisches Ereignis zerrissenen Dorfgemeinschaft nach und nach heilende Kräfte freisetzt. Der Film spielt mit der Frage, ob die Betrüge- reien der Hauptfigur auffliegen, ist aber nicht in konventionellem Sinne auf Spannung getrimmt. Intensität gewinnt das Geschehen auf der Lein- wand vor allem durch den elektrisierenden Auftritt von Bartosz Bielenia, der für seine ebenso mitreißende wie facettenreiche Performance wäh- rend der Berlinale 2020 als einer von zehn europäischen Shooting Stars ausgezeichnet wurde. Der Überraschungsfilm ist sogar für den Oscar als Bester internationaler Spielfilm nominiert worden. (cd) AB 3. SEPTEMBER Polen, F 2019; 116 Min. R: Jan Komasa. D: Bartosz Bielenia, Aleksandra Konieczna, Eliza Rycembel ★★★★ ★ hamburg: pur Aktion! Für die Preview zum Film „Persischstunden“ am 23.9., 20 Uhr in den Zeise Kinos verlosen wir 10x2 Karten. E-Mail Betreff „pur: Persischstunden“ und Namen an verlosung@vkfm.de; Einsendeschluss: 20.9. 39

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI2ODAz