September 2019

44 FILM FILM er wollte damals nie mehr Hebräisch sprechen – Traumata des Militärdienstes. Der in Tel Aviv geborene Regisseur spielt Klischees gekonnt gegeneinander aus, er konzentriert die Kame- ra ganz auf die Empfindungen seines Protago- nisten, ignoriert genau wie er die Pracht der französischen Metropole. Entstanden ist eine fulminante politische Farce von ungebändigter Kraft, obszön, provokant, hyperintelligent, äs- thetisch virtuos, verstörend in der Tradition von Jean-Luc Godard. Dieses Filmpuzzle mit seiner grausamen Komik wird polarisieren: Ju- den mit Heugabeln machen Jagd auf Nazis mit Schäferhunden, und die französische Marseil- laise entpuppt sich blutrünstiger als erwartet. Sarah Castell AB 5. SEPTEMBER F/ISR/D 2019; 124 Min.; R: Nadav Lapid; D: Tom Mercier, Quentin Dolmaire, Louise Chevillotte. Hamburger Premiere mit Regisseur am 4.9., Abaton Kino, 20:00 Uhr ★★★★★ Der Berlinale-Gewinner kommt ins Kino: eine fulminante politische Farce von Nadav Lapid über einen traumatisierten Israeli in Paris Schrecklich schön Foto: Grandfilm Ein athletischer junger Mann mit Rucksack be- zieht Quartier in einer riesigen leeren Pariser Wohnung. Er duscht, onaniert, währenddessen verschwinden seine wenigen Habseligkeiten. Ver- zweifelt rennt er nackt durch das kalte Treppen- haus, hämmert gegen die Türen. Niemand öffnet. Am nächsten Tag entdecken ihn Hausbewohner bewusstlos und halb erfroren in der Badewanne. Émile und Caroline umsorgen ihn fürsorglich, be- gierig zu erfahren, wer der Fremde mit diesem fast provozierend schönen Körper sein mag. Yoav (grandios: Tom Mercier) ist Israeli. Der Ex- Soldat empfindet seine Nationalität als bösar- tigen Tumor, den er um jeden Preis loswerden muss. In der Stadt der Liebe und des Lichts hofft er auf Erlösung, als Franzose will er sich neu er- finden. Nie mehr soll ein hebräisches Wort über seine Lippen kommen. Von seinen beiden wohl- habenden Gönnern mit Geld, iPhone und senf- gelbem Hipster-Mäntelchen ausgestattet, be- ginnt das neue Leben – und eine zerbrechliche Dreiecksbeziehung aus Generosität und Aus- hamburg: pur Aktion! Für die Hamburger Premiere in Anwesenheit des Regisseurs am 4.9., 20 Uhr, im Abaton Kino verlosen wir 5x2 Karten. E-Mail mit Betreff „pur:synonymes“ an verlosung@vkfmi.de ; Einsende- schluss: 3.9. SYNONYMES beutung: Der Möchtegern-Schriftsteller Émile ist scharf auf die seltsamen Erlebnisse seines Schützlings, die Oboistin Caroline interessiert mehr der Sex. Rastlos streift Yoav durch die Straßen, sein stän- diger Begleiter ist ein kleines französisches Wörterbuch. Fortwährend murmelt er Synonyme vor sich hin, die antiquierten Wortkaskaden klin- gen wie beschwörende Gebete. Den Blick hält er gesenkt; er starrt aufs regennasse Pflaster und auf schlanke Frauenbeine, verweigert den An- blick der Seine und der touristischen Sehens- würdigkeiten: Er will sein eigenes authentisches Paris kreieren, um so mit der Stadt eins zu wer- den. Doch die Gespenster der Vergangenheit lassen ihn nicht los. Erinnerungsfetzen durch- kreuzen die Gegenwart, im Rhythmus eines fran- zösischen Chansons feuert er als Soldat mit dem Maschinengewehr auf eine Zielscheibe. In „Synonymes“, dem diesjährigen Berlinale- Gewinner, verarbeitet Nadav Lapid zum Teil Er- fahrungen seines Frankreich-Aufenthalts. Auch

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI2ODAz