September 2019
MUSIK 21 verändert. Meine Idee war anfänglich: Um 8.10 Uhr, wenn meine Tochter in der Schule ist, habe ich eine gute Idee und bis 11 Uhr einen Song daraus gemacht. Ich wollte dieses Mal über Spontaneität gehen, zack, zack, zack. Und? Ist nichts draus geworden. Es hat sechs Jahre gedauert, bis ich ein Album zusammen hatte. Ich habe ein fast fertiges Album weggeschmissen, ein ganzes Jahr nachgedacht und dann neu angefan- gen. Das war hart und tat weh. Ist wohl meine Art der Tätowierung … … die beim Publikum ankommt, dein Gesang über Liebe kommt immer lauter zurück. Neben deiner Musik wurde auch dein 2015 erschie- nener Roman „Sophia, der Tod und ich“ von der breiten Masse sehr gemocht. Was macht so viel Liebe mit dir? (überlegt lange) Ich glaube, nichts. Ein Großteil der Leute, die mich liebhaben, scheißt sich nichts, wie man auf Österreichisch sagen würde. Was meinst du damit? Die Leute sagen sich halt: Bei einem Thees-Uhl- mann-Konzert wird keine Karriere geplant, der Typ singt einfach nur über das, was in seinem Kopf vor sich geht. Das entspannt sie und zieht sie gleich- zeitig in eben diese Liebe zu meiner Musik. Das erste Stück auf deinem neuen Album hat den Titel „Fünf Jahre nicht gesungen“, hätte aber auch heißen können: „Zwei Jahre nicht gesungen“. Angeblich hattest du schon 2016 das angesprochene fertige Album. Richtig. Allerdings ist mir die Platte in meinen Hän- den zerronnen. Als Künstler hat man ja ziemlich schnell eine Ahnung, wenn etwas nicht so richtig gut ist, und mir hat das damals nicht gefallen, deshalb ist es nicht erschienen. Mein Umfeld hat das verstanden, ich durfte noch mal von vorne anfangen. Dazu muss man sagen, dass es ein ganz schön großes finanzielles Unterfangen ist, wenn ich sage, dass es in dem Jahr noch nichts mit einer neuen Platte wird – und in dem darauf auch nicht. Was genau hat dich an der ersten Albumver- sion gestört? Da muss ich etwas ausholen. Ich mache Kunst nicht alleine. Ich mag es, wenn mich Freunde be- raten, und jemand meinte vor dem Schreiben der ersten Songs zu mir: „Komm, mach mal wieder so Tomte-mäßige Texte!“ Also habe ich es pro- biert – und es hat überhaupt nicht funktioniert. Im Unterstrom kam dann das Nachdenken über einen riesigen Komplex. Welchen Komplex? Ich erzähle mal die Kurzversion: Ich bin 1974 ge- boren, habe 1986 angefangen, zu denken. 1989 ging die Mauer auf, kurz danach kamen Grunge und Riot Grrrl. Dann wurde Europa größer und Obama gewählt. Als er Präsident wurde, war das ein in meinen Augen riesiger Hoffnungsschimmer für die Welt – und dann gab es plötzlich Trump, Brexit und AfD, und ich dachte: Das kann doch nicht angehen! Wie hast du das alles verarbeitet? Das Erste bei Trump war, dass meine Tochter mich gefragt hat, wie so jemand gewählt werden konnte. Also ein Mensch, der sich komplett gegen ihre und meine Erziehungsrichtlinien richtet: Anstand, Mo- ral, alle Menschen erst mal gleich. Erklär das mal einer Siebenjährigen: Trump, gewählt von Frauen, von Männern, nach Nirvana, nach der Maueröff- nung und nach 150 Jahren Philosophie. Ich habe konstant jede Sekunde darüber nachgedacht. Am Ende ging das Schreiben einer Tomte-mäßigen Platte einfach nicht mehr. Und dann? Ich habe meine Sprache verlängert, direkter und irgendwie härter gemacht. Sodass diese Aufruhr, diese Unrast in mir irgendwie kanalisiert und wie- dergegeben werden konnte. Interview: Erik Brandt-Höge 27. SEPTEMBER 19:30 Uhr; Große Freiheit 36 (ausverkauft); 17.+18. DEZEMBER 20:00 Uhr; Große Freiheit 36
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