September 2018
33 THEATER Oper gemixt mit Hamburger Subkultur RING & WRESTLING Foto: Frank Egel dieser Riege stoßen in jeder Folge neue Gäste, wie man das aus Telenovelas kennt. Freya, zum Beispiel, Frickas Schwester. Inhaltlich geht es ja da weiter, wo Wagner auf- hört: Den Göttern dämmert’s, dass sie nicht mehr gebraucht werden, doch das wollen sie nicht hin- nehmen… Walhall ist abgebrannt, die Götter sind auf der Flucht, wollen aber ihre Macht unbedingt zurück- gewinnen. Dabei soll ihnen ein Held, ein neuer Siegfried helfen. Hier kommen die Wrestler aus der Kultveranstaltung „Rock & Wrestling“ von St. Pauli ins Spiel: Kandidaten wie „The One and Only“ und Pinkzilla bewerben sich, aber auch Haidi Hit- ler, die große Wagner-Kennerin. Wird es eine Persiflage auf Wagner-Opern? Nein, wir nehmen die Arbeit sehr ernst, das Gen- re wird keineswegs nieder gemacht. Mich als Re- gisseur interessieren dabei verschiedene thea- tralische Ausdrucksformen. Wrestling hat viel von einer griechischen Tragödie, vom Kampf Gut gegen Böse. Es sind Haltungen, die gegeneinan- der antreten. Ich wollte die klassische Oper mit Hamburger Subkultur verbinden. Was passiert musikalisch oder: Wie viel Wagner bleibt? Anteilig kann ich das nicht benennen. Der mu- sikalische Leiter Leo Schmidthals, bekannt als Bassist der Band Selig, nimmt Puzzleteile aus Wagner-Kompositionen. Die spielt ein fünfköpfiges Orchester live, verfremdet durch elektronische Musik. Ich bin sicher, auch Richard Wagner hätte Quadrophonie genutzt, wenn er die Chance gehabt hätte – er war Künstler. Außerdem ist Punkrock aus der Westling-Szene zu hören sowie Rezitative aus den Opern, also in beiden Fällen extreme Musik. Die einen singen göttergleich, die anderen bewe- gen sich in ihremMetier, wie verbinden sie sich? Die Opernsänger entwickelten während der Pro- ben eine Affinität zum Wrestling, sie wollten wis- sen, wie es möglich ist, jemanden auf den Kopf zu knallen, ohne ihm das Genick zu brechen. Dahinter stecken ja Tricks, eine bestimmte Technik und cho- reografierte Bewegungsabläufe, wie beim Ballett. Darsteller aus beiden Metiers erzählen Geschich- ten auf der Bühne, spielen Theater. Haben Zuschauer ohne Kenntnisse des Wagner-Kosmos’ den gleichen Genuss? Ganz sicher, jeder Abend wird spektakulär. Wir er- zählen keine Story à la Nibelungen. Vielleicht ha- ben Wagner-Kenner manchmal mehr davon, weil sie in Pinkzilla den Drachen Fafner oder Facetten von Alberich in Wotan erkennen, aber andererseits gibt es auch Anspielungen auf die Wrestling-Szene. Für seinen „Ring des Nibelungen“ sah Wagner vier Abende vor. Sie planen fünf Folgen von „Ring & Wrestling“ an aufeinander folgenden Sams- tagabenden. Wird erwartet, dass das Publikum dranbleibt? Zu Beginn erzählt immer jemand, was bisher ge- schah, man kann also jederzeit einsteigen. Wrestling hat eine große Fangemeinde, und Wagner-Musik Legionen von Anhängern – aber gibt es eine Schnittmenge im Publikum? Vielleicht jetzt noch nicht. Aber das Publikum über- nimmt bei „Ring & Wrestling“ ja ebenfalls eine Rol- le, es spielt die Fans der jeweiligen Helden und ist eingeladen, Position zu beziehen, seine Favoriten anzufeuern. Ich hoffe sehr, dass sich Zuschauer aus beiden Bereichen treffen. Wird schließlich ein Siegfried-Nachfolger ge- funden? Ich will nicht zu viel verraten. Aber: Am Ende ist ein neues Walhall in Sicht!. Interview: Dagmar Ellen Fischer AB 7. SEPTEMBER Opera stabile Sie heißen Novelas und überschwemmen die Bildschirme. Noch nie indes gab es eine „operanovela“ auf der Bühne. Das ändert sich mit der Uraufführung von „Ring & Wrestling“. Ein Gespräch mit Regis- seur Dominik Günther, selbst ehemaliger Wrestler „Der Ring des Nibelungen“ mit jenem Ring zu- sammenzubringen, in den die Wrestler steigen, liegt nicht unbedingt auf der Hand. Ist der Begriff Ausgangspunkt für Gemeinsamkeiten? Dominik Günther: Nein, da gibt es andere. Beides ist martialisch, kraftvoll und nutzt Pathos. Eine Soap dreht sich meist um eine Familie, in diesem Fall sind es die Götter aus Wagners Opern: Wotan, seine Ehefrau Fricka, Wotans Tochter Brünnhilde, die er allerdings mit Erda zeugte, und Donner, ein Security-Mann, der in Brünnhilde verliebt ist. Zu
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjI2ODAz