hamburg:pur August 2023
THEATER andere Seelenlandschaft breitet das südafri- kanische Kollektiv Empatheatre mit dem Thea- terthriller „Isidlamlilo (The Fire Eater)“ aus. In einer Solo-Performance verkörpert die renom- mierte TV-Schauspielerin Mpume Mthombeni eine ehemalige Auftragskillerin, die im Rück- blick auf ihr früheres Leben einen kafkaesken Albtraum durchlebt. Einen Albtraum könnte man auch erwarten, wenn sich die Wiener Thea- tergruppe Nesterval mit „Die Namenlosen“ in Hamburg zurückmeldet – diesmal in der Ka- kaospeicher-Halle in der HafenCity – und sich mit der Verfolgung von Homosexuellen während der Nazizeit befasst. Siebold verspricht jedoch ein „extrem unterhaltsames Spiel, bei demman gar nicht merkt, wie die Zeit vergeht, obwohl es um ein ernstes Thema geht“. Nesterval invol- viert die Zuschauenden, ohne dass diese selber mitspielen müssen. Das fühle sich an wie ein „Parcours durch ein Filmset“. Die Aufführungen der Wiener Vorstellungen waren binnen Minu- ten ausverkauft. Viele Wiener hätten sich jetzt schon Karten für die Hamburger Vorstellungen gesichert. Frühzeitig Karten sichern sollte man sich auch für Florentina Holzingers Wasserspektakel „Ophelia’s Got Talent“, das zum diesjährigen Berliner Theatertreffen eingeladen wurde. „Man findet momentan wohl kein wirkungsmächti- geres und aufregenderes Stück im deutschen Theater“, schwärmt Siebold. Mit Houdini-Tricks, Ballett-Bezügen und kühnen Stunts extrahie- ren die Performancekünstlerin und ihre 21-köp- fige Crew eine Empowerment-Strategie aus der Kulturgeschichte der Wasserwesen. Mutig könnte man auch Carolina Bianchis Aus- einandersetzung mit sexualisierter Gewalt gegen Frauen nennen. In „The Bride and the Goodnight Cinderella“, das im Juli seine Ur- aufführung beim Festival d’Avignon feierte, nimmt die brasilianische Performerin K.-o.- Tropfen auf der Bühne und überlässt die Kon- trolle über ihren Körper den anderen. Ein ra- dikaler Akt in einemStück, das für Siebold „aus dem Herz der finsteren Gegenwart kommt“, wenn man etwa an die aktuellen Beschuldi- gungen gegen Rammstein-Sänger Till Linde- mann denkt, oder die noch ungeklärten Vor- fälle auf einemRoland-Kaiser-Konzert in Cott- bus. Trotz der vielen großen Namen betont Siebold den niedrigschwelligen Charakter des Som- merfestivals, auf dem man jeden Abend im Avant-Garten kostenlos Lesungen und Kon- zerte erleben, imMigrantpolitan das Solicasino besuchen und amWochenende an Kopfhörer- performances teilnehmen kann. Auch in den Hallen und an anderen Spielorten locken zahl- reiche Konzerte. So stellt die Hamburger Avantgarde-Pop-Band Station 17 ihr neues Al- bum vor, in der St. Gertrud Kirche führen der norwegische Saxofonist Bendik Giske und drei Tage später der Gospel-Chor The Voices of Creation in spirituelle Sphären. The Sun Ra Ar- kestra unterfüttert den Big-Band-Jazz mit den afrofuturistischen Visionen seines Namens- gebers, während in Kooperation mit dem Elbphilharmonie Sommer auch drei Konzerte imGroßen Saal der Elbphilharmonie anstehen: Nach Techno-Veteran Jeff Mills und Perkus- sionist Mulatu Astatke – dem „Erfinder des Ethiojazz – entfaltet das belgische Vokal ensemble Graindelavoix mit einer zwölfstim- migen Messe von Antoine Brumel den Klang- kosmos der Renaissance. Den – auch finanziell – enormen Kraftakt, um das Sommerfestival zu stemmen, konnte der Veranstalter Kampnagel nur bewältigen, weil die aufgestockte Förderung der Stadt die in- flationäre Kostensteigerung kompensiert. „Ein Festival wie das unsere ist heute 300.000 Euro teurer als noch vor vier Jahren“, sagt Siebold. Geld, das allem Anschein nach gut angelegt ist. Text: Sören Ingwersen 9.–27. AUGUST; Kampnagel Timetable auf: kampnagel.de in einem fremden Land einhergehen. „Außer- dem kreiert Ahilan mit den Bewegungen des Fußballspiels eine neue Tanzform. Die ,Klapp- ing Initiation‘ findet auf dem Fußballfeld des FC Sternschanze statt, so holen wir auch Leu- te ab, die den Weg ins Theater noch scheuen“, berichtet Siebold. Ein bisschen nach Theatersport klingt auch die Produktion „Good Sex“ der britisch-irischen Gruppe Dead Centre. Das Stück untersucht zum einen, wie Menschen, die sich noch nicht gut kennen, Intimität aufbauen. Es fragt aber auch, wie Schauspieler mit körperlicher Nähe umgehen. „Es gibt einen sogenannten Intimi- tätskoordinator auf der Bühne, der zwei Dar- steller:innen anleitet. Das sind jeden Abend andere, und sie improvisieren, weil sie den Text nicht kennen, sondern über einen Knopf im Ohr hören und dann nachsprechen“, erläutert Siebold das Experiment. „Dafür haben wir ein Superstar-Ensemble engagiert: Bardo Böhle- feld vomWiener Burgtheater, Lisa Hagmeister vom Thalia Theater, Paul Behren vom Deut- schen Schauspielhaus, Mark Waschke von der Berliner Schaubühne – Leute, die man von den großen Schauspielhäusern oder vom Film kennt.“ Keine Unbekannte ist auch die französische- österreichische Choreografin Gisèle Vienne, die sich in ihren Arbeiten – von denen fast alle auf Kampnagel zu sehen waren – mit psychi- schen Abgründen befasst, oft eingebettet in eine traumatische Familiengeschichte. Auch in „Extra Life“ wird Vienne wieder unter aus- geklügeltem Einsatz von Licht und Musik tief in die menschliche Seele blicken. Eine etwas Foto: Blandine Soulage Im Sog virtueller Bilder: Tanzstück „Age of Content“ von (LA)HORDE 18 …Meike Meiners SCHAUSPIELERIN Foto: Oliver Fantitsch 3 FRAGEN AN … Meike Meiners, „Frau Bachmanns kleine Freuden“ sind jene Besuche von Handelsvertretern, die sie in ihreWohnung einlädt, gastfreundlich bewirtet und in Gespräche verwickelt – ohne etwas kaufen zu wollen. Haben Sie sich die Rolle der pfiffigen Seniorin aus- gesucht? Meike Meiners: Die Besetzungen werden vom Inten- danten Michael Lang und Oberspielleiter Murat Yeginer vorgenommen. Sicher wird auch die Regie mit ins Boot geholt. Ich selbst habe keinen Einfluss auf meine Rol- len, aber wenn ich mir eine Figur wünschen würde, könnte ich sicher vorsichtig vorfühlen. Was ist das für eine Frau, die sich völlig fremde Men- schen in die Wohnung holt, gegen das Alleinsein – vermutlich muss sie mutig sein? Frau Bachmann ist durchaus mutig, denn sie lädt fremde Menschen zu einemVerkaufsgespräch in ihre Wohnung, hat aber nicht die geringste Absicht, irgendetwas zu kaufen. Sie war Berufsberaterin – „en Profeschoon, de ik bannig geern harr“ (einen Beruf, den ich sehr geliebt habe). Nach ihrer Pensionierung hat sie dann diese Ge- spräche zu ihrer Mission gemacht. Diese Frau ist tüch- tig, selbstbewusst, bestimmend, ein wenig übergriffig, aber auch warmherzig und sensibel. Eines Tages bekommt Frau Bachmanns Idee durch den Besuch des jungen Timo eine neue Richtung, denn nun ist sie als Beraterin gefordert … Timo ist für Frau Bachmann ein Glücksfall: Er steckt klar erkennbar in einer Lebenskrise und benötigt dringend sowohl berufliche als vor allem auch psychologische Beratung. Er selbst weiß es noch nicht, aber er wird den wahren Wert seiner Unterhaltung mit ihr erst zu würdi- gen wissen, wenn der Tag zu Ende geht. Und glückli- cherweise ist er ja nicht der einzige „Patient“ …Wir er- zählen eine Geschichte, die glücklich macht, weil sie uns fünf ganz unterschiedliche Menschen auf eine sehr humorige, liebevolle und warmherzige Weise vorführt. Interview: Dagmar Ellen Fischer 27. AUGUST (PREMIERE), 29.–31. AUGUST UND WEITERE TERMINE; Ohnsorg Theater DasHamburg-ABO 12x SZENE HAMBURG sowie 1x KAUFT EIN und 1x ESSEN+TRINKEN für nur 59,– Euro 14Hefte Portofrei nach Hause 18,40Euro sparen! Keine Ausgabe verpassen shop.szene-hamburg.com Mit SZENEHAMBURG durchdasganzeJahr Anonym.Kritisch.Unabhängig www.genussguide-hamburg.com Gepflegte Drinks DiebestenBars derStadt Ostsee-Special LeckereSpots rundum dieLübeckerBucht Abgebrüht CooleCafésund süßeSachen Nachvorn! 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