hamburg:pur August 2022

Foto: Jeff Busby THEATER Ich glaube, es ist die radikale Neugier und das pionierhafte Neu-Denken der Gegenwart, für die Warhol steht. Er hat viele Internet-Phäno- mene beschrieben, lange bevor es Social Media gab: Vervielfältigung von Bildern, Selbstdarstel- lung, den Umgangmit Fame undMarktmecha- nismen. Und er hatte einen interdisziplinären Kunst-Ansatz, den sowohl der Kino-Großmeis- ter Gus Van Sant verfolgen, der bei uns jetzt ein bildgewaltigesMusical über Warhol inszeniert, als auch der New Yorker Choreograf Raja Fea­ ther Kelly, der sich als schwarzer, queerer Künstler in das Erbe Warhols einschreibt und Popkultur quasi-religiös auffasst. Im letzten Jahr hat die Gruppe Ligna den leer stehenden Kaufhof bespielt. In diesem Jahr feiert ihr im leer stehenden Karstadt-Sports- Gebäude die Eröffnung des „Deutschen Mu- seums für Schwarze Unterhaltung und Black Musik“ mit einem vielfältigen Live-Programm und erobert damit erneut den urbanen Raum. Welche Veranstaltungen sind dort imEinzel- nen geplant? Und wird das Museum auch über das Festival hinaus bestehen bleiben? Wir haben mit dem Festival immer auch die Stadt bespielt und uns in gesellschaftliche Dis- kurse eingemischt. Das DMSUBM ist eine Über- nahme des Erdgeschosses des leer stehenden Kaufhauses mit einer Ausstellung, die den An- teil und die Biografien schwarzer Menschen an der jüngeren deutschen Popkultur einer- seits und die Zuschreibungen, denen sie in einer hauptsächlich weißen Medienlandschaft ausgesetzt waren, andererseits sichtbar macht. Es ist also quasi auch eine notwendige Korrektur einer bestimmten Geschichtsschrei- bung und Branche, die auf weiße Menschen fokussiert ist. Das Museum ist täglich zu Mu- seumszeiten geöffnet, und abends gibt es an einzelnen Tagen ein Rahmenprogramm, das vom Hamburger Kollektiv formation**now kuratiert wird. Unter anderem berichten da Stars von früher, wie Nana Darkman, von ihren Erfahrungen und treten zumBeispiel in Form von Museumsführungen in Austausch mit dem Archiv. Das Museum ist erst mal – auch aus Kostengründen – nur für die Festivaldauer geplant, aber wer weiß: Vielleicht ist das der erste Schritt für ein dauerhaftes Museum der Stadt. Kampnagel steht für kulturelle Diversität. Wie bewertest du die gegenwärtigen Ten- denzen der Deglobalisierung und die Rück- besinnung auf lokale/nationaleWerte imHin- blick auf den kulturellen Austausch? Ich habe eher das Gefühl, als würden wir mit jedem Krieg, mit jeder anti-demokratischen Initiative der rechten Parteien, daran erinnert, wie sehr wir Teil einer Weltgesellschaft sind. Und wie wichtig und positiv ein Austausch mit Menschen über Grenzen hinweg ist, kann man beim Sommerfestival sehr gut er- leben. Das diesjährige Sommer- festival-Programm ist ei- nes der umfangreichsten. Glaubst du, dass die Men- schen in Sachen Kultur großen Nachholbedarf ha- ben? Oder muss man sie derzeit mit üppigem Live- Angebot erst wieder müh- sam vom Sofa locken? Also die Vorstellung, den ganzen Tag bei schönem Wetter auf demSofa zu sit- zen, ist doch furchtbar. Und das Festival präsentiert ja Avantgarde mit Erlebnisfak- tor, für Theaterschlaf gibt es bessere Alternativen in Hamburg, das ist hier eher etwas zumAufwachen und Wachbleiben – oder einfach zumDasein im großen Festival- Garten unter Birkenbäumen, kostenlose Aus- stellungen, Performances und Konzerte im Garten inklusive. Gab es überraschend positive oder negative Erfahrungen bei der diesjährigen Festival- planung? Stand jetzt, Anfang Juli, gab es weder Absa- gen noch größere Änderungen. Nur steigende Preise sind wie überall ein Problem, Transpor- te von Australien zumBeispiel, haben sich seit März zum Teil verdreifacht. Wir können das nur kompensieren mit Einsparungen im Budget, denn Tickets sind nach wie vor günstig hier. Ansonsten ist die Stimmung gut, der Vorver- kauf liegt etwa beimNiveau vor der Pandemie, der Erste Bürgermeister hat sich auch gerade zur Festivaleröffnung angekündigt, und außer- dem ist der Festival-Avant-Garten wieder für alle offen, Hamburgs nicester Kunstvergnü- gungspark mit Gastronomie und kostenlosen Lesungen von Buchpreisträger:innen und Kon- zerten unter Birkenbäumen sowie Perfor- mances und Ausstellungen auf dem gesamten Gelände. Interview: Sören Ingwersen 10.–28. AUGUST; Kampnagel 18 THEATER Rocky Horror Show Nach einer nächtlichen Autopanne sucht das frisch ver­ lobte Paar Brad und Janet vor dem Gewitter Zuflucht in einem Schloss – und landet in einer Parallelwelt: Exzen­ trisch gekleidete Aliens bewohnen das herrschaftliche Haus. Ihr Anführer, Dr. Frank N. Furter, ist gerade damit beschäftigt, den perfekten Liebhaber im Labor zu model­ lieren: kräftig, blond und dämlich. Doch nach der Ankunft der biederen Verlobten zeigt sich der außerirdische Wis­ senschaftler plötzlich an sehr irdischem Sex interessiert und verführt beide nacheinander. Story, Outfits und Songs sind spätestens seit der Verfilmung des Stoffs als „Rocky Horror Picture Show“ Kult und machen jede Kinovorfüh­ rung zur Party. Natürlich darf auch in der Live-Version mit­ getanzt, -gesungen und -gefeiert werden, ob in Strapsen oder im Faltenrock. (def) 3.–7. AUGUST; Barclays Arena Foto: Jochen Quast DAT HÖRROHR LUSTSPIEL VON KARL BUNJE 28.8. – 4.10.2022 Foto: Sinje Hasheider

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