August 2020

16 THEATER Foto: Dorothea Tuch Lena Kollender, was ist denn dieses Jahr unter anderem„special“? Vielen Künstlerinnen und Künstlern weltweit sind wegen der Pandemie die Premieren- und Probe- orte weggefallen. Das Internationale Sommerfes- tival bietet seit März so ziemlich die erste Möglich- keit, wieder live zu spielen. Das Programm in unseren Hallen besteht dadurch jetzt aus total exklusiven Arbeiten. Wir haben viele Uraufführun- gen, weil wir eine Art Insel geworden sind. Zum Beispiel die Arbeit der portugiesischen Choreogra- fin Marlene Monteiro Freitas, „MAL“: Das Stück sollte im Juni an den Münchner Kammerspielen rauskommen und dann auf vielen europäischen „DieUtopiensind realistischer geworden“ Das Internationale Sommerfestival auf Kampnagel findet dieses Jahr unter Corona-gemäßen Umständen statt. Warum das Programm dadurch barrierefreier, partizipativer und näher am Puls der Zeit ist denn je, erzählt Co-Kuratorin Lena Kollender Festivals gezeigt werden. Die wurden dann aber fast alle abgesagt und die Gruppe hatte plötzlich gar keine Perspektivemehr. Wir konnten jetzt einen Proberaum für sechsWochen anbieten und deshalb entsteht das Stück jetzt bei uns. Weltpremiere ist am26. August. Ihr habt ein an die Auflagen angepasstes Konzept entwickelt, das auf drei Säulen fußt. Welche sind das? Das Programm in den Hallen, das wir immer haben, müssenwir dieses Jahr reduzieren. Einerseits, weil wir nur circa ein Viertel der Plätze im Publikum besetzen dürfen. Andererseits habenwir die Anzahl der Bühnen-Projekte reduziert. Dafür haben wir das Programm in unserem Festival Avant-Garten extremausgeweitet. Da bieten wir dieses Jahr über 50 Programmpunkte auf insgesamt drei Bühnen. Zur dritten Säule zählen wir alles, was außerhalb stattfindet. Zum Beispiel in der HafenCity, wo wir mit der HafenCity-Kuratorin Ellen Blumenstein das Augmented-Realty-Game „BotBoot“machen. Aber dazu gehört auch alles, was im Internet stattfindet. Dafür haben wir interessante, extra für dieses Medium kreierte Arbeiten eingeladen und auch extra in Auftrag gegeben. Inwiefern spiegelt sich die Corona-Pandemie konkret wider? Dadurch, dass wir das Programm so kurzfristig entwickelt haben, sind wir so nah amPuls der Zeit wie noch nie. Fast alle Arbeiten reagieren auf diese Situation. Sehr konkret sieht man das bei Yan Duyvendaks geradezu prophetischer Arbeit „Virus“. Diese hat er über zwei Jahre lang geplant, also lange vor der aktuellen Krise. Eigentlich sollte es darin um die Ebola-Pandemie gehen, nun hat Duyvendak sie aber auf das Corona-Virus ange- passt. Es ist das Stück der Stunde und feiert bei uns seine Deutschlandpremiere. Welche neuen Perspektiven werden gezeigt, die in den Debatten der letzten Monate nicht vor- kamen? Künstlerische Perspektiven sind in den letzten Monaten sehr viel weniger vorkommen, weil die Kunstproduktion im Shutdown war. Wenn Künst- lerinnen und Künstler sich mit dem Virus ausein- andersetzen, ist das perspektivisch etwas anderes, als wenn die Wissenschaft das tut. Inwiefern genau? Um bei „Virus“ zu bleiben: Duyvendak greift eine wissenschaftliche Sache auf. Er nimmt ein Simu- lationsspiel der EU, das entwickelt wurde, um KAMPNAGEL

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