August 2018
37 THEATER Im August findet das internationale Sommer- festival auf Kampnagel statt. Ein Treffen vor Ort mit einem ziemlich glücklichen Kurator Neues entsteht, indem Stile und Genres impul- sive Verbindungen eingehen, also etwa Theater und Bildende Kunst zu einer eigenen Bühnen- form werden. Was dabei wichtig ist: Obwohl das Programm anspruchsvoll ist, richtet sich dieses Festival an ein sehr breites Publikum und viele Stücke sind extrem unterhaltsam. Wir machen Avantgarde für alle, so wie Kampnagel mit sei- ner Architektur für Offenheit steht. Und außer- dem gibt es mit dem großen Festivalgarten einen berühmt-berüchtigten Magneten. Wie habt Ihr das Programm zusammengestellt? Das Festival hat eine sehr dichte Architektur, die durch viele Verbindungslinien der einzelnen Pro- duktionen untereinander entsteht; ein Puzzle, bei dem die einzelnen Teile ein stimmiges Ganzen er- geben. Exemplarisch für’s Programm steht die Er- öffnungsproduktion mit der Malpaso Dance Com- pany aus Kuba, die zum ersten Mal nach Europa kommt. Diese Company entwickelt gerade die starke Ballett-Tradition Kubas weiter zum zeit- genössischen Tanz – und setzt den Klischees des „kubanischen Tanzes“ und der Revolutionsnos- talgie etwas stark Gegenwärtiges entgegen. Der Abend bei uns besteht aus drei Teilen und zeigt die ganze Vielfalt und technische Brillanz dieser Gruppe: Im ersten Teil gibt es ein Stück über das Leben in Havanna mit Live-Musik des sechsfachen Grammy-Gewinners und Latin-Jazz-Giganten Ar- turo O’Farrill und seinem Oktett, die spielen dann auch noch in der Elbphilharmonie. Der zweite Teil ist eine Arbeit der Ballett-Erneuerin Aszure Bar- ton mit Musik von Nils Frahm, und als dritten Teil zeigen wir eine Uraufführung, für die gerade die Choreografin Cecilia Bengolea in Kuba mit DJs aus der lokalen Club-Szene und Tänzen wie ja- maikanischem Dancehall probt. Grenzüberschreitung lautet das künstlerische Stichwort zum Festival? Mit dem Festival bringen wir Welten zusammen, politisch und künstlerisch. Wir springen von der Balletttradition in den Club. Oder wir beleuchten Zirkus künstlerisch neu: Mit Elizabeth Streb aus New York und ihrer Company Streb Extreme Action haben wir etwas, das über Zirkus und oberfläch- liches Entertainment hinausgeht. Streb kommt aus dem postmodernen Dance-Circle aus New York und hat sich dann radikal weiterentwickelt in Richtung Zirkus, Stuntshow, Sport. Bei Ihrer Akrobatik geht es stets um Sekunden, die Tän- zer nennen sich auch „extrem action heroes“: Jedem Orthopäden wird schlecht, aber das Pu- blikum liebt es… Wie komponierst Du die Mischung des Pro- gramms? Die Auswahl der Produktionen und das Zusam- menführen im Programm ist die kuratorische Ar- beit. Welche Stücke schaffen Kontexte, wo ent- stehen neue Perspektiven? Manchmal führen auch bestehende Produktionen zu weiteren Ideen, wie unsere Konferenz „Heimatphantasien“ über die Fragen von Nation und Identität, die von den post-nationalen Ideen des singapurischen Künst- lers Ho Tzu Nyen beeinflusst wurde. Mit Tzu ma- chen wir sowohl eine Uraufführung mit einer irren Agenten-Story zur Festivaleröffnung, und außerdem zeigt er eine dreiwöchige Ausstellung im Hamburger Kunstverein. Das kann man sich an einem Tag beides anschauen. Welche Stücke sich an einem Tag kombinieren lassen, ist übri- gens ebenso wichtig beim Programm-Machen. Dein idealer Zuschauer schaut also mehrere Produktionen am Abend? Ich will natürlich, dass die Leute mindestens zwei Produktionen am Abend gucken. Man kann den Abend gewissermaßen wie eine kleine Weltrei- se buchen. Und anschließend noch einen Drink im Festivalgarten nehmen. Der ideale Zuschauer lässt sich treiben, durch den Garten, die Atmo- sphäre, die Produktionen und Sprachen. Wenn das Festival ein Tier wäre? Welches wäre es? Ein Einhorn, vielleicht. So harmlos? Vielleicht eins mit Maschinengewehr… Interview: Stefanie Maeck 8.–26. AUGUST Internationales Sommerfesti- val auf Kampnagel András, dies ist das sechste Sommerfestival, das du kuratierst. Entsteht eigentlich sofort nach Ende eine Idee für das nächste Festival? András Siebold: Ehrlich gesagt denke ich bei je- dem Sommerfestival: besser wird’s nicht und ei- gentlich wäre jetzt der perfekte Zeitpunkt, um aufzuhören. Nun bin ich wieder extrem glücklich mit dem Programm und frage mich: Wie sollen wir das toppen? Zum Glück ist die Welt voll mit interessanten Künstler*innen, die auch in Zukunft aufregende Arbeiten machen werden. Was ist denn dieses Jahr so besonders? Wir haben zwei Sachen geschafft: Zum einen sind in fast allen Produktionen die Grenzen zwi- schen Hoch- und Subkultur eliminiert. Da treffen Club-Kultur auf Ballett, oder Zirkus auf Post Mo- dern Dance. Und dann haben wir ein Programm, das wirklich interdisziplinär ist, wo das Musikpro- gramm den gleichen Stellenwert wie das Theater- programm hat. Und wo in den meisten Arbeiten Einhorn mit Maschinen- gewehr Foto: Marcello Hernandez INTERNATIONALES SOMMERFESTIVAL
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