hamburg:pur Juli 2024

Foto: Marie Poulain THEATER Straßenkunst de luxe: Spielbudenfestival Aus Chile kommt ein sehr guter Puppenspie­ ler, Francisco Obregon, der mit einer fast men­ schengroßen Puppe zusammen performen wird. Du bist maßgeblich an der Auswahl der Künstler für das Festival beteiligt. Wie wer- den diese ausgesucht? Das sindmeistens Kollegen oder Künstler, die ich selber schon auf anderen Festivals, wo ich gespielt habe, sehen konnte. Oder es sind Künstler, die wir gemeinsammit Corny Littmann ausgewählt haben, nachdem wir auf anderen Festivals vor Ort waren. Für uns ist die Publi­ kumsresonanz entscheidend und die Einzig­ artigkeit der Darbietung, ein wichtiges Krite­ rium, um Künstler nach Hamburg einzuladen. Was macht denn den Spielbudenplatz zu so einem besonderen Ort für das Festival? Hier auf dem Spielbudenplatz wurden schon vor über 100 Jahren Seeleute und das einfa­ che Volk unterhalten, während ihre Schiffe im Hamburger Hafen lagen. Man hat sie dann mit Spielbuden, Schaubuden, exotischen Tieren und vielemmehr unterhalten. Deshalb hat der Spielbudenplatz für uns so eine historische Bedeutung als Eckpfeiler. Wir bieten traditio­ nelle Straßenkunst, schlagen aber einen Bo­ gen zum modernen Straßentheater und zum Neuen Zirkus mit dem, was wir hier den Ham­ burgern und ihren Gästen präsentieren. Was bedeutet das Festival für die Stadt, den Stadtteil und die Bewohner heute? Wir präsentieren Straßenkunst auf höchstem Niveau, das ist unser Anspruch. Den Hambur­ gern und ihren Gästen werden circa 140 Shows an drei Tagen kostenfrei geboten. Kunst und Kultur barrierefrei genießen, egal, wer du bist und was du hast oder wo du herkommst. Wir sind ein internationales, weltoffenes Festival und dafür stehen wir mit unserem ganzen Team. Mittlerweile sind wir, nach vier Jahren, ein wichtiger Bestandteil der Hamburger Kul­ turszene geworden, weil das Spielbuden­ festival wahrscheinlich eines der schönsten Festivals im Norden überhaupt ist. Du bist selbst unter anderemStraßenkünst- ler, was ist für dich das Besondere an dieser Kunstform? Straßenkunst ist sehr ursprünglich. Es gibt eine Verbindung zur Commedia dell’Arte. Diese Kunstform ist meist sehr interaktiv und bezieht das Publikummit ein, das ist hier auf unserem Festival genauso. Pure Lebensfreude, Artistik und Spaß. Kann man dich auf dem Festival auch per- formen sehen? Nein. Ich habe beim ersten Festival auch mit­ gespielt, aber ansonsten nimmt einen die Fes­ tivalleitung so in Anspruch, dass man nicht beide Dinge gleichzeitig machen kann. Ich wer­ de mit meiner neuen Show „Bajazzo Invasion“ vier Wochen vor unserem Festival in Avignon/ Frankreich, auf dem Festival Off, drei Wochen täglich zu erleben sein. Was wünscht du dir für die Zukunft des Spiel- budenfestivals in den kommenden Jahren? Ich würde mir wünschen, dass wir aus der Stadt und aus der Wirtschaft mehr Unterstützer und Förderer für unser Festival finden. Diese groß­ artige Idee von Corny Littmann, hier auf dem Kiez die weltbesten Straßenkünstler zu prä­ sentieren, ist nicht nur ein teures Unterneh­ men für seine Stiftung, sondern wahrschein­ lich auch eines der schönsten Festivals hier im Norden, auf das die Hamburger mit Recht stolz sein können. Für die Hamburger und die Touristen, die hier in die Hansestadt kommen, ein echtes kulturelles Highlight, das seines­ gleichen sucht! Interview: Pauline Bellmann 19.–21. JULI Spielbudenplatz; spielbudenfestival.de 18 Verena Rosna Regisseurin Foto: Alex Bach 3 FRAGEN AN… Verena Rosna, der Stücktitel „Ein bisher unbenannter Tag im Jahre 1987“ bezieht sich auf ein Gespräch zwischen Thomas Gottschalk und ReinholdMessner, das 1987 im Fernsehen übertragen wurde und in dem der Bergsteiger behauptet, den Yeti gese- hen zu haben. Warum bildet es den Aus- gangspunkt für das Theaterstück? DemGanzen liegt ein Gedankenspiel zugrun- de: Was, wenn ein kleines Event in der Ver- gangenheit zu einer alternativen Gegenwart geführt hätte? Wir sind heute an einemPunkt, an dem viele Auswirkungen der menschen- gemachten Erderwärmung nicht mehr um- kehrbar sind. Da blickt man gerne in die Ver- gangenheit und fragt: Was hätte geschehen müssen, damit es nicht so weit kommt? Inwiefern kann der Schneemensch Yeti die Geschichte beeinflussen und eine wich- tige Figur im Kampf gegen den Klimawan- del werden? Den Klimawandel bekämpfen kann nur der Mensch. Der hat seit 1987 leider nicht aus- reichend reagiert, um die schlimmsten Aus- wirkungen zu verhindern. Ob die Existenz eines fantastischen Wesens, das die Glet- Inszeniert mit dem Kollektiv „Institut für Freizeitforschung“ am Lichthof Theater „Ein bisher unbenannter Tag im Jahre 1987“ scher dieser Erde bewohnt und vom Klima- wandel ebenso betroffen wäre, diesen Um- stand geändert hätte? Wenn ja: Was fasziniert uns am Yeti so sehr, dass wir sein Aussterben nicht akzeptieren können? Die Frage ist also: Was hätte die Menschheit gebraucht, um zu handeln? Was bedeutet das Format Mockumentary, eine fiktive Dokumentation, für die Gestal- tung des Abends? Wir übersetzen das aus dem Film kommen- de Format ins Theater, arbeiten mit filmi- schen, pseudo-wissenschaftlichen und hochdramatischen theatralen Mitteln, wie mit KI und Deepfake. Dabei schweift unser Blick mit einer ordentlichen Portion ironi- scher Nostalgie in die Vergangenheit und arbeitet die Geschichte der Menschheit auf, wie sie nie passiert ist. Die Wahl des Formats hat einen Grund: Jede Person mit einem Internetzugang kann jederzeit Fehlinforma- tion, alternative Realitäten im Netz verbrei- ten. Interview: Dagmar Ellen Fischer 4. JULI (PREMIERE), 5., 6. JULI; Lichthof Theater 3 FRAGEN AN… PLATTDÜÜTSCH BY NATURE Foto: Oliver Fantitsch

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