hamburg:pur Juli 2023

THEATER DDR nachWestberlin emigriert, wo Sie nicht auf ihren hohen Bekanntheitsgrad als Künst- lerin bauen konnten. War das nicht ein ge- wagter Schritt? Ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, dass man mich imWesten kennt, bekam dort aber schnurstracks das Angebot, eine Kinder- platte aufzunehmen. Weil ich imOsten neben meiner Solokarriere auch als Background-Sän- gerin tätig war – zumBeispiel für Manfred Krug –, habe ich mich als Chorsängerin beim Thea- ter des Westens beworben. Stattdessen be- kam ich die Rolle der Lucy in Brechts „Drei- groschenoper“, die wir 1989 auch in der Ham- burgischen Staatsoper aufgeführt haben. Da- nach habe ich ziemlich lange am Schauspiel Köln gearbeitet, Drehbücher geschrieben und beim Kabarett „Die Stachelschweine“ Klavier gespielt. Nach der Wende bin ich im Friedrich- stadt-Palast lange als Hexe imMusical „Hän- sel und Gretel“ aufgetreten. Ich habe immer gearbeitet und feiere nächstes Jahr mein 55-jähriges Berufsjubiläum. Das klingt nach Vielbeschäftigung. Dann ist die Rolle der Hausfrau Doris ja nicht beson- ders nah dran an ihrem eigenen Leben … Hausfrau bin ich auch immer gewesen. Ich habe ein Kind und bin das zweite Mal verheiratet. In Doris Bertram steckt ganz viel Angelika Mann. Es gibt Schauspieler, die sich auf der Bühne immer sehr stark verwandeln. Zu denen ge- höre ich nicht. In einem Lied beklagt Doris, dass sie sich im Leben für andere aufgeopfert und zu wenig zurückbekommen hat. Wie sollte man leben, um ein solches Fazit amEnde zu vermeiden? Da gibt es kein Patentrezept. Doris war ver- heiratet, hat zwei Kinder großgezogen, den Haushalt geführt und nebenher noch kleine Jobs übernommen. Am Ende stellt sie fest, dass die Rente nicht reicht. So geht es vielen alten Menschen. Als junger Mensch macht man sich oft keine Gedanken, was amEnde bleibt. Irgendwann kommt dann der Moment, an dem man zurückschaut und sich fragt, ob man alles richtig gemacht hat und was man noch er- reichen möchte. Können Sie sich an solche Momente erinnern? Im vorletzten Jahr wurde eine Krebserkran- kung bei mir festgestellt. Kurz danach stand ich auf der Bühne und habe gespielt, dass ich sterbe. Das war schon etwas spooky. Natür- lich macht man sich in so einemMoment Ge- danken. Ich habe aber erkannt, dass ich eigent- lich alles erreicht habe, was ich erreichen wollte. Ich bin in Berlin-Buch aufgewachsen, wollte mit fünf Jahren Sängerin werden und habe es auch geschafft. Natürlich gibt es immer Dinge, die man im Nachhinein anders gemacht hätte. Aber im Allgemeinen kann ich nicht meckern. Ist der Humor eine Stütze in Ihrem Leben? Absolut. Ich kann auch über mich selber lachen und nehme mich nicht allzu ernst. Wenn ich mal beerdigt werde, möchte ich, dass es sehr lustig zugeht. Ich möchte nicht dramatisch sterben, sondern dabei noch einen guten Gag auf den Lippen haben. Auch bevor sie mir den Knoten herausoperiert haben, habe ich im Krankenhaus ständig Gags gemacht. Das war kein Galgenhumor, ich war einfach gut drauf. Sie feiern diese Tage ihren 74. Geburtstag. Wann werden Sie sich zur Ruhe setzen? Solange ich noch krauchen kann und man mich will, bin ich dabei. Erst einmal freue ich mich jetzt wahnsinnig auf Hamburg. Das ist so eine schöne Stadt! Neben Berlin wäre Hamburg als Wohnort die einzige Alternative für mich – oder Portugal. Interview: Sören Ingwersen 28. JULI (PREMIERE), 29., 30. JULI UND WEITERE TERMINE Komödie Winterhuder Fährhaus Neben Tilmann von Blomberg wird Regisseu- rin Katja Wolff als Mitautorin angegeben. Ist der Text zum Teil erst auf der Bühne entstan- den? Das Stück wurde vorab geschrieben, aber Til- mann von Blomberg hat mir einmal gesagt, ich wäre seine beste Gag-Schreiberin, weil mir vie- les spontan auf der Bühne einfällt. Da muss man natürlich aufpassen, dass man die Kolle- gen nicht durcheinanderbringt. Aber wenn ich mit dem Publikum agiere, bin ich völlig frei, wobei die Regisseurin sehr genau weiß, was sie will und ein unglaublich gutes Gespür für Timing hat. Profitieren Sie da auch von Ihrer Erfahrung als Kabarettistin? Ich habe nur literarisches, kein freies Kabarett gemacht. Aber ich habe schon früh als Enter- tainerinmein eigenes Konzertprogrammgehabt, mit Songs, die für mich geschrieben wurden. Da lernt man, mit dem Publikum zu kommuni- zieren. Das macht mir ammeisten Spaß. Sie hatten zu DDR-Zeiten auch eine eigene Fernsehsendung … Ich habe mit meiner Band Obelisk zusammen eine Kindersendung gemacht, die hieß „Rock- musik zum Anfassen“. Ab 1999 bis 2015 war ich beim TV-Sender rbb in Berlin die Märchen- rätselhexe und habe das ganze Weihnachts- programmmoderiert. Sie sind noch vor dem Zusammenbruch der Foto: Lenny Thiem 18 Foto: Thorsten Baering THEATER Varieté de Buena Vista Zeitreise ins Kuba der 1950er-Jahre Magisch muss die Stimmung in Havanna gewesen sein, in den 1950er-Jahren – vor der Revolu- tion. Damals gab es in Kubas Hauptstadt mehr Kinos, Theater und Clubs als in jeder westlichen Großstadt, das karibische Nachtleben lockte zahllose Touristen an. Fidel Castro räumte ab 1959 mit den lustvollen Ausschweifungen auf, viele Künstler mussten fliehen. Die unvergleichliche kubanische Mu- sikszene starb – und wurde erst knapp 40 Jahre später unter dem Musik- und Filmlabel „Buena Vista Social Club“ wiederentdeckt. Die letzten noch lebenden Legenden dieser Ära bringen nun die Show „Va- rieté de Buena Vista“ nach Hamburg, aus der ursprünglichen Beset- zung sind Bassist Fabián Garcia Caturia und Posaunist Jesús Aguaje Ramos dabei. Zusammen mit jungem begabtem Nachwuchs lassen sie die unvergleichliche Atmosphäre in Hamburg wieder aufleben. In- itiator und Moderator ist einmal mehr Toby Gough („The Bar at Buena Vista“, „Lady Salsa“) – inter natio - nal erfolgreicher und preisge - krönter Autor und Regisseur. Ihm gelang es, die weltbeste Band zusammenzustellen, die jene un - sterblichen Lieder wie „Dos Gar - denias“, „Chan Chan“ und „20 Años“ (noch) mit Grandezza spie - len kann. Die Stars der Show sind um die 80, einige älter, andere jünger. Sehr jung sind die beiden sensationellen Tanzpaare, die schon mit Jennifer Lopez auf der Bühne standen, und natürlich alle Akrobaten, deren Hochleistungs - körperkunst immer auch etwas Tänzerisches bekommt, sobald sie von Mambo, Salsa oder Son Cubano begleitet wird. Apropos: In Kuba altert man nicht. Warum? Weil der gesunde Lebensstil aus reichlich Rum, Zigarren und jeder Menge Musik jung hält, erzählt Toby Gough dem Publikum. Das ist nach zwei Stunden völlig aus dem Häuschen, lässt sich von der Leidenschaft der Akteure anstecken und tanzt in den Gängen. Starke Stimmen, rasante Rhythmen und karibische Lebenslust – eine großartige Zeitreise! Text: Dagmar Ellen Fischer BIS 1. SEPTEMBER, TÄGLICH AUSSER MONTAGS; Hansa-Theater GROSSE FREIHEIT SCHREIBEN AUTOR:INNENWETTBEWERB EINSENDESCHLUSS AM 31.8.2023 INFOS UNTER WWW.OHNSORG.DE Foto: G2 Baraniak

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