hamburg:pur Juli 2022

Foto: Cia la Tal THEATER SPIELBUDENFESTIVAL FünfundsechzigMeter über dem Boden An drei Tagen lockt der Kiez mit Straßenkünsten und Kuriositäten unter freiem Himmel St. Paulis wahres Herz schlägt auf dem Spiel- budenplatz: 4830 Quadratmeter, die seit über zweihundert Jahren abenteuerlichsten Ideen den Boden bereiten. Schon Ende des 18. Jahr- hunderts ließen sich Gaukler dort nieder, sie lockten mit Marionettenspiel und Seiltanz und errichteten hölzerne Buden – und gaben dem Platz so seinen Namen. Ihnen folgten Kunst- reiter, Theatermacher und des Fischhändlers Hagenbeck erste Tierschau mit Seehunden (die aus Versehen in seine Netze geraten waren) sowie Kuriositätenschauen, Kinos und Knei- pen. Erspart geblieben sind dem Platz unter anderem Jeff Koons’ erhängte Gummi-Enten und das unsägliche Urban Entertainment Cen- ter, dem man den Charme eines Atomkraft- werks voraussagte. Seit vergangenem Jahr hat die freie Fläche eine neue Attraktion: das Spielbudenfestival, initi- iert von Corny Littmann. Um seinen lange ge- hegten Plan umzusetzen, gründete er vor drei Jahren die „Corny Littmann Stiftung für Kunst und Kultur“. Sie präsentiert auch die zweite Ausgabe des Festivals, das 2022 nun in deut- lich entspannterer Atmosphäre stattfinden kann: weniger virusbedingte Auflagen, keine Zeitlimits für das Publikum, stattdessen mehr Straßenkünstler aus aller Welt und ein bar­ riere- und kostenfreier Zugang für alle Besu- cherinnen und Besucher. Littmanns Idee, die Topstars der Straßenkunst für ein Wochenende nach Hamburg einzula- den, knüpft somit an die historischen Anfänge des Spielbudenplatzes an. Mit demComedian und Anarcho-Clown Bernd Busch als künst- lerischem Leiter des Festivals hat er jemanden zur Seite, der über die notwendigen interna- tionalen Kontakte verfügt: Selbst seit Jahr- zehnten sowohl als Straßenkünstler sowie als Gast auf renommierten Festivals unterwegs, stellte der Entertainer aus Erfurt ein sensatio- nelles Programm zusammen. Und freut sich besonders über den Clou, die „Geschwister Weisheit“ erstmals nach Hamburg holen zu können. „Das ist Europas einzige Hochseiltrup- pe, ein Familienunternehmen, das seine Shows seit über 120 Jahren international erfolgreich zeigt“, schwärmt Bernd Busch. „Für deren Auf- tritt wird in 65 Metern Höhe ein Seil gespannt, das sich in einer Länge von 160 Metern über den gesamten Spielbudenplatz erstreckt. Auf diesem Hochseil bauen sie Menschen-Pyra- miden, fahren mit drei Motorrädern und spie- len Trompete imHandstand. Diese Show wird einmal täglich am Abend zu sehen sein, und Corny Littmann selbst wird sie moderieren.“ Beiden Organisatoren ist es wichtig, dass die- ses Straßenkunstfestival als familienfreund- liches Angebot wahrgenommen wird. „Es ist kein Fress- und Sauf-Festival, entsprechend wenig Alkohol bietet die Gastronomie“, so Busch. „Passend dazu, beginnen wir den Sonn- tag um 11.30 Uhr mit einem ökumenischen Gottesdienst samt Live-Musik der Band ‚Sun­ shine Brass‘. Und direkt danach zeigen Kinder und Jugendliche aus Hamburger Zirkusschu- len, was in den vergangenen zwei Jahren nicht möglich war: Auftritte vor Publikum!“ Ansons- ten spielen alle eingeladenen Künstler bis zu vier Mal täglich. Unter ihnen sind auch die Pu- blikumslieblinge vom vergangenen Jahr: das spanische Theaterensemble „Cia La Tal“ (Foto), 2022 sogar mit zwei unterschiedlichen Shows, und der einzigartige Clown Shiva Grings, der alles um sich herum spontan in seine Gags einbaut. Mit dabei sind ebenfalls die Zauberer Alexander Merk und Ted McKoy, der Ballon- künstler Tobi von Deisner, Akrobaten am La- ternenmast (Noah Chorny) und auf der Leiter (Jens Ohle), Herr Beljakov samt Hund, Bikerina auf ihremBMX-Rad sowie der Kaosclown. Un- bedingt Bargeld einstecken, bittet Bernd Busch, denn: „Wie es sich für Straßenkünstler gehört, leben sie vom Applaus und dem Geld, das sie am Abend im Hut finden!“ Text: Dagmar Ellen Fischer 22.–24. JULI Fr 16:00–23:00 Uhr, Sa 14:00–23:00 Uhr, So 11:30–21:00 Uhr; Spielbudenplatz 20 THEATER VELVET Alles, was in den 1970er-Jahren imShowbusi- ness einen Namen hatte, traf sich in New Yorks berühmtestemNachtclub „Studio 54“: Illustre Gäste tanzten seit der Eröffnung 1977 in dem ehemaligen Theater – der einstige Zuschauer- raum diente als Tanzfläche, und vomRang aus schaute man auf die Akteure hinunter. Diese besondere Mischung aus Party und Show in- klusive jener aufgeheizten Atmosphäre unter den nach Ausschweifung gierenden Gästen nahmen sich ein paar Kreative aus Sydney zum Vorbild, das Ergebnis: „VELVET“, ein Disco-Va- rieté-Inferno. Die liebevolle Hommage an die Nachtschwärmer jener Ära, deren Glitzerwelt sich um eine funkelnde Disco-Kugel dreht, wurde seit ihrem Debüt 2015 auf mehreren Kontinenten gefeiert und mit Preisen ausge- zeichnet. Nun kommt sie aus dem „Boogie Wonderland“ für zwei Monate ins Hamburger Hansa-Theater. Erzählt wird die Geschichte eines jungen Man- nes, eines echten Landeis; er stolpert zum ers- ten Mal durch eine Großstadt, gerät dort gleich in einen Nachtclub – und landet aus Versehen sogar auf der Bühne. Unfreiwillig wird er Teil der schwindelerregenden Show und erlebt eine berauschende Nacht zwischen pulsierenden Beats, glamourösen Tänzen und exzentrischen Künstlerinnen und Künstlern. „VELVET ist der Name des Nachtclubs, aber auch ein Geistes- zustand“, erklärt Regisseur Craig Illot. „Einer- seits zeigen wir eine unterhaltsame, energie- geladene Fusion aus Musik, Zirkus und Thea- ter, andererseits auch die Story eines jungen Mannes auf seinem Weg, sich selbst zu ent- decken.“ Die elf Artisten zeigen Hula Hoop, Rol- ler-Skating, Ikarier (die mit den Füßen werfen), Pole-Dance sowie Hand-auf-Hand-Akrobatik. Ein DJ und Ingrid Arthur, ehemalige Sängerin der „Wheather Girls“, treiben den ahnungs­ losen Neuzugang gemeinsam mit dem Publi- kum durch eine elektrisierende Show. VELVET wird eher sinnlich als samtig. (def) 19., 20. UND 21. JULI (PREVIEWS), 22. JULI (PREMIERE) und weitere Termine; Hansa- Theater TH EATE R NACHT HAMB U RG 10.09.2022 Deine Stadt, deine Bühnen, deine Nacht! Mit FAMILIEN- PROGRAMM 15 – 19 Uhr „Die Tochter des Ganovenkönigs“ / Junges SchauSpielHaus © Lidija Delovska Alle Infos und Tickets unter www.theaternacht-ham burg.org 21

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