Hamburg Pur - Juli 2021
Illustrationen: shell / The Noun Project Foto: Stefan Malzkorn THEATER SPIELBUDENFESTIVAL „Das hat Hamburg noch nicht gesehen!“ Das erste internationale Spielbuden festival lockt vom 23. bis 25. Juli mit Straßentheater auf dem Kiez. Initiator Corny Littmann knüpft damit an die Hamburger Historie an Corny, seit wann schlummert die Idee in dei nemKopf, ein Spielbudenfestival auf die Bei ne zu stellen? Die Idee, Straßentheater in Form eines Festi- vals auf demSpielbudenplatz zu veranstalten, ist schon sehr alt. Wir haben ja vor etwa 15 Jahren schon mal eines gemacht, da war der Spielbudenplatz noch eine Sandfläche. Nur stellte sich immer die Frage, wie so etwas über- haupt organisatorisch und finanziell gestemmt werden kann. Es gibt doch die Spielbudenplatz Betreiber gesellschaft … Diese Gesellschaft führt mit knapp 30 Ange- stellten tatsächlich alle Veranstaltungen auf dem Spielbudenplatz durch, bei denen aber kein Eintritt erhoben werden darf. Das ist ein schönes Ansinnen, aber welcher Künstler kommt schon ohne Gage nach Hamburg? Vor über zwei Jahren habe ich meine Stiftung ge- gründet, die jetzt 100.000 Euro für das Festival zur Verfügung stellt. Für die notwendigen or- ganisatorischen Corona-Maßnahmen unter- stützt uns die Stadt zusätzlich mit 30.000 Euro. Kannst du ein paar Namen nennen? Ein herausragendes Beispiel ist die spanische Gruppe Cia la Tal, deren Bühne ein aufgeklapp- ter Lkw ist. Diese Mischung aus visuellem Theater, Magie und Clownerie ist der schiere Wahnsinn. Das hat Hamburg in der Form noch nicht gesehen! Im Zentrum des Festivals steht eine Schau bude. Da denken viele jetzt wahrscheinlich an eine Unterhaltungssendung im Fernse hen. Die hat damit aber nichts zu tun … Einige erinnern sich vielleicht noch an die Schaubuden auf demDomvor zuletzt zehn oder fünfzehn Jahren. Da preist ein Ausrufer Kurio- sitäten an, wie „Die Frau ohne Unterleib“, und Heißt das, Künstler, die sonst im Schmidt Theater und im Schmidts Tivoli auftreten, sind jetzt auf dem Spielbudenplatz zu er leben? Im Gegenteil. Straßentheater ist eine ganz eigene Kunstform. Es wird für die Straße kon- zipiert und kann in der Regel auch nur dort stattfinden. Unser künstlerischer Leiter Bernd Busch ist selbst ein sehr erfahrener Straßen- theaterkünstler mit vielen Kontakten zu Kol- legen im In- und Ausland, die er für unser Fes- tival gewinnen konnte. Insgesamt treten 25 Künstler und Gruppen auf, die – mit Ausnah- me von „Die Buschs“ – in Hamburg noch nie zu sehen waren. 40 THEATER lockt das Publikum für ein 20-minütiges Programm in ein kleines Theater mit Holzbänken. Diese Schau- buden waren früher auf allen Volksfesten vertreten. Heute ist die Schaubude von Dominik Schmitz die letzter ihrer Art in Deutschland. Sie wurde übrigens in Elmshorn von der Firma Köhler Fahrzeugbau ge- fertigt und bietet normalerweise Platz für rund 150 Zuschauer. Neben der Kuriositäten-Show laufen dort auch andere gemischte Programme. Ein dunkles Kapitel der Schaubuden waren ja die sogenannten Freakshows, in denen Menschen mit körperlichen Fehlbildungen den voyeuristi- schen Blicken der Zuschauenden dargeboten wur- den. Muss man sich Sorgen machen, wenn bei euch Sensationen wie „Die Spinnenfrau“ oder „Die Frau ohne Kopf“ angekündigt werden? Überhaupt nicht. Das sind ja alles nur Tricks. Es gibt keine Freakshow oder kleinwüchsigen Menschen, die zur Schau gestellt werden. Wollen wir kurz über das leidige Thema Corona sprechen? Der Ablauf wird von uns unter den heutigen Bedin- gungen vorbereitet. Wir erwarten, dass wir zu einem bestimmten Zeitpunkt nur eine bestimmte Menge von Menschen auf dem Platz zulassen können. Es wird also Tickets mit einemwohl dreistündigen Zeit- fenster für den Ein- und Auslass geben. Die können vorab kostenlos über das Internet erworben wer- den. So bekommt man im Verbund mit einem Co- rona-Schnelltest – etwa von „Corona Freepass“ nebenan – Zugang zum Platz. Anfang Juli wird das alles definitiv festgelegt und unter www.spielbu- denfestival.de kommuniziert. Eine Puppenspielerin und ein Papierreißer ste- hen auch in der Ankündigung … Wir haben darauf geachtet, dass möglichst viele Künstler eine Verbindung zur Tradition herstellen. Das Papierreißen ist ja eine sehr alte Kunstform. So wollen wir auch an die Geschichte des Spielbu- denplatzes anknüpfen, wo es solche Attraktionen in Spielbuden ja schon vor über 200 Jahren gab. Hagenbeck hat mit einer Showmit Seehunden dort angefangen. Außerdem gibt es in Hamburg seit den 1970er-Jahren das „Alstervergnügen“, das anfangs eines der größten Straßentheaterfestivals in Deutschland war. Heute ist nur noch die Gastrono- mie übrig geblieben. Diese Traditionen wollen wir wiederbeleben. Macht ihr den historischen Bezug für die Besu- cher auch transparent? In der Konzeption für das letzte Jahr war das vor- gesehen. Da hatten wir schon mit Mitarbeiterinnen des Sankt Pauli Museums gesprochen, die uns Stell- wände zur Verfügung stellen wollten, auf denen die Geschichte des Platzes dargestellt wird. Nun gibt es das Museum leider nicht mehr, und unsere kleine Mannschaft wäre mit einer solchen Dokumentation überfordert. Ich hoffe aber, dass wir diese Idee in einem der nächsten Festivals wieder aufgreifen können. Interview: Sören Ingwersen 23.–25. JULI Spielbudenplatz spielbudenfestival.de Im Handel oder online über www.meine-zeitschrift.de szene-hamburg.com Klimaziele • 1,5°C • Solarenergie Umweltschulen • Holzhäuser Solidarität • Mobilitätswende Luftqualität • E-Mobilität Bildung • Gerechtigkeit Protest • Regionalität So weit ist Hamburg! ISBN978-3-946677-71-0 SPEZIALNR.1 2021 |€7,90 001_Titel 1 29.04.2021 18:13:28 41
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