hamburg pur - Juli 2020

19 FILM Zeiten. Jede Menge Panik-Power mit Jan Bülow. Leute, keine Panik! Euer Udo. Yeah. Awhuuuh!“ Nun läuft der Film. Außerhalb der Autos wird es still. Nur einige wenige haben ihre Fenster leicht geöff- net. Aus einem der Wagen in Kino 1 dringen tiefe Bässe. „Da hat wohl jemand eine Dolby Digital-An- lage einbauen lassen“, sagt ein Reporter. Kino mit Wumms, würde Olaf Scholz wohl dazu sagen. Die blaue Stunde ist angebrochen, ein Zeitfen- ster, während der Dämmerung, bei der eine be- sondere Färbung des Himmels eintritt. Einzelne Pollen fliegen durch die Luft. Durch das Licht der Leinwand wirken sie wie die Staubpartikel im Kino, die durch das Licht der Projektion im Dunkeln sichtbar werden. Es könnten aber auch überdimensionale Corona-Bällchen sein. Ab und an ziehen Mitarbeiter mit dem Bollerwa- gen durch die Reihen, schließlich soll niemand verhungern oder verdursten. Sie tragen Masken. Die Zuschauer machen es sich derweil gemütlich. Einige haben Decken mitgebracht, andere sitzen in Pulli und Jogginghose auf ihren Sitzen, und weiter hinten lassen sie die Korken knallen. Aussteigen ist im Autokino, abgesehen von Notfäl- len, nicht erlaubt. Dennoch öffnen einige ihre Tü- ren, um ein paar Krümel vom Pullover zu klopfen, einfach mal die Beine zu strecken oder die Toilette aufzusuchen. Letzteres ist ja quasi auch ein Notfall. Was beim Autokino auf dem Heiligengeistfeld auffällt, ist die Liebe zum Detail: So stehen auf einem Banner, vor den Toiletten, die Worte: „Life of Pi Pi“ – eine Anspielung auf den Erfolgsfilm von Ang Lee, „Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger“. Vor den Ausgängen steht: „Hasta la Vista, Baby“. Dieses Autokino – so viel wird deutlich – ist von Cineasten für Cineasten. Bis August wird es auf dem Heiligengeistfeld sein Programm anbieten. Fünf bis acht Vorstellungen pro Tag. Der Premierenabend neigt sich dem Ende zu. Es ist dunkel. Nur noch das Licht der Leinwand er- füllt den Platz. Ein letztes Mal ergreift Udo das Mikro, singt den Song „Niemals dran gezweifelt“. Darin heißt es: „Ich war noch jung und lag die Nächte wach, und in meinem Kopf ganz großes Kino. Hatte so ’ne Sehnsucht, doch wonach? All das war mir da, noch nicht so klar. Und dann zog ich in die große Stadt, wird’s auch mal gefährlich oder schwer, pack ich meinen Mut unter den Hut und jag den großen Träumen hinterher. Ich hab niemals dran gezweifelt, dass wir das überste- hen. Niemals dran gezweifelt, wir kriegen’s hin.“ Udo singt – und alle auf dem Heiligengeistfeld atmen auf. Vielleicht ist das Autokino nicht das Original, aber es ist, wie man in diesem Moment merkt, verdammt nah dran. Matthias Elwardt schreitet schnellen Schrittes auf sein Auto zu. Bis zu diesem Abend gab es für den Zeise-Chef – ebenso wie für den Rest der Kinobetreiber – wenig zu lachen. Die Kinos hatten knapp drei Monate geschlossen, verloren Unsummen an Geld und werden die Miet- und Personalkosten nach Wiedereröffnung im Juni beziehungsweise Juli aufgrund der strengen Auf- lagen wohl nicht erwirtschaften. Einige bangen ums Überleben, viele hängen am Tropf staatli- cher Überbrückungshilfen. Elwardt verabschie- det sich, setzt sich in seinen schwarzen Smart und flitzt grinsend davon. Ob er sein Grinsen vor- her aufsetzte, war nicht zu erkennen. Marco Arellano Gomes WWW.AUTOKINO-IN-HAMBURG.DE Foto: Jérome Gerull Foto: Jérome Gerull

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