hamburg pur - Juli 2020
Torben, in einer Pressemitteilung zum Trixsi-De- bütalbum „Frau Gott“ hat Sänger Jörkk Mechen- bier kürzlich erklärt, Deutschrock würde aktuell nur scheitern, weil „die Leute keinen gesell- schaftskritischen Auftrag“ hätten. Wer sind denn „die Leute“? Torben Leske: Keine Ahnung, wer die Leute sind – aber Jörkk ist einfach der letzte verdammte Rock- star, zumindest, wie ich Rockstars als Jugendli- cher idealisiert habe. Ich rede nicht von Idioten wie Axl Rose oder so, sondern von glamourösen Persönlichkeiten mit einem kreativen Output, der auf eine gewisse Art und Weise der Gesellschaft einen Spiegel vorhält, ohne dabei penetrant poli- tisch und fingerzeigend zu sein, aber das eigene Sein und Tun ständig in Frage stellt. Rockmu- sik muss in meinen Augen stark sein, aufwühlen und gleichzeitig tief zerbrechlich sein. Aktuelle Deutschrock-Stars hingegen scheinen ziemlich austauschbar zu sein – das wiederum ist natür- lich auch ein Spiegel der Gesellschaft. Inwiefern? Ich meine den hyperangepassten Menschen im Turbokapitalismus als letzte Form der Revolte. Spießigkeit als der neue Punk. Es wird Zeit für einen abgefuckten Star! Jörg wird es leider nicht. Er ist zu alt. Habt ihr euch denn gezielt vorgenommen, Deutschrock Substanz zu verleihen? Keiner meiner Bandkollegen mag das Wort Rock in den Mund nehmen. Das Deutschrock-Ding habe ich ins Leben gerufen, weil ich mich in diesen Indie- und Punk-Gefilden relativ fehl am Platz fühle. Ich vermisse da einfach den Glam-Faktor. Die Szenen sind oft etwas dogmatisch und in sich geschlossen – auch das ist spießig. Früher fand ich genau das saucool und spannend und habe mich für meine Jugendmucke geschämt. Jetzt höre ich wieder Aerosmith und merke, dass mich die großen Ges- ten einfach abholen. Tatsächlich wird beim Hören von „Frau Gott“ schnell klar: Trixsi, das steht nicht für Anbiede- rung gegenüber der breiten Masse, sondern für das Gegenteil – klanglich wie lyrisch. Gleich die ersten zehn Sekunden des Albums beinhalten die erste klare, unbequeme Ansage: „Es geht mir 11 MUSIK schlecht, jeden Tag, wenn ich sehe, was die Leute ummich herum so interessiert.“ Gab es anfäng- lich ganz bestimmte Botschaften, die ihr textlich unbedingt mit den Songs transportieren wolltet? Wir haben uns wirklich überhaupt keine Gedan- ken gemacht, was wir transportieren wollen. Vor dem ersten Konzert haben wir nicht mal darüber nachgedacht, wie wir die Instrumente transpor- tieren sollen (lacht). Aber ich denke, unterbewusst weiß jeder von uns, was ihn erwartet, wenn wir Jörkk texten lassen. Wenn er nicht gezügelt wird, geht er bei ihm ab, der lyrische Durchfall. Unge- hemmt bricht er dann bei den Proben heraus. Wir sind sehr oft einfach nur am Lachen und können nicht fassen, was Jörkk da singt. Zum Beispiel: „Alle wollen höher, schneller, weiter, leider frisst das Pferd dabei den Reiter.“ Großartig! Wir stellen seine Texte aber eh nie in Frage. Trixsi sind frei, textlich wie musikalisch. Apropos musikalisch: Bei Trixsi ist klassischer Slacker Rock ebenso hörbar wie die zweite Wel- le des Britpop Mitte der Nullerjahre. Konntet ihr, die aus ganz unterschiedlichen Bands stammt und erst seit zwei Jahren zusammen Musik macht, euch fix auf einen Stil einigen? Wir wollten der Musik einfach etwas zurückgeben, was unserer Ansicht nach in den letzten Jahre ver- loren gegangen ist, nämlich die Message: Musik machen muss keine harte Arbeit sein, sondern darf eben anders sein als – in Anführungszeichen – ein Job. Darum ging es doch immer: Anders zu sein als die arbeitende, alltägliche Welt. Es ging um Exzentrik, Exzess und emotionale Achterbahn- fahrten. Zumindest ist das die Rockwelt, die uns als Teenager verkauft wurde. Wir leben einfach unsere kleine Illusion bei Trixsi weiter, auch wenn wir mittlerweile zur klassischen deutschen Mittel- schicht gehören. Wenn man nämlich mit Naivität und Spaß zur Sache geht, entsteht automatisch ein Soundgemisch aus allem, was einen beeinflusst hat. Manchmal fängt Jörkk an, Pearl Jam-Texte über ein Gitarrenriff zu singen – aber es juckt eben niemanden. Und wenn es mal alberner Deutsch- punk ist: auch gut. Wohin soll es denn noch gehen mit Trixsi? Oder anders gefragt: Wie sehr halten sich der Wunsch nach Spaß und der nach kommerziellem Erfolg die Waage? Den Wunsch nach kommerziellem Erfolg hat kei- ner von uns. Wenn der Erfolg kommen sollte, dann nehmen wir ihn mit – wir sind aber realistisch ge- nug, um zu wissen, dass das Quark ist. Ich kann nur für mich sprechen: Ich gehe lieber arbeiten – solange es mich ausfüllt – und bewahre mir da- durch die künstlerische Freiheit. Ebenso halten wir es mit dem Spielen von Konzerten. Wir wollen in ausgewählten Herzensläden spielen, mit der Ener- gie eines Stadionkonzerts (lacht). Trixsi-Konzerte sollen eine Party für uns sein, und es würde uns umso glücklicher machen, wenn viele mitfeiern. Bescheidenheit und Egozentrik: Das sind Trixsi. Ein Höllengemisch. Interview: Erik Brandt-Höge „Frau Gott“ ist am 26.6. auf Glitterhouse Records erschienen
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