Juli 2019
34 THEATER Herr Lang, hat sich seit Ihrem Antritt als Intendant des Ohnsorg-Theaters alles so entwickelt, wie Sie es sich gewünscht haben? Es ist sehr vieles von dem eingetreten, was ich mir ge- wünscht habe. Ich glaube, dass wir eigentlich weiter sind, als wir uns das hätten träumen lassen dürfen. Aber es gibt auch viele Stellschrauben, an denen wir weiter drehen müs- sen, um das Haus gut in die Zukunft führen zu können. Der klare Auftrag aus der Politik lautete ja „Modernisierung einer Legende“ – das hat die damalige Kultursenatorin Barbara Kisseler mir bei meinem Antrittsbesuch noch ins Stammbuch geschrieben. Diesen Auftrag nehme ich sehr ernst, weil wir einerseits zwar stark vom Zuspruch des Pu- blikums leben, aber andererseits auch Subventionen erhal- ten für die Pflege der niederdeutschen Kultur und dafür, dass wir uns programmatisch weiterentwickeln, Themen und Geschichten der Gegenwart aufgreifen und Türen auf- stoßen, die bisher verschlossen waren. Welche Türen sind das? Wir müssen das nachwachsende Publikum neugierig ma- chen. Menschen, die bisher vielleicht sagten, das ist das Theater meiner Eltern und Großeltern, sollen es für sich entdecken. Wir dürfen nicht vergessen, dass zwei Generati- onen nicht mehr mit der plattdeutschen Sprache sozialisiert sind: meine eigene Generation der über 50-Jährigen und die jetzt etwa 30-Jährigen. Da müssen wir viele Schwelle- nängste und vermeintliche Sprachbarrieren abbauen. Erst heute können junge Menschen wieder in der Kita, in der Schule, in unserem Ohnsorg Studio oder im Rahmen an- derer Initiativen Platt lernen. Eine sehr positive Entwick- lung, wenngleich es auch hierbei noch sehr viel zu tun gibt. Und wie machen Sie das? Wenn ich mir wünsche, dass die nachwachsenden Genera- tionen sich dem Ohnsorg-Theater gegenüber öffnen, dann muss sich zuallererst einmal das Theater den Menschen gegenüber öffnen. Das tun wir seit Jahren mit unserer Stu- diobühne, wo das Prinzip der Zweisprachigkeit von Anfang an ein Wesensmerkmal war und die Stücke auch danach ausgesucht werden, wie Plattdeutsch und Hochdeutsch dramaturgisch sinnvoll miteinander verknüpft werden kön- nen. Das Ohnsorg Studio ist damit die Speerspitze unserer Zuschauernachwuchsförderung. Aber auch im großen Haus müssen wir uns weiter öffnen, sowohl in inhaltlicher und ästhetischer als auch in sprachlicher Hinsicht. Außerdem werden wir ab der nächsten Spielzeit jeden Donnerstag vor der Vorstellung eine undogmatische, stückbezogene Ein- führung in die plattdeutsche Sprache bieten. OHNSORG-THEATER Sprache schafft Identität Foto: Oliver Fantitsch Michael Lang blickt zurück auf seine ersten zwei Jahre als Intendant des Ohnsorg-Theaters und stellt die Weichen für ein Volkstheater am Puls der Zeit
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