Juli 2018

FILM Ein schwäbisches Dorf, zwei junge Frauen, jede Menge Identitätskrisen: Mit „Landrauschen“ legt Lisa Miller ein intelligentes, witziges Satiredrama vor Von wegen Idylle LANDRAUSCHEN 34 hamburg: pur Aktion! hamburg:pur Aktion! Für die Premiere in Anwe- senheit der Regisseurin am 16.7., 20 Uhr im Aba- ton Kino verlosen wir 40x2 Karten. E-Mail mit Betreff „pur: landrauschen“ an pur-verlosung@ vkfmi.de Einsendeschluss: 13.7. Hier ist die Welt noch in Ordnung, so lautet der Un- tertitel zu Lisa Millers furiosem Debütfilm, der beim Max-Ophüls-Preis gleich drei Auszeich- nungen abräumte, darunter die für die Beste Regie und das Beste Drehbuch. Gemeint ist das ironisch, denn Miller (Regie, Drehbuch, Koproduzentin) ent- larvt eine scheinbare Dorfidylle im Schwäbischen als Schlangennest aus Engstirnigkeit und Intole- ranz. Die vollpfostigen Polizisten, der bigotte Pfar- rer und vor allem die werten Nachbarn beäugen jeden mit Misstrauen und Ablehnung, der nicht ins Schema passt: Homosexuelle, Flüchtlinge, And- ersdenkende. Das enge soziale Netz wird zur kleb- rigen, erstickenden Falle. Das bekommt auch Toni (Kathrin Wolf) zu spüren. Sie war der heimatlichen Enge nach Berlin entflo- hen. Zwei Studienabschlüsse und eine erfolglose Jobsuche später kehrt sie, gescheitert, in das ver- hasste Elternhaus in Bubenhausen bei Ulm zurück und crasht als Praktikantin der Lokalredaktion mit voller Wucht ins Heimatleben. Halt und Verständ- nis bekommt sie nur von ihrer Kindheitsfreundin Rosa (fantastisch: Nadine Sauter) – die als Lesbe genauso scheel angesehen wird wie die sozialkri- tische, offene Toni. Einzig im Rausch fühlen sie sich frei. Wir sehen: Zeigst du deine Andersartigkeit, zerrei- ßen sie sich über dich das Maul (Rosa). Passt du dich an, verrätst du dich selber (Toni). Dass aber auch die gute Integration in die Dorfgemeinde nicht zwangsläufig glücklich macht, zeigt Tonis Mutter. Trotz aller sozialen Kontakte fehlt ihr echte Nähe. Mit Alkohol betäubt sie Kummer und Ängste – was werden die Nachbarn sagen? Tonis Aussehen be- äugt sie ebenso kritisch wie ihre Freunde und Be- kannten, allen voran Rosa, die „andersrum ist“ und die „Neger”, Flüchtlinge, die in einer kirchlichen Einrichtung untergekommen sind und von Rosa betreut werden. „Wenn sie bei uns leben wollen, dann sollen sie sich an uns anpassen!“, geifert sie. „An wen sollen sie sich anpassen, an dich oder an mich?“, fragt Toni. Pointierte Dialoge, sorgfältig herausgearbeitete Charaktere, viel Humor, großartige Laienschau- spieler und ein feiner, mit viel Liebe ausgewählter Soundtrack sind die Zutaten zu dieser ebenso ver- gnüglichen wie intelligenten Heimat- und Selbst- findungsstudie. Ein wirkliches Happy End gibt es dankenswerter Weise nicht, zu viele Probleme blei- ben ungelöst. Aber so ist das Leben. MaikeSchade AB 19. JULI R: Lisa Miller; D 2018; D: KathrinWolf, Nadine Sauter, Volkram Zschiesche ★★★★★ Foto: Arsenal

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