hamburg:pur Juni 2024

Foto: Zentropa/Henrik Ohsten FILM DRAMA Ernten und Säen „King’s Land“ ist ein meisterhaft inszenierter Western, der in den Weiten Jüt- lands spielt, mit einemmitreißen- den Mads Mikkel- sen („Der Rausch“) und einem fiesen Simon Bennebjerg ist das Treiben des wackeren Pioniers ein Dorn imAuge. So entspinnt sich ein erbittertes Duell zweier unerbittlicher Männer, von denen einer dank seiner Abstammung am längeren Hebel sitzt. Doch gegen den starrköpfigen, von seiner Mission besessenen Kahlen ist kein Heidekraut gewachsen … Seit er 2006 in „Casino Royale“ als „Le Chiffre“ blutige Tränen vergoss, wird Mads Mikkelsen in Hollywood vorwiegend als Bösewicht be- setzt. Anders in seiner dänischen Heimat: Hier darf er auch Alphamännchen mit intaktem Moral-Kompass verkörpern. Als sein bitter­ böser Gegenpart brilliert Mikkelsens Lands- mann Simon Bennebjerg, der dem Film einige Szenen beschert, die hart an der Grenze des Erträglichen sind. „King’s Land“ ist ein groß- artig besetztes, meisterhaft ins Bild gesetztes Drama über menschliches Streben und Schei- tern, angeführt von einemMads Mikkelsen auf der absoluten Höhe seines schauspielerischen Schaffens. Regisseur Nikolaj Arcel gelingt ein packender Spagat zwischen glaubhaftemHis- toriendrama und „nordischemWestern“ – und obendrein der kurzweiligste Film über Kartof- fel-Anbau seit „Der Marsianer“. Text: Calle Claus AB 6. JUNI DK/D/S 2023; 127 Min.; R: Nikolaj Arcel; D: Mads Mikkelsen, Amanda Collin, Simon Bennebjerg ★★★★★ hamburg:pur Aktion! Für eine Sondervorstellung des Films „King’s Land“ am 9.6., 11 Uhr in den Zeise Kinos verlosen wir 10 x 2 Karten. E-Mail mit Name und Betreff „pur:King’s Land“ an verlosung@szene- hamburg.com ; Einsendeschluss: 7.6. Der vorläufige Film des Jahres 2024 kommt aus Dänemark und heißt im Original „Bastar- den“. Die Hauptfigur, der gestandene Kriegs- veteran Ludvig Kahlen (Mads Mikkelsen), resultierte nämlich aus dem amourösen „Fehl- tritt“ eines Edelmannes mit einem Haus­ mädchen. Nun spricht Kahlen am dänischen Königshof vor, um endlich den Adelstitel zu erlangen, der ihm nie vergönnt war. Dafür will er die scheinbar unmögliche Aufgabe meis- tern: Die sandigen Weiten der jütländischen Heide urbar zu machen. Er hat zwei Säcke mit importierten Setzlingen zumAnbau dabei. Die bis dato unbekannten Knollen hören auf den Namen „Kartoffel“. Kahlen fängt buchstäblich bei null an: Nur mit einemHandbohrer bewaff- net, nimmt er bei Wind und Wetter unermüd- lich Bodenproben, bis er schließlich einen geeigneten Ort gefunden hat. Dieser grenzt unglücklicherweise direkt an die Ländereien des lokalen Tyrannen Frederik de Schinkel (Si- mon Bennebjerg). Dem adeligen Scheusal 22 23 Late Night with the Devil „Showmaster ist mein Beruf, ein Beruf, ein Beruf, den der Teufel schuf“, sang Rudi Carrell 1975 augenzwinkernd über seine Arbeit als Moderator. Eine Zeile, die für den neuen Horrorfilm der aus­ tralischen Regisseure Cameron und Colin Cairnes geschrieben sein könnte. In „Late Night with the Devil“ taucht das Brüderge­ spann nicht nur tief in die US-amerikanische TV-Kultur der 1970er- Jahre ein. Noch dazu lässt es den Leibhaftigen in einem Fernseh­ studio während einer Live-Sendung aus dem Schatten treten. „Der Exorzist“ vor laufenden Kameras sozusagen – eine starke Ausgangsidee! Nach dem Krebstod seiner Ehefrau nimmt sich Late-Night-Host Jack Delroy (David Dastmalchian) eine Auszeit. Einmal auf den Bildschirm zurückgekehrt, ringt der Entertainer mit stetig sinken­ den Quoten. Das Ruder herumreißen soll eine Spezialausgabe an Halloween 1977, die ganz im Zeichen des schaurigen Festes steht. Zu Gast sind neben einemMedium und einemMagier, der Über­ natürliches als Schwindel entlarven will, auch eine Parapsycho­ login und deren junge Patientin. Das Mädchen überlebte einst den Massenselbstmord einer Sekte und behauptet nun, von einer dämonischen Präsenz besessen zu sein. Mit einemProlog, der in Form einer fiktiven Dokumentation Jacks Laufbahn umreißt und die erstmalige Veröffentlichung der scho­ ckierenden Halloween-Ausgabe ankündigt, schüren die Cairnes- Brüder enorme Erwartungen. Erwartungen, die sie letztlich nicht ganz einlösen können. Wirklich unheimlich wird es nur selten, da die Horrorelemente eher klassisch ausfallen. Beeindruckend ist dafür das Drumherum: der sarkastische Blick hinter die TV-Ku­ lissen, die punktgenaue Rekonstruktion des 1970er-Jahre-Am­ biente, die vielen Details, die Delroys Show einen authentischen Anstrich verleihen. Schön auch, dass der auf sinistre Nebenrollen abonnierte David Dastmalchian einmal die ganze Bandbreite sei­ nes Könnens ausspielen darf. Als zunehmend überforderter Mo­ derator der langsam eskalierenden Sendung bildet er das fes­ selnde Zentrum des Films. (cd) AB 6. JUNI AUS/VAE/USA 2023; 93 Min.; R: Cameron Cairnes & Colin Cairnes; D: David Dastmalchian, Laura Gordon, Ian Bliss ★★★★★ The EndWe Start From Das Drama beginnt mit Bildern einer sich langsam füllenden Badewanne. Eine namenlose Hochschwangere (Hauptdarstelle­ rin Jodie Comer wird in den Credits als „Woman“ geführt) gleitet hinein – warmes Wasser als Symbol häuslicher Cozyness. Doch damit ist es bald vorbei, denn auch draußen fluten Wassermas­ sen die Straßen Londons, wird die britische Insel doch seit Wo­ chen von Starkregen heimgesucht. Plötzlich, noch mehr Wasser: Die Fruchtblase platzt. „Woman“ und R (Joel Fry), der Mann an ihrer Seite, schaffen es gerade noch ins nächste, bereits hoff­ nungslos überfüllte Krankenhaus. Hier erblickt der kleine Zeb das Licht der Welt. Er ist die einzige Filmfigur mit Namen, mögliche Bejahung der über allem kreisenden Frage, ob man noch Kinder in eine von Klimawandel bedrohte Welt setzen sollte. Das junge Paar flieht aus der Hauptstadt ins Landhaus von Rs Eltern, dank Hochlage und gut gefüllter Vorratskammer ein temporärer Hei­ mathafen. Doch das ist trügerisch: Einen Schicksalsschlag später ist die frisch gebackene Mutter Zebs letzte Beschützerin. „Allein­ erziehend“ nannte man das zu trockenen Zeiten. Auf ihrer Odys­ see durch ein überschwemmtes, aus den zivilisatorischen Angeln gehobenes England trifft sie irgendwann auf O (Katherine Wa­ terston), eine mit Galgenhumor gesegnete Amerikanerin. Auch sie hat ihr Baby dabei, fortan bilden die Frauen eine Schicksals­ gemeinschaft. Und es gibt Hoffnung, weiß O doch von einer Insel- Kommune irgendwo im Norden, einemmöglichen Safe Place für das fragile Quartett. Regisseurin Mahalia Belo ist ein staunenswert intimer Katastro­ phenfilm gelungen. Spektakuläre Endzeit-Totalen lässt sie wei­ testgehend weg, was vielleicht auch dem knappen Budget ge­ schuldet ist. Co-Producer Benedict Cumberbatch hat einen kur­ zen, etwas erzwungen wirkenden Gastauftritt, ansonsten liegt der Fokus ganz auf der Hauptfigur, die Comer ungeheuer einneh­ mend verkörpert. Es ist dieses Gefühl von „Das könnte ich sein!“, welches dieser filmischen Parabel über die Mühen der Mutter­ schaft seine beklemmende Wucht verleiht. (cc) AB 30. MAI GB 2023; 102 Min.; R: Mahalia Belo; D: Jodie Comer, Joel Fry, Katherine Waterston ★★★★★ FILM Foto: Capelight Pictures Foto: Focus Features

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