hamburg:pur Juni 2023

Foto: missingFILMs FILM und seine raubeinige Ziehmutter und gestren- ge Ballettmeisterin (Ursula Werner) auf Die- bestour gehen. Doch dieses Mal ist alles an- ders: Nele und Kolja sind wie verzaubert von- einander. Wenig später stirbt Kolja bei einem tragischen Unfall und nur Nele kann ihn retten, indem sie in die Unterwelt, in Gestalt des win- digen Künstleragenten Höllbach (Heiko Pin- kowski), hinabsteigt und sie ihre betörende Gesangsstimme an die alternde Diva Adina (Ursina Lardi) verliert. Ständig lässt Regisseur Ranisch die Grenzen zwischen Realität und Traum verschwimmen, überzeichnet insbesondere die Figur des Höll- bach, bis ins Groteske. Nele und Kolja wech- seln kaum Worte, sie sprechen nur mit Tanz und Gesang miteinander. Es ist ein träumeri- scher Sog, ein Schweben, in das Ranisch das Publikummit seiner bildgewaltigen und wun- derschönen Interpretation der griechischen Sage entführt. (bs) AB 1. JUNI D 2022; 107 Min.; R: Axel Ranisch; D: MirjamMesak, Guido Badalamenti, Ursula Werner ★★★★★ scheinbar heile Welt einer durchschnittlichen Mittelklassefamilie, in der bei allemFortschritt patriarchale Strukturen herrschen. Der Mann bringt das Geld nach Hause, die Frau kümmert sich um die Kinder. Immerhin hat sie mal stu- diert und Hubert gesteht ihr gönnerhaft Aero- bic, Pilates oder Yoga zu, wenn sie nur wollte. Kazejaks Drama erzählt von dysfunktionalen Familien, nicht im klassischen Sinne, vielmehr erinnern die Mechanismen an Ruben Östlunds „Höhere Gewalt“, von Männern, die in kriti- schen Situationen komplett versagen. Spar- sam setzt Kazejak Dialoge ein, lässt die Ge- sichter, insbesondere das der herausragenden Grochowska sprechen, mit orchestralen Strei- chern die Dramatik anschwellen, kontrastiert die zunehmende Anspannung mit der in sanf- tes Licht getauchten Landschaft Bornholms. Es ist ein explizit weiblicher Blick auf die zu- nehmende Unbeholfenheit der Männer und auf emotionale Verletzungen in Beziehungen, nicht aggressiv, sondern melancholisch, manchmal witzig und am Ende traurig-triumphal. (bs) AB 1. JUNI POL 2022; 96 Min.; R: Anna Kazejak; D: Agnieszka Grochowska, Maciej Stuhr, Grzegorz Damięcki ★★★★★ Fucking Bornholm Wie jedes Jahr verbringen Maja (Agnieszka Grochowska) und Hubert (Maciej Stuhr) mit ihren beiden Söhnen und dem Studienfreund Dawid (Grzegorz Damięcki) ein paar Tage auf Bornholm. Gleich am ersten Abend geht Maja ans Eingemachte, als sie da am Lagerfeuer in den Dünen Bornholms sitzen. Beiläufig, ganz unaufgeregt und scheinbar aus dem Nichts erzählt sie von einem Traum, in dem sie mit einem Fremden Sex hat, irgendwo in der Öf- fentlichkeit oder zumindest draußen. Als ihr Mann Hubert ihr genau das wenig später vor- schlägt, winkt sie müde ab. Dass in der Paar- und Elternbeziehung der beiden etwas nicht stimmt, ist da längst klar. Dawid ist frisch ge- schieden und darf erstmals einen Urlaub mit seinem zehnjährigen Sohn verbringen, seine neue, sehr viel jüngere Freundin Nina (Jasmina Polak) ist auch dabei, beäugt von Maja, ein wenig bewundert von Hubert. Nach der ersten Nacht der drei Jungens im Zelt ist Majas Jüngs- ter komplett verstört. Spätestens als klar wird, was passiert ist und warum, gerät die ohnehin schon brüchige Ferienidylle mächtig ins Wan- ken. Denn die Handlungen der Kinder werfen die Erwachsene auf die eigenen zurück. In ihremDrama seziert die polnische Regisseu- rin und Drehbuchautorin Anna Kazejak die Orphea in Love Die griechische Mythologie ist ein beliebtes Sujet für Opern, Filme und Romane, so reich ist sie an tragischen Heldinnen und Helden, an Drama, Liebe, Verzweiflung und Romantik. Die Sage um den Dichter und Sänger Orpheus und seine Frau, die Nymphe Eurydike, zählt defini- tiv dazu. Schon von ihrer Ursprungsfassung gibt es verschiedene Deutungen, es folgten zahlreiche Opern. Der Berliner Regisseur, Au- tor und Schauspieler Axel Ranisch hat aus dem Stoff eine bezaubernde, träumerische Musi- cal-Oper gemacht, in der Orpheus zu Orphea wird, die zu rettende Eurydike zu einem tan- zenden Taschendieb. Nele (Mirjam Mesak) ist jene Orphea, eine junge Estin, die zum Studium nach München gekommen ist, sich tatsächlich aber als Call- center-Mitarbeiterin und Garderobiere in der Staatsoper durch- schlägt. In dem Kon- zerthaus findet sie Zuflucht und Erfül- lung, denn einst stu- dierte sie selbst in Tallinn Gesang. Eines Abends umtanzt sie, wie aus dem Nichts, ein junger Mann, be- circt sie im wahrsten Sinne des Wortes. An- schließend fehlt ihr Portemonnaie. Es ist die immer gleiche Ma- sche, mit der Kolja (Guido Badalamenti) Foto: Arsenal Filmverleih 24 Unsere Möglich macher: w w w . a h o y r a d i o . d e Gutes Radio für Gute Leude M e d i e n p a r t n e r Ladet unsere App!

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