hamburg:pur Juni 2021

www.ahoyradio.de Möglichmacher: Medienpartner: JETZT EINSCHALTEN Foto: Gerrit Meier THEATER STEIFE BRISE „Impro-Theater ist Volkstheater“ Seit 30 Jahren bringt die Improvisationstheatergruppe immer neue Formate auf die Bühne – zuletzt sogar ein Musical. Knut Kalbertodt und Lars Kalusky verraten, welche Regeln beim Spiel aus dem Stegreif wichtig sind Knut Kalbertodt und Lars Kalusky, die wich- tigste Frage zuerst: Was macht einen guten Impro-Spieler aus? Lars Kalusky: Beim Momentical, unserem Im- pro-Musical, fragen wir vorher ab, was das Pu- blikum sehen möchte. Wo spielt das Ganze? Wer spielt mit? Und zwischendurch fragen wir, wie es weitergehen soll und reagieren auf Zu- rufe. Dazu brauchen wir Fantasie, Kreativität und Spontaneität. Diese Fähigkeiten hat eigent- lich jeder, sie sind nur bei vielen sehr verdeckt. Kommen diese Fähigkeiten auch noch zur Anwendung, wenn man wie du, Knut, schon zwanzig Jahre bei Steife Brise aktiv ist? Bringt das Publikum durch seine Vorgaben nicht immer wieder ähnliche Einfälle ins Spiel, auf die man dann quasi mechanisch reagieren kann? Knut Kalbertodt: Natürlich haben wir eine Rou- tine und wissen, wie Charaktere reagieren kön- nen. Wir gucken aber immer auf die Situation und konzentrieren uns auf das Wie. Dabei geht es auch darum, sich selbst zu überraschen – sonst hätte ich es gar nicht 20 Jahre auf der Bühne bei der Steifen Brise ausgehalten. Kalusky: Der Spaß besteht bei 16 Steife-Brise- Mitgliedern auch darin, dass man mit Men- schen zusammenspielt, die man zum Teil sehr gut, zum Teil aber auch weniger gut kennt. Die Kombination ist immer anders. Das ist wie bei der Musik: Es gibt zwölf Noten, aber immer wieder neue Musikstücke. Stichwort Musik: Das Musicalformat, das ihr seit 2019 im Programm habt, wurde unter anderem von dir, Lars, initiiert. Wie kam es dazu? Kalusky: Wir haben uns vor vier Jahren die Showstopper in London angeguckt und einen Workshop bei denen gemacht, eine Gruppe die seit vielen Jahren erfolgreich improvisierte Mu- sicals anbietet. Da haben wir einiges gelernt. Musik und Text sind improvisiert. Dafür muss man als Ensemble schon sehr gut zusammen- spielen, und es braucht viel Probenzeit. Wie harmonisiert ihr dabei miteinander? Ein Musical ist ja kein Free Jazz. Kalusky: Wir gestikulieren viel. Wenn ich eine Strophe singe, gebe ich meiner Kollegin ein Handzeichen, damit sie die nächste Strophe übernimmt. Wir bleiben auch immer in Kontakt mit den zwei bis drei Musikern, um zu sehen, was die gerade machen: Keep it simple stupid – immer schön einfach. Wir fangen niemals mit einem dreistimmigen Satz an, weil wir zunächst Orientierungspunkte brauchen. Erst wenn wir etwas oft genug wiederholt haben, fügen wir weitere Stimmen hinzu. Mit acht bis neun Leu- ten auf der Bühne schaffen wir es dann meis- tens, etwas Harmonisches zu produzieren. Was passiert, wenn ihr mal ins Stocken ge- ratet und ungewollte Pausen entstehen? Kalusky: Ich habe eher das Gefühl, wehe, man macht eine Pause, weil dann sofort jemand anderes mit seiner Idee kommt. Wir sind ja zum Glück nie allein auf der Bühne. Und wenn es tatsächlich mal ein Loch gibt, denken die Zu- schauenden oft, das muss jetzt so sein. Die Geschichte entsteht ja zu einem großen Teil in den Köpfen des Publikums. Kalbertodt: Wenn etwas Unvorhergesehenes passiert, muss man sich im Moment fragen, welche Optionen es eröffnet. Da kommen unsere drei Grundregeln ins Spiel. Erstens: Lass deinen Plan los, weil man sonst nicht fle- xibel genug ist und immer enttäuscht wird. 17

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