Juni 2019

33 THEATER Lars, „Atlantropa“ hieß die Utopie eines heute unbekannten Architekten: Herman Sörgel plante Ende der Zwanzigerjahre, die beiden Kontinente Afrika und Europa zu verbinden, durch Senkung des Wasserstands imMittelmeer – diese größen- wahnsinnige Idee liefert nun den Stoff für eure nächste Uraufführung? Lars Ceglecki: Ja, wir suchten ein Stück, in dem es um Visionen geht, und da erinnerte ich mich, vor Jahren von „Atlantropa“ gehört zu haben. Sör­ gel war ebenso verrückt wie mutig, er dachte, auf diese Weise nicht nur Land zu gewinnen, sondern auch die Menschen beider Kontinente einander näherzubringen. Unser Aufhänger ist: Was wür­ de es heute bedeuten, wenn es Brücken zwischen Afrika und Europa gäbe und nicht mehr ein un­ überwindliches Meer dazwischenläge. Wie schlagt ihr die Brücke zwischen Sörgels Vision und dem Stadtteil Horn, in dem euer Theater sitzt? In Horn liegt noch viel brach, und gerade jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, um mutig nach vorn zu gehen und Utopien für den Hamburger Osten zu entwickeln. Im Untertitel heißt „Atlantropa“ des­ halb „das Horner Utopie-Labor“. Kannst du dazu ein Beispiel aus dem Stück nen- nen? So was wie: Wir fluten den nächsten, nördlich ge­ legenen Stadtteil Marienthal, dann würde Horn am Wasser liegen, das wäre ein großer Vorteil – Marienthal ist auch gar nicht so dicht besiedelt … Es geht ums Träumen, manchmal auch nur des Träumens wegen, einfach zu spinnen. Es gibt heute weder in Politik noch in der Gesellschaft große THEATER DAS ZIMMER Stadtteil- visionen Foto: Patrick Bieber Das kleine Theater in Horn bringt im Juni die Utopie „Atlantropa“ auf die Bühne. Was diese für den Hamburger Osten bedeutet, erzählt Leiter Lars Ceglecki Wie hoch ist der Anteil an Hornern im Publikum? Ein Drittel, manchmal auch die Hälfte, sind Hor­ ner; ein zweites Drittel kommt aus Hamburg ins­ gesamt, und dann kommen viele von außerhalb, aus Lüneburg, Stade, Buxtehudee, Kiel, Lübeck. Und immer wieder Touristen: Die schauen sich am selben Wochenende die Elbphilharmonie und das kleinste Theater Hamburgs an. Wird sich durch die finanzielle Förderung et- was ändern? Mit der Förderung können wir das „Zimmer“ auf ein solides finanzielles Fundament stellen, die Aufgaben auf mehr Köpfe verteilen. Nun können wir uns die Helfer tatsächlich leisten, die wir zuvor mit Geldern bezahlten, die wir an anderen Thea­ tern verdienten – das machen wir ja auch noch. Aber du wirkst nach fünf Jahren gar nicht un- glücklich? Nein, im Gegenteil. Uns wird immer wieder bewusst, was für ein Glück es ist, diesen Platz gefunden zu haben, an dem wir das machen können, was wir wollen und nicht mit den Zwängen leben müssen, die man als Gast, ob Regisseur oder Schauspieler, an einem anderen Theater mitunter hat. Wir sind hier zu Hause. Interview: Dagmar Ellen Fischer AB 20. JUNI Theater das Zimmer Visionen. Wir wollen mit diesem Stück Mut machen: Träumt, spinnt! Sörgel war ein Träumer, ein Visio­ när, ein Künstler, der über 30 Jahre lang für seine Vision gekämpft hat. Ich finde das beeindruckend. Wie werden die große Ideen im überschaubaren Theaterraum konkret umgesetzt? Dieser Raum ist extrem mobil: Es wird Sitzgrup­ pen in den Ecken geben, aber das Publikum soll auch aktiv werden, die Plätze wechseln und an Ideen mitspinnen. Zu diesem Zweck gibt es Ge­ genstände an den Wänden, auf dem Boden, auf Tischen, wo man das Thema haptisch begreifen kann – eine Mischung aus Antiquariat und Ar­ chiv. Alle vier Spieler – zwei Frauen, zwei Männer – übernehmen die Rolle von Herman Sörgel, ihr Part wird hauptsächlich in der Mitte stattfinden. Jeder wird beim Reinkommen in Empfang ge­ nommen, das Spiel fängt also schon an der Tür an, so gibt es einen weichen Übergang zum tat­ sächlichen Beginn. Und je nachdem, wie stark sich die mitwirkenden Zuschauer einbringen, könnte der Abend ge- sprengt werden? Das dürfen sie gern! Es wird einen Schluss geben, in dem die große Idee zusammenfasst wird, wie die aussieht, ist offen, und so wird jeder Abend anders sein. In der Geschichte gab es schon verrückte Ideen für Horn: Carl Hagenbeck zum Beispiel wollte ur­ sprünglich seinen Tierpark hier aufbauen, die Stadt Hamburg war aber dagegen.

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