hamburg:pur Mai 2024

Foto: AidemMedia Ltd Foto: François Duhamel/Netflix Golda Sie war imOktober 1973 die Frau der Stunde, als der Staat Israel durch einen Überraschungsangriff Ägyptens, Syriens und Jorda- niens bange Tage der Ungewissheit durchlebte. Die Welt hielt den Atem an, und Israels Staatsoberhaupt Golda Meir behielt die Nerven. Mit „Golda – Israels Eiserne Lady“ widmet ihr Regisseur Guy Nattiv („Skin“) einen Film. Es sind bange, besorgniserregende zehn Tage, in denen die ge- sundheitlich angeschlagene israelische Premierministerin Golda Meir (Helen Mirren) kettenrauchend im plötzlich vom Zaun ge- brochenen Jom-Kippur-Krieg den Überblick behalten muss. Um- geben von einemmännlich besetzten Kabinett, das sie mit völlig unterschiedlichen strategischen Vorschlägen bombardiert, muss Golda sowohl auf dem Kriegsfeld als auch auf dem diplomati- schen Parkett Entscheidungen treffen, von denen unzählige Men- schenleben, das Schicksal von Nationen und der Welt abhängen. Wie geht sie mit diesen Ausnahmezustand um? Wird sie die rich- tigen Entscheidungen treffen? Regisseur Guy Nattiv gelingt dank der darstellerischen Leistun- gen von Oscar-Preisträgerin Helen Mirren („The Queen“) ein pa- ckender Thriller, bei dem nicht nur das oscarprämierte Make-up überzeugt. Alles dreht sich umGolda: Die Kamera bleibt stets an ihr dran, zeigt sie rauchend in Konferenzräumen, bei ihr zu Hause, im Krankenhaus und in ihren Träumen. Der Begriff „Fog of war“ bekommt da eine völlig neue Bedeutung. Es ist spürbar, in welch emotionalemAusnahmezustand Golda Meir gewesen sein muss, was sie in jenen Tagen mental und körperlich durchmachte – in steter Ungewissheit und doch die Fassung wahrend. Dennoch fehlt dem Film eine Vision, die über das schiere Erleben dieser Tage hinausgeht. Die kriegerischen Handlungen werden bloß in kurzen Momenten angerissen, stattdessen werden unzählige Stra- tegien rauf und runter diskutiert, die schwer einzuordnen sind. Obwohl der Film nah an ihrem Charakter bleibt, ist der Film kein klassisches Porträt, obwohl er einen Krieg thematisiert, ist er kein Kriegsfilm, obwohl er die Politik hinter den Ereignissen skizziert, ist er kein politischer Thriller. Der Film ist gut gemacht, aber da wäre mehr drin gewesen. (mag) AB 30. MAI GB, USA 2023; 100 Min.; R: Guy Nattiv; D: Helen Mirren, Liev Schreiber, Camille Cottin ★★★★★ May December Ein Film, der „May December“ heißt, spielt im Frühling und im Winter. Was sonst? Weit gefehlt! Denn im Englischen beziehen sich die beiden Wörter auch auf eine Partnerschaft mit großem Altersunterschied. Genau darum geht es in Todd Haynes’ neuer Regiearbeit, die 2023 in Cannes ihre Weltpremiere feierte. Natalie Portman verkörpert die Schauspielerin Elizabeth, die in den Alltag eines skandalumwitterten Paares eintaucht. Vor 23 Jah- ren hatte die damaligeMittdreißigerin Gracie (JulianneMoore) eine Affäre mit dem Siebtklässler Joe. Nach ihrem Gefängnisaufent- halt heiratete sie ihren jungen Liebhaber und gründete mit ihm eine Familie. Da Elizabeth Gracie nun in einem Independent-Film verkörpern wird, will sie sich richtig in die Rolle einfühlen und besucht die Eheleute. Ihre Anwesenheit, ihre Gespräche mit Ver- wandten und Beteiligten lassen allerdings weder Gracie noch Joe (Charles Melton) kalt. „May December“ hätte plattes Kolportagekino werden können, entpuppt sich aber als vielschichtige, Spiegelungen geschickt einsetzende Tragikomödie mit spannenden Fragestellungen: Kön- nen Missbrauch und Liebe nebeneinander existieren? Was be- deutet Wahrheit? Welche Grenzen hat die Schauspielkunst? Wel- che Verantwortung tragen Darsteller und Filmemacher, wenn sie reale Geschehnisse nachstellen? Und ist es überhaupt möglich, andere Menschen richtig zu entschlüsseln? Der Film bietet viele Diskussionsansätze, wirkt jedoch nie überladen, hat eher etwas Spielerisches – nicht zuletzt dank seiner zwischen Dramatik und Augenzwinkern changierenden Musik. Portman und Moore über- zeugen. Zum Ende hin trumpft allerdings auch Melton auf. Was den positiven Eindruck etwas trübt: Dass Haynes und Co. ihre Kritik an Hollywoods ausbeuterischem Umgang mit wahren Geschichten selbst untergraben. Vili Fualaau, dessen medial aus- geschlachtete Missbrauchserfahrung als Inspirationsquelle diente, ließ jedenfalls verlauten, er fühle sich benutzt, da keiner der krea- tiv Verantwortlichen den Kontakt zu ihm gesucht habe. (cd) AB 30. MAI USA 2023; 113 Min.; R: Todd Haynes; D: Julianne Moore, Natalie Portman, Charles Melton ★★★★★ FILM 26 shop.szene-hamburg.com bestellen ONLINE Oder genussguide-hamburg.com Jetzt am Kiosk! Der Geschmacksträger für Hamburg Anonym. Kritisch. Unabhängig www.genussguide-hamburg.com Eingeschenkt Top-Bars, beste Brauer, edle Tropfen Genuss-M Hamburgs Gastr für die B Radikal regio Das Leckere oft so Gut gestartet Die Hotspots fürs Frühstück Mehr Wert Neue Gastrokonzepte trotzen der Krise Top Neueröffnungen und mehr als 750 Restaurants im Test ESSEN+TRINKEN SPEZ 2024 ISBN 4 19 001_ET_Titel_E+T_2024 1 10.04.2024 18:12:06

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