hamburg:pur Mai 2023

Foto: Alexandra Polina THEATER geengt. Man denke nur an das Fetischisieren des in der Bruststimme gesungenen hohen C, bei dem eine Verneinung der tatsächlich ho- hen Stimme für den Helden mitschwingt. Fällt es den Beteiligten nicht schwer, diese persönlichen Erfahrungen auf der Bühne mit- zuteilen? Leicht ist es nicht. Auch für die drei kompo- nierenden Personen nicht, die immer Rück- sicht darauf nehmen müssen, was gerade im gemeinsamen Prozess entsteht. Inzwischen haben wir aber eine schöne Unvorsichtigkeit miteinander entwickelt. Dieser Mut, mit Spaß, Wucht und Frechheit ein Wagnis auf der Büh- ne einzugehen, ist wichtig, denn daraus kann auch wieder eine Form entstehen, die gleich- zeitig ein Schutz sein kann. Bei der Bezeichnung „Opern-Wrestling- Show“ kommt einem die fünfteilige Opera- novela „Ring & Wrestling“ in den Sinn, die 2018 in der Opera Stabile gezeigt wurde. Gibt es da irgendwelche Anknüpfungspunkte? Vielleicht gab es damals ähnliche Motive. Wir gehen von unserer eigenen Kampfeslust aus und kehren das Prinzip der Wrestling-Show um. Dort wird ja ein großer Realismus behauptet, obwohl alles einstudiert ist – eine Parallele zur Oper. Diese Behauptung brechen wir auf, indem wir eher Off-Stage-Momente inszenieren und zeigen, wie man immer wieder mit dem Profil, das einemzugeschrieben wird, ringt. Dabei geht es eher umEinzelkämpfe und das Ausgestellt- Sein der Personen auf einer Art Show-Treppe, die wie eine verpixelte Zunge aussieht – als ob man aus demMund herausgespuckt wird. Dazu gibt es Seile, die an Stimmbänder erinnern. Du hast gesagt, dass für das Projekt neue Musik entsteht. Wie sieht die Besetzung aus? Da wir die klassischen Besetzungsschemata nicht bedienen wollten, haben wir nur hohe Stimmen ausgewählt. Dazu kommen Saiten- instrumente, nämlich zwei Kontrabässe, eine Harfe und eine E-Gitarre plus elektronische Musik. Es gibt Sensoren im Bühnenbild, die Klänge auslösen und drei Personen, die kom- ponieren – ein unfassbar komplexer Vorgang. Wir haben aber bewusst ein großes Team ge- wählt, um viele Perspektiven zu haben, aus denen heraus wir das Stück gemeinsam ent- wickeln können. Werden auch klassische Arien gesungen? Es gibt Zitate von Arien, die für die Sänger und Sängerinnen wesentlich sind. Wie ist der Titel „It’s a Mass“ zu verstehen? Der erste Gedanke war, in einer eigenen Mes- se starre Strukturen von Religion und Oper zu vergleichen. Der Religionsgedanke, heilig zu sprechen, Opfer zu bringen und neue Rituale für die Oper zu erfinden, ist in der Performance noch vorhanden, aber im Vordergrund steht nun die Bedeutung von „It’s a Mess“ – das Chaos, die Vielfalt. Im letzten Jahr hast du die Oper „Pinocchios Abenteuer“ am Theater Regensburg und an der Grund- und Stadtteilschule Alter Teich- weg im Rahmen der „Dulsberg Late Night“ die Show „Magic Ball“ inszeniert. Würdest du die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen als dein zweites Standbein bezeichnen? Ich habe schon immer mit großer Leidenschaft und Ernsthaftigkeit Kinder- und Jugendthea- ter gemacht, weil dieser Bereich viel zu unter- belichtet und wahnsinnig wertvoll ist. Gleich- zeitig hat es mich über viele Jahre sehr gestört, dass man mir als „junge Mama“ nur diese Dinge zutraut. Es ist schlimm, wie wenige Frauen Opern auf großen Bühnen inszenieren. Des- halb will ich die Kinderoper – man könnte sa- gen, aus einem politischen Aktivismus heraus – hinter mir lassen. Der Einstieg in die große Oper ist schwer: Es fehlen kleine Bühnen, ex- perimentelle Formate und Nachwuchspreise. Man kann zunächst nur assistieren oder Kin- deropern inszenieren. Von dort aus ist die Schwelle bis zur Inszenierung auf der großen Bühne aber enorm hoch. Wie groß ist das Ungleichgewicht zwischen Frauen und Männern im Bereich der Opern- regie? Mit unserem Verein „Pro Quote Bühne“, des- sen Vorstand ich angehöre, haben wir bei der Fraktion Die Linke im letzten Jahr eine große Senatsanfrage angestoßen: In Hamburg ist die Quote imBereich Musiktheater durch die vie- len regieführenden Frauen im Opernloft fast ausgewogen. Aber beim Honorarvergleich in den Jahren 2016 bis 2019 ergibt sich ein ganz anderes Bild: 1,2 Millionen Euro Gage gingen an Männer und nur 200.000 Euro an Frauen. Daran sieht man, wie Quotenangaben verblen- den können. Gleichzeitig fordern wir sie ein, weil viele Häuser weit von einer paritätischen Besetzung entfernt sind, erst recht imMusik- theater. Und damit fehlen Perspektiven im wahrsten Sinne des Wortes. Interview: Sören Ingwersen 24. MAI (PREMIERE), 25.–27.5.; Kampnagel 18 Foto: Morris Mac Matzen THEATER Pirat, Tiger, Weihnachtsbäcker Wir wird aus einem ganz normalen Jungen ein großer Pirat? Diese legendäre Geschichte erzählt „Der kleine Störtebeker“! Und weil Pirat als Berufswunsch immer be- liebter wird, ist das Kindermusical ab sofort nicht nur zur Weihnachtszeit auf St. Pauli zu erleben. Pünktlich zum diesjährigen Hafengeburtstag kehrt der mutige Freibeu- ter zurück – mit jeder Menge Überraschungen imSchlepp- tau, den Störtebeker-Wochen: Am 6. Mai lädt ein großes Piratenfest mit Abenteuer-Parcours kleine und große Landratten ein. An ausgewählten Samstagen dürfen Neu- gierige vor der Show hinter die Kulissen des Theaters blicken. Außerdem gibt es einen Störtebeker-Rundgang extra für Kinder. Wegen der großen Nachfrage bietet das Schmidt Theater nun ganzjährig Theater für junges Pu­ blikuman, spannendes Drumherum inklusive. Das bedeu- tet, „Der achtsame Tiger“ kommt samt Urwaldparty, und in der „Weihnachtsbäckerei“ wird ein Kinderfest gefeiert. (def) 5.–7., 11.–14., 19.–21., 26.–28. MAI UND WEITERE TERMINE; Schmidt Theater: Der kleine Störtebeker DE HEVEN SCHALL TÖVEN KOMÖDIE VON DOMINIQUE LORENZ AUF PLATT- & HOCHDEUTSCH 28.5. – 2.7.2023 Foto: Sinje Hasheider

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