hamburg:pur april 2022

ESSEN+TRINKEN Fotos: wirfuerdieerde FOOD WASTE Lebensmittel retten Immer mehr Menschen retten Lebensmittel aus den Abfallcontainern von Supermärkten – und machen sich damit strafbar. Sie fordern ein Umdenken der Politik, das sich bereits anbahnt. Milena und Sophia erzählen, wie es ist, sich sein Essen aus den Mülltonnen der Super­ märkte zu fischen obwohl vieles davon noch genießbar ist. Einige Menschen retten Lebensmittel aus den Ton- nen der Supermärkte. Sie containern. Und ma- chen sich damit strafbar. So auch Milena und Sophia. Die Zwillinge aus Hamburg containern seit 2015 etwa einmal wöchentlich. Damals absolvierte Milena ein Praktikum in München. Währenddessen wohnte sie in einer WG, die aktiv containerte. Über Milena fing auch ihre Schwester Sophia damit an, Lebensmittel vor der Verschwendung zu retten. Obwohl ihre finanzielle Situation durch Praktikum und Studium keine großen Sprünge zuließ, war dies nur bedingt ausschlaggebend für die Entschei- Die Nacht bricht herein, und vom Trubel des Tages ist kaum noch etwas zu spüren. Die Straßen sind wie leer gefegt. Ausgestattet mit Stirnlampe und Rucksack ziehen Milena und Sophia los. Wachsam steigen die beiden in den Container eines Supermarktes ein. „Dass diese Lebensmittel noch gut sind und trotzdem weggeworfen werden, ist für mich so ein krasser Widerspruch, dass ich nicht anders kann, als das aus der Tonne zu holen“, erläutert Milena. Frische Bananen, ganze Pa- letten mit Joghurt oder Brotwaren – all das wird in rauen Mengen täglich in den Abfall- containern deutscher Supermärkte entsorgt, 6 ESSEN+TRINKEN dung zu containern. Vielmehr habe dieser Akt etwas mit ihrer Erziehung und Einstellung als mit Rebellion und Notwendigkeit zu tun. „Unse- re Großeltern sind Geflüchtete und haben viel Hunger durchlitten“, erzählt Milena, „deshalb sind wir darauf getrimmt, jedes Stück Brot noch zu verwerten.“ Der leichtfertige Umgang mit Lebensmitteln erschrecke beide. Versäumnisse der Politik Rund zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel lan- den laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Deutschland pro Jahr im Müll. 0,5 Millionen Tonnen davon sind auf den Groß- und Einzelhandel zurückzuführen. Con- tainern ist in Deutschland strafbar und wird als Diebstahl oder sogar Hausfriedensbruch geahndet. In Deutschland gab es seitens der Politik bereits Bemühungen, Containern zu ent- kriminalisieren, dennoch ist kaum etwas pas- siert. Erst 2020 entschied das Bundesverfas- sungsgericht in Karlsruhe, dass das Containern eine Straftat bleibt und wies damit die Klage zweier Studentinnen ab. Diese hatten nachts in der Nähe von München Lebensmittel aus demMüll eines Supermarktes gesammelt und gegen das Urteil des Amtsgerichtes Revision eingelegt sowie eine Verfassungsklage ein­ gereicht. Der ehemalige Justizsenator von Hamburg, Till Steffen, hält das Problem der Lebensmittelverschwendung für gravierend und stellte 2019 einen Antrag auf der Konfe- renz der Justizminister, umContainern zu ent- kriminalisieren. Er forderte Änderungen in Straf- recht und BürgerlichemGesetzbuch oder eine Anpassung der bundesweit geltenden Richt- linien für das Strafverfahren. Die Union über- stimmte damals FDP, SPD, Linke und Grüne. Riskante Aktionen Wie sich eine Container-Aktion gestaltet, hän- ge davon ab, ob die Tonnen frei zugänglich seien oder nicht, erzählen die Zwillinge. Meistens ziehen die beiden zu zweit und nachts los. „Manche Supermärkte stellen ihre Con- tainer einfach an die Straße. Die wenigsten Menschen wissen, dass in diesen Tonnen Es- sen ist“, so Milena. „Da kann man im Vorbei- gehen Essen entnehmen. Das ist wie Essen pflücken gehen“, ergänzt Sophia. Andere Supermärkte wiederum verwahren die Con- tainer in abgesperrten Bereichen. „In so einem Fall“, erzählen mir die Geschwister, „klettert man tatsächlich irgendwo rüber, um in das Areal zu gelangen.“ Eine Person stände Schmiere, während die anderen in die Contai- ner einstiegen und die Lebensmittel einpacken, die in Frage kämen. Das seien in Milenas und Sophias Fall vorrangig Obst, Gemüse, Schoko- lade und Brotwaren. „Obst und Gemüse haben www.reservix.de dein ticketportal /reservix Tickets unter www.reservix.de 0,20 € inkl.MwSt.pro Anruf aus allen deutschen Netzen Hotline 01806 700 733 Alle Angaben ohne Gewähr Bundesweit 90.000 Events! KimWilde 19.10.22 FABRIK Hamburg 23.08.–19.09.22 First Stage Hamburg 31.10.22 Laeiszhalle,Hamburg Ein Abend mit John Strelecky 17.05.22 Laeiszhalle Hamburg 10.05.22 Friedrich-Ebert-HalleHarburg Hamburg 7

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