April 2018
A Beautiful Day Ein Auftragskiller? Nein, das ist Joe (unglaublich gut: Joaquin Phoenix) nicht, er tötet, wenn es sein muss. Der Kriegsveteran und ehemalige FBI-Agent hat sich auf die Rettung minderjäh- riger Mädchen spezialisiert, die in Nobel-Bordellen zur Prosti- tution gezwungen werden. So wie die 13-jährige Nina (Ekateri- na Samsonov), Tochter des ambitionierten New Yorker Senators Votto. Doch dieser Auftrag läuft aus dem Ruder. Er- barmungslos katapultiert Regisseurin Lynne Ramsay ihre Zu- schauer in die alptraumhafte Gefühlswelt des Protagonisten. Die Vergangenheit krallt sich fest in Joes Gedanken, als Kind gefoltert, gequält, erniedrigt von einem brutalen Vater, die Mutter ein Opfer genau wie er. Ihr gilt seine ganze Fürsorge. Doch auch dieses fragile Glück endet als Blutbad, unser Anti- held gerät in ein mörderisches Komplott skrupelloser pädo- philer Politiker. Ramsays suggestive Charakterstudie ist äs- thetisch ein überwältigendes Erlebnis und birgt Momente erschütternder Schönheit. (sc) AB 8. MÄRZ R: Brett Morgan; USA 2017; Preview am4.3., Abaton Kino, 11 Uhr ★★★★★ Vor uns das Meer Was treibt Menschen dazu, ihre Grenzen auszutesten? Im Fall des britischen Geschäftsmannes Donald Crowhurst war es – so schildert es das biografische Drama „Vor uns das Meer“ – die Aussicht auf ein Preisgeld, mit dem sich die ei- gene Firma sanieren ließe, und der Wunsch, endlich etwas Außergewöhnliches im Leben zu erreichen. Im Oktober 1968 brach der Familienvater mit einem selbst entwickelten Tri- maran zu einer Weltumrundung auf. Auf hoher See geriet der Hobby-Schiffer allerdings schnell an seine Grenzen und sah sich schon bald gezwungen, seine in die Heimat über- mittelten Kursangaben zu manipulieren. Regisseur James Marsh wechselt immer wieder die Perspektive zwischen Crowhurst (engagiert: Colin Firth), dessen Familie und sei- nem PR-Agenten. Doch auch wenn der Film regelmäßig eine Sogwirkung entfaltet, wird man das Gefühl nicht los, dass man die düsteren Seiten der Geschichte noch eingehender hätte er- forschen können. (cd) AB 28. MÄRZ R: James Marsh; GB 2018; D: Co- lin Firth, Rachel Weisz, David Thewlis ★★★ ★★ Transit Transiträume. Irgendwo zwischen Zukunft und Vergangenheit, zwischen neuer und alter Heimat, die aber nur noch in Erinnerung besteht. Es gibt sie nicht mehr, die Heimat, nur noch Leere, Hoffnunglosigkeit, Warten. Auch Georg taumelt hilflos durch Zeit und Raum. Er ist in Marseille, wir schreiben das Jahr 1940. Das Nazi-Heer rückt immer weiter vor, und für deutsche Flüchtlinge wie ihn zieht sich die Schlinge immer enger zu. Die letz- te Hoffnung: eine Schiffspassage nach Übersee. Georg nimmt eine falsche Identität an, verliebt sich in die falsche Frau und das falsche Kind, ist hin- und hergerissen zwi- schen der Sehn- sucht nach Frei- heit und seinen Gefühlen. Schlichtweg genial: Regisseur Christian Petzold hat die historische Geschichte ins Marseille von heute verpflanzt. Ein kleiner Kunstgriff, der ver- störend wirkt. Ein Deutscher auf der Flucht? Doch die Geschichte ist immer noch aktuell, aktueller denn je. Petzold inszeniert sie sehr raffiniert und ein- dringlich. Und Franz Rogowski als Georg ist schlichtweg brillant. (sh) AB 5. APRIL R: Christian Petzold; D/F 2018; D: Franz Rogowski, Paula Beer, Godehard Giese, Barbara Auer. Premiere mit Darstellerin Barbara Auer am 6.4., Abaton Kino, 20 Uhr ★★★★★ Wildes Herz „Alles auf Rausch“ setzen Feine Sahne Fischfilet bei ihren Shows. Doch die Band um Punkschwergewicht Monchi kann nicht nur feiern, sie hat auch was zu sagen. Nicht zuletzt dank ihres Engagements gegen die wieder erstarkte Rechte gerieten die Jungs aus Mecklenburg-Vorpommern in den Fokus der Medien, der rechten Szene und sogar des Verfassungsschutzes. Von all dem erfahren wir im Regiedebüt von Charly Hübner. Was Musik und Tourleben angeht, hätte mancher sich vielleicht etwas mehr Einblicke gewünscht. Im Rampenlicht steht aber ganz klar das „wilde Herz“ von Sänger Jan Gorkow, liebevoll Monchi genannt, den wir hier ganz privat und ungeschönt kennen- lernen. Denn dieser Jan Gorkow ist ein krasser Typ und hat in der Vergangen- heit schon so seine dunklen Momente gehabt. Vom Dorfhooligan zum streit- baren Antifaschisten, der seinen Eltern auf der neuen Platte ein Liebeslied widmet – keine uninteressante Heldengeschichte, die Charly Hübner hier zum Besten gibt. (kj) AB 12. APRIL R: Charly Hübner; D 2017; D: Jan Gorkow; Premieren mit Char- ly Hübner, Monchi (Feine Sahne Fischfilet), Lars Jessen & Sebastian Schultz am9.4., Zeise Kinos, 20.30 Uhr und 21 Uhr sowie um21.30 Uhr imStudio Kino ★★★★ ★ Foto: 2018 Constantin Film Verleih GmbH Foto: Schramm Film/ Marco Krüger Foto: Neue Visionen Filmverleih 35
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